II, Theaterstücke 27, Fink und Fliederbusch. Komödie in drei Akten (Journalisten, Der Unsichtbare und die zwei Schatten), Seite 7

27. Einkund Friederbusch
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Wiener Mitt
Lebensprühende, mutig zugreifende Kraft? 1
Und wo jenen Humor, der aus dem liefsten
Lebensernste kommt, der lachen kann, wo
er blutig geißeln, innere Cränen weinen

muß? Schnitzler ist in seinen erzählenden
1
Schriften der Seelenzerleger, der Zersaserer.
a
der Dichter am Seziertisch, in seinen drama¬
lischen Arbeiten aber der artistisch brillant
begabte Nachempfinder, der nicht gestaltel,
sondern nachmacht, im besten Falle malt.
B
Was hätte ein gottbegnadeter unerschrockener
Satiriker aus diesem brillanten Stoff ge¬
macht! Man denke nur: ein Journalist. E
der nach links und rechts, liberal und
d
klerikal gleich famos und wirkungsvoll zu
d
schreiben weiß
„überzeugt und über¬
C
zeugend!“ Und dadurch endlich mit lich selbst B
ins Quell gerät! Der entrüftete klerikale
Fink fordert den frechen liberalen Flieder¬
2
busch und erst auf dem Kampfplatz zeigt6
es sich für alle Beteiligten: es ist ein und #i
derselbe Halunke. Crotzdem die Komödiee
zahm und zag. die Führung der Handlung B
oft mehr als unsicher, manchmal sogar
etwas ungeschickt ist, lebt doch in einzelnen K
Szenen satirische Luft, weht doch mitunter
satirische Luft durch das Stück, das bei
guter Aufführung und nach Streichung
6
einiger ermüdender Längen immerhin wirken
müßte. Ilt durch den wie planmäßig er¬
folgten Federkrieg das in einem kühnen
Versuch leider stecken gebliebene Stück auch
a
von der Bühne vertrieben worden — im
Buche ist es da und wird gelesen werden;
denn es bietet den verständnisvoll Hin¬
horchenden manchen Genuß, weil es neben
wenig stichhältigen übertreibungen auch
viele kostbare Wahrheiten enthält — hiebe, ¼
nach links und nach rechts!

Gabelent, Georg von der. Von Heiligen
und Sündern. Erzählungen. K 9.68.
Wenn man dies Buch lieft, fühlt man
lich wie auf eine stille Insel versetzt.
Baumkronen räuschen uns zu Häupten. d
Flimmernde Sonnenbänder schlingen lich)
durchs Gezweig; ein milder, lauer Hauch „
des Südens umweht uns, der zwar zu¬ a
weilen uns ein wenig schwer auf die Bruft v
fällt, aber dann wieder einer frischeren B
Brise weicht, die vom blauen Weer her¬
überweht. Kingsum Frieden und Ruhe. Wir n
fühlen uns dem wilden Getriebe und dem g
fosenden Waffenlärm der Gegenwart ent¬ la
rückt und genießen mit voller Freude die ei
Schönheiten, die der Dichter in selner klaren,
ernsten Sprache vor uns ausbreitel. Alle
Gebiete des Seelenlebens berührt der Zau¬ ei
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Zühnen: Wien
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Tangenten
zum Problem: die Einkreisung des Ge¬
genstandes selber ist weniger sein Ziel. Vielleicht ist
der feinste Reiz des simmelschen Philosophierens
nicht sowohl eine wissenschaftliche Bereicherung oder
eine sachliche Erkenntnis (obwohl es auch daran nicht
fehlt), sondern selbst, in dem es auf Asthetiches ge¬
rich et ist, ein ästhetischer Genuß. Alles ist vor¬
getragen in einer sehr abstrakten Sprache, die den¬
noch sehr persönlich und von einer bohrenden Sub¬
tilität ist. Vielleich! Kaviar fürs Volk, aber auch
Kaviar für Feinschmecker.
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OchIs
Schs der Bahnen
Wien
„Fink & Fliederbusch.“ Komödie in drei Akten.“ Von
2
Arthur Schnitzler (Uraufführung im Deutschen Volks¬
thea####Robember 1917) (Buchausgabe: Berlin,
S. Fischer)
□dentität der Gegensätze“. Dieses ibsenartige Schlag¬
„I wort, das durch „Fink und Fliederbusch“ geht,
möchte man ausrufen, wo sich zufällig das neue
Werk Schnitzlers unmittelbar an das Schönherrs reiht.
Ihre Begabungen sind ebensolche Kontraste wie die Welt
und Atmosphäre ihrer Stoffe: hier die Redaktionsstube
einer großen wiener Zeitung, dort ein tiroler Gemischt¬
warenladen, das Geschäft der Literatur und das Geschäft
des täglichen Hausbedarfs. Die Handlung des einen
Werks dreht sich um Politik und Strebertum, der Dichter
des „Anatol“ meidet mit deutlicher Absicht jegliche Ein¬
mischung von Erotik und führt eine einzige Frauengestalt
episodisch ein; Schönherr schrieb die Tragödie einer sich
verlassen fühlenden Gattin. Und doch, indem Schnitzler
zu viel Geist, Schönherr zu wenig entwickelte, haben beide
ihr Ziel, ein Drama zu schaffen, nicht erreicht und sich in
Episoden erschöpft, die bei dem einen zu einer Folge von
Worten, bei dem andern zu einer Folge von kleinen
Szenen werden.
„Die Journalisten“ Gustav Freytags müssen einem
natürlich bei Schnitzlers Werke einfallen. Ein Stück, das
auf der deutschen Bühne nicht recht leben und nicht
recht sterben kann. Veraltet seine ganze Umwelt, frisch
der Humor in den Piepenbrinkszenen und den Episoden.
Franzosen haben seit der Zeit wohl wiederholt den
Zeitungsmenschen auf die Bühne gestellt, ein Augier
bereits mit Grimm und Mitleid seine Leiden und Un¬
tugenden verewigt. Es mochte wohl locken, dem kleinlichen
Betrieb, wie ihn Freytag noch vorführte, die moderne,
gewaltige Entwckelung der papierenen Weltmacht entgegen¬
zustellen, so schwer es auch von vornherein erscheinen mußte,
dieses Getriebe gewal iger Maschinen, enormer Arbeits¬
kräfte, nervenzerrüttender geistiger und körperlicher Auf¬
gebote in den engen Rahmen einiger Akte und Szenen
einzufangen. Ob diese Aufgabe ein Theaterstück überhaupt
lösen kann, ist mehr als zweifelhaft, und die Form des
Romans wird hier wohl unbedingt den Vorzug verdienen.
Schnitzler ist keinesfalls der Größe seines Vorwurfs voll¬
kommen gerecht geworden. Schon die äußerliche Be¬
wegung, die im ersten Akte das demokratische Wiener
Tageblatt, „Die Gegenwart“ entfaltet. wächst nur durchs
Telephon über das bescheidene Maß der freytagschen
„Union“ hinaus. Redakteure und Chef haben viel Zeit
zu Besprechungen und überflüssigen Erörterungen, die sie
und das ist ein Fehler, der durch das ganze Stück
geht — weniger gegen einander als an die Zuhörer richten.
So fehlt's an größeren Perspektiven und Ausblicken, so
viel auch von politischen Fragen da gestreift wird, und