II, Theaterstücke 27, Fink und Fliederbusch. Komödie in drei Akten (Journalisten, Der Unsichtbare und die zwei Schatten), Seite 8

27. Einkund Fljederbusch
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Echo der Bühn
das Milieu ist kleinlich, wo man es doch weit und aus¬
greifend erwarten mußte.
Ein Stück, das einen ganzen Stand vorführen will,
muß ihn erschöpfen, insofern wenigstens, als es Ver¬
treter verschiedenster Gattung desselben vorführt. Hier
haben wir wohl Leitartikler, Kunstkritiker, Lokalreporter;
doch sie alle gehören in die tiefste Kategorie der Lohn¬
schreiber, ihre Gesinnung ist durchweg niedrig, sie ver¬
achten sich und ihren Beruf, kein Ollendorf oder Bolz
findet sich unter ihnen; daß es derartige Eristenzen
gibt, wird niemand bestreiten, und es ist Schnitzler
gewiß nicht eingefallen, zu behaupten, er habe in seinen
Figuren die gesamte Welt der Presse wiedergegeben;
aber, da er nicht ein einziges Lichtbild seinen dunklen
Ehrenmännern gegenüberstellt, erweckt er den Anschein
einer Verallgemeinerung, die ihm ferne gelegen. Und
gerade sein Held und was er erlebt, hätte dringend
einer hellen Folie bedurft. Die Fabel seines Stücks wäre
wohl zu einer Groteske wirksam auszugestalten gewesen.
Der kleine Fliederbusch, Parlamentsberichterstatter des
Blattes, ein unbevenklicher bel am der Journalistik,
liefert unter dem Namen Fink an ein bedenkliches Wochen¬
blatt, „Die elegante Welt“ einen Artikel über eine Rede
des Grafen Niederhof und repliziert in heftigster Weise
auf ihn in der Gegenwart", fähig, rechts und links
zu schreiben, wie seine Ahnherrn Schmock und Giboyer.
Er tritt in enge Verbindung mit dem kleineren Blatte,
das sich in Händen der katholischen Partei zu einem großen
Tageblatt ausgestalten soll, und gewinnt persönliche Füh¬
lung mit ihrem Führer, dem Grafen, und einer einflu߬
reichen Fürstin. Aber sein Angriff war zu heftig, der
ritterlich sich gebärdende Sohn des Herausgebers der
„Eleganten Welt“ fordert, daß Fink sich mit Fliederbusch
schlägt, er kann nicht auskneifen, und muß seine, wohl recht
unwahrscheinliche Doppelrolle festhalten, bis zum Duell,
das erst die in seiner eigenen Person vereinigte „Identität
der Gegensätze“ enthüllt und ihm schließlich eine glän¬
zende Stellung bei dem vom Grafen neubegründeten
großen Zeitungsunternehmen verschafft. Das wäre eine
wirksame komische Situation, nur müßte sie drastischer
gebracht werden. Aber das Stück ist in Rede und
Gegenrede leblos, die Menschen sprechen aneinander vor¬
bei, sie sind nur gedacht und konstruiert, Begriffe, nicht
Wesen, das Wort ist nirgends Fleisch geworden, selbst
die sichere Technik versagt mit den zahlreichen Monologen
des Helden, alle Welt doziert, selbst der Graf, der aus¬
führlich Ibsens Lehre von der Überflüssigkeit der Ideale
in etwas anderer Form predigt, wenn er Überzeugungen
als verschwendete, sentimentale Nebenzwecke und Surrogate
hinstellt.. Keine Figur in dem Drama, die sich nicht in
ähnlicher Weise selbst negierte, und zwar, das ist das
schlimmste, schwach negierte. Es fehlt, wie bei Schnitzler
selbstverständlich, nicht an manchem feinen Worte, an
treffend beobachteten Figuren; namentlich der herabge¬
kommene, aristokratische Journalist, der vielgeschäftige
Theaterstückfabrikant und wohlvorbereitete Nekrologist sind
sehr hübsch intentioniert, aber auch ihnen gebricht Fülle
und Ausdruck, sie sind Idee und Absicht geblieben, wie
das ganze Werk, das sich von einem kleinen Einfall
zum andern mühsam weiterhilft. Daß Schnitzler auch
hier wieder seinen unbeirrbaren Geschmack zeigt und seine
Dialoge meist sicher an den Klippen der Gemein¬
plätze und Banalitäten vorbeisteuert, sei nachdrücklich
betont. Mit Übermut und Keckheit wäre der Stoff
wohl zu bewältigen gewesen; tiefer, sittlicher Ernst
hätte ihn von einer anderen Seite ergreifen können.
Indem Schnitzler sich weder für die eine noch
für die andere Behandlung herzhaft entschied, schwankt
sein Stück in Inhalt wie in Form. Gewiß kein Unglück
bei einem so echten Künstler, der leicht die Scharte aus¬
wetzen wird; aber eine Freude hat er seinen ehrlichen
Freunden diesmak nicht bereitet.
Alerander von Weilen
box 33/1
Krakgner Zeitung, Krakau
E
10. 2. 1973
Fink und Fliederbusch“, Komödie in drei Ak¬
tey von Arthur SchnitzlenBarlin 1917. S.
Iyscher Verlag. — Ber Ger Erstaufführung im Wie¬
ner Deutschen Volkstheater hatte das Stück nur
einen Achtungserfolg und ein großer Teil der Wie¬
ner Kritik fand nur Tadel. Es ist möglich, daß
man von einem neuen Schnitzler zu viel verlangt,
und daß die Komödie einen großen Erfolg gehabt
hätte, wäre ihr Verfasser ein Neuling oder einer
unserer weniger berühmten Schriftsteller gewesen.
lch halte aber diesc subjektive Beurteilung für
ungerecht und finde das Stück, dem man nur den
Vorwurf machen kann, daß die Fabel nicht ur¬
eigenster Erfindung Schnitzlers ist, in der Lektüre
sehr amüsant, weil es einige ganz hervorragend
gezeichnete Typen von Journalisten bringt. Es
mag auch das der Grund für die ablehnende Hal¬
tung der Wiener Kritik gewesen sein, da cs wohl
für manchen nicht angenehm war, sein getreues
Spiegelbild zu sehen. Man hat ja auch Gustav
Freytag lange Zeit den Schmock nicht vergessen
und so wird auch Herr Fliederhusch lange Zeit
den Preßicuten ein Dorn im Auge sein. Der un¬
parteiische Leser aber mag sichfreuen, daß
Schnitzler in der ernsten Kriegzit ein so lusti=
ges Bich geschrieben hat.
P. E.
Penz #., cnpra
Gnese S
22 1061918
Ceteren

„Fink und Fliederbusch“. Komödie v. Artbur S##l
S. Fischer Verlag, Berlin.
Arthur Schnitzler vermag immer etwas zu sagen, auch wenn
eer, wie in dieser Komödie, die Gesinnungslosigkeit eires gewißen
Journalismus lobpreist. Fink und Fliederbusch, das ist der
Mann, der sür und gegen sich schreibt. Dazwischen liegt eine
autgesehene Geschichte der Korruption unserer Zeit. Um voll
wirken zu können, etwas zu weitschweifig, zu viel Detailarbeiten.
In den paar Großstädten wird diese Komödie wirken, wo man
Zuhörer hat, die hinter den Kulissen gewöhnt und befählat find
Sie werden schmunzeln. Die große Menge wird ein bischen
gelaugweilt von Arthur Schnitzler wünschen, daß er mehr
erotisch wirke.
S