II, Theaterstücke 28, Die Schwestern oder Casanova in Spa. Lustspiel in Versen (Eifersucht, Die Wiederkehr, Spion), Seite 129

n Lob dicht eingewickelt, ist die ideale Forderung, daß

J aus dem Irrgarten der Liebe ein Weg ins Freie ##
gesucht werden möge, dem Schoß'inde der Kritik von
dieser schon in den halkyonischen Tagen vor 1914 ofl,
patürlich sehr bescheiden, präsentiert worden. Immerhin K
so oft, daß der Dichter sich ihr schließlich ein und das —
andere Mal halben Herzens gefügt hat, aber nur, um *
alsbald wieder aufatmend in sein sonveräu beherrschtes,
grenzunbewußtes Reich zurückzuflüchten, dessen himmlische
Gestalten nur nach Mann und Weib fragen. Hier hat er
sich nun seit Kriegsbeginn förmlich eingegraben oder ver¬**
schanzt und bisher allen Lockungen, „Stellung zu nehmen“
beharrlich widerstanden: sehr zum Mißfallen junger und
jüngster Kritik, die jeden andern, der dasselbe getan oder #
eigentlich nicht getan, mit so harten Verdikten verschont #
hätte, wie sie der wohlerzogene Liebling der Grazien jetzt
täglich zu hören bekommt. Sein Fall ist eben ein beson¬
derer. Zwanzig Jahre lang sollte er durchaus den Dichter
Wiens, sogar Österreichs vorstellen (und war doch weder
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Echo der Bühnen: Halberstadt, Leipzig
ein Wunder tragen kann. Dies Wunder bleibt uns der
jenes noch dies, wollt' es vielleicht gar nicht sein) — nun
Dichter freilich schuldig; an soviel dialektischen Haarspal¬
regt man sich darüber auf, daß er, gleich einem Größeren,
tereien (alles immer mit fünf multipliziert), an dieser
nichts geworden ist, sondern geblieben, der er war: ein
seiner Künstler in engen oder meinetwegen weiten, aber
Scholastik der Liebe erlahmt schließlich auch seine gute und
sichere Technik, und wiewohl formal die „Schwestern“ hinter
doch jedenfalls in scharf gezogenen Grenzen. Er hat es
während des Krieges in gewehmt tieganter Haltung ver¬
der Schweternnovelle, einem Meisterstück der Kleinkunst,
schmäht, an dem Weltbrand breite Bettelsuppen für ein
laum zurückzustehen, wäre unz mit mehr Inhalt, weniger
groß Publikum zu kochen; wurde dies gebilligt, so finde
[Kunst besser gebient.
man sich nun auch damit ab, daß er weiterhin seinen
Robert F. Arnold
eigenen Weg, daß der Arzt an den Qualen einer Welt
vorübergeht, und verlange nicht von einem, den die Kritik
mit Gewalt zum representative man gemacht, daß er Re¬
präsentationspflichten genüge, von denen sein Herz nichts
weiß. Oder nichts zu wissen scheint?
Sehen wir denn wieder einmal zu, denken wir wieder
einmal darüber nach, comment elles se donnent. Als
zum Erempel: a hat mit h, der Gattin von c, ein nächt¬
liches Begegnen vereinbart, irrt sich aber in der Tür, viel¬
mehr im Fenster, und gelangt (ohne des Irrtums gewahr
zu werden) zu d, der Geliebten von e allmählich klärt
sich der Sachverhalt für alle fünf Beteiligten auf, und
wir stehen vor nicht weniger als fünf quälenden Fragen:
was sollen, was werden a, b usw. nun tun? Ein Fragen¬
kompler, dessen Schwierigkeiten sich steigern und auch wieder
mindern, wenn wir in jene Formel für à Casanova ein¬
setzen, weiland Liebling der Frauen, seit Anno Hofmanns¬
thal der Pocten; aber es bedarf noch einer Hilfsgröße 1,
einer ehemaligen Freundin des Abenteurers, Theatergöttin
ex machina, die, zu ihm zurückkehrend, alle Verwicklungen
u bei k#
löst: b bleibt bis auf weiteres bei e,
is auf weiteres, denn schon künden sich neue algebraische
Größen an.
Die geistreiche, doch ihres Geistreichtums allzu be¬
wußie Handlung ist Schnitzlers Eigentum; den vielbän¬
digen Memoiren Casanovas verdankt er nichts als ein
paar Kamen und das glücksritterliche Milien. Ebenso
+ Auf mehrfache Aufragen hin teilk die
steht's um die wohl gleichzeitig entstandene, etwas früher
Direktion des Burgtheaters mit, daß das
(1919) veröffentlichte Novelle „Casanovas Heimfahrt“
erfolgreiche Lustspiel „Die Schwestern oder Casansra
in der sich die Schatten des Untergangs auf den dreiund¬
in Spa“ von Artur Schn
wegen Be¬
fünfzigjährigen Don Juan herabsenken, während er in
urlaubung des Herrn Treyler seilden. v. M.
den „Schwestern“ noch in seiner Sünder Maienblüte oder
doch Sommerreife steht. In der Novelle umarmi er, für
im Spielplan des Burgtheaters nicht erscheinen
eigen anderen geltend, die Begehrte, im Lustspiel, unver¬
konnte. Am 13. d. wird das Lustspiel im Schön¬
kannt aber verkennend, eine andere als die er begehrt;
brunner Schloßtheater mit Herin Romberg ins
dort schnelle Aufklärung und Katastrophe, hier ein an¬
der Rolle des Casanova aufgeführt. — Die für
mutiges Spielen hin und her und mit der Handlung selbst,
die abgesagten Montagvorstellungen im Burg¬
denn einer der Beteiligten, 6, ist so etwas wie ein Dichter,
theater und Schönbrunner Schloßtheater gelösten!
so daß die ganze Affäre aus dem Realen ins Literarische
Karten werden an den beireffenden Verkaufsstellge
hmnübergleitet, eine bei Schnitzler nicht ungewohnte Wen¬

bis morgen mittags zurückgenommen.
dung. Zum Verständnis der „Schwestern“ trägt die düstere
07
Im Operntheater kommt molgen
Novelle nicht viel bei; indes bewahrt sie mns davor,
die Philosophie oder, wenn das Wort hier gewagt werden
Richard Strouß' „Tper Rosenkavalier“

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darf, die Moral des Lustspiels allzu ernst zu nehmen, den
mit den Damen Windheuser, Gutheil, Schumann,
*
Dichter selbst auf das ethische System festzunageln, das

Szterenyi, Wagner, Paaten, Veigl. Strobl, IIII=
Casanova seinem widerwilligen Adepten # in anmutigen
mann, Haumener, den Herren Zer, Madin. Gallos.
Verken vorträgt, während der Vorhang sich schon senken
Betetto, Wernigk. Stehmann, Breuer. Maikl, Kauf¬
will: dem erotischen Erlebnis gegenüber verschwinde jeder
TRNEI MA WAAMEENEN
Egoismus, jedes Monopolisierenwollen, jeder Wunsch nach
Alleinbesitz; alle für alle oder mindestens für einen, den
Tausendsassa; an Stelle eisersüchtiger Rivalität trete schwester¬
und natürlich auch brüderliches Verzeihen und Gewähren¬
lassen. Und die Treue? die gibt es ohnehin nur in der Form
der Heimkehr von — wir müssen uns nochmals algebraischer
Zeichen bedienen — von X über F zurück zu X.
Damit solcher Leichtsinn das letzte Wort behalte, ist
alles auf die Noten Rokoko und Jugend abgestimmt.
Seide schillert, Reifröcke rauschen, Brieschen bergen sich
in Miedern, Wein und Frauenaugen funkeln um die Wette,
Postpferde galoppieren, Degen klirren, ohne viel Schaden
anzurichten, auf den Spieltisch rollt das Gold, weiße
Frauenglieder leuchten durch die Nacht. Und, von einem
fgnt gereichneten) Erlebemann abgesehen, ist niemand in
diesem Reigen älter als der in die Dreißiger tretende Ritter
ohne Furcht und Adel. Ein Wunderland, in das uns nur