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27. Eink und Fliederbusch
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G
Ne.4 A KU4
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J07
Literarische Rundschau.
Obssarsu
Journalistenkomödien.
Im letzten Winter hat man Arthur Schuitzlers jüngste Bühnendichtung, die
Journalistenkomödie „Fink und Fliederbüsch Büchäusgabe im Verlag S. Fischer,
1917), recht sang= und klanglos zu Grabe geleitet. Selbst die alten Vorzüge ihres
Verfassers wurden ihr nur sehr bedingt zugestanden, obwohl doch die espritsprühende
Eleganz der Dialogführung ihre Geisteskindschaft unschwer nachweisen konnte; aber
das Publikum schien der Theaterkritik beizupflichten, so daß sich das Stück auf dem
Spielplan nicht lange gehalten hat. Wenn die Literaturgeschichte sich mit so rascher
Erledigung nicht zufrieden gibt, so ist es nicht so sehr konservative Anhänglichkeit bei
ihr, auch keine echte Nachtrauer, als vielmehr die Möglichkeit, auch aus einem negativ
bewerteten Ereignis diejenige Klarheit zu gewinnen, die ihrer Einsicht in den Gang
der Entwicklung weiter zu helfen verspricht. Am dafür und insbesondere diesem
Lustspiel gegenüber den richtigen Standpunkt zu gewinnen, dürfte es von Vorteil
sein, an eine unscheinbare und gewiß längst vergessene Begebenheit zu erinnern.
Als Salomon Hirzel die ihm von Freytag zum Verlag überlassenen „Jour¬
nalisten“ gelesen hatte, schickte er dem ihm befreundeten Dichter mit dem Manuskript
einen Einakter gleichen Titels zurück, der den einst um seiner kleinen Erzählungen
willen gern gelesenen, nun aber völlig vergessenen Schriftsteller Johann Stephan
Schütze zum Verfasser hatte. Darin standen sich, ganz wie bei Freytag, wiederum
zwei Redaktionen — der „Strickbeutel“ und der „Haarbeutel“ — feindlich gegen¬
über, abermals spielte ein verabschiedeter Offizier mit schriftstellerischem Ehrgeiz
eine Rolle, und schließlich hatte sogar des Obersten Berg Tochter Ida in Minna
von Rosendorn, die es am Ende auch zu einer glücklichen Vereinigung mit ihrem
Journalisten bringt, eine nur schwärmerischer veranlagten Vorgängerin. Es ist nicht
klar ersichtlich, ob der Leipziger Verleger den Freund bloß auf die merkwürdige
Parallelität der Vorgänge in beiden Dramen hinweisen wollte, oder ob die Über¬
sendung die Frage nach dem Verhältnis Freytags zu dem übrigens possenhaft be¬
endeten Spiel Schützes ersetzen sollte. Jedenfalls blieb Gustav Freytag die Aus¬
kunft nicht schuldig: er hatte das Stück zuvor nie zu Gesicht bekommen und auch
jetzt offenbar lediglich ein Augenblicksinteresse daran genommen, wie er es denn
sofort nach der Lektüre nach Leipzig zurückschickte, weil es in Hirzels Bibliothek
desser aufgehoben sei. Nun weiß zwar der vielbelesene Koberstein, der uns in
seinem „Grundriß der Geschichte der deutschen Nationalliteratur“ einige Notizen
zum Lebensgang Schützes aufbewahrt hat, von einer gewissen Beliebtheit dieses
Autors zu berichten; seinen dramatischen Versuchen, an denen einst Iffland
Gefallen gefunden, wird man trotzdem Dauer und Verbreitung nicht nachsagen
können, wie denn die Königliche Bibliothek zu Berlin erst seit dem Tode Karl
Weinholds ein Exemplar seiner „Journalisten“ besitzt. Sollte es nach solchen
Prämissen ernstlich noch angängig sein, zwischen den altmodisch=harmlosen Szenen
des thüringischen Verfassers und der modernen Satire des Wiener Dichters Be¬
ziehungen herstellen zu wollen? Immerhin, einige Ahnlichkeiten und Über¬
einstimmungen lassen sich nicht leugnen, und von ihnen mag kurz die Rede sein.
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Literarische Rundschau.
Obssarsu
Journalistenkomödien.
Im letzten Winter hat man Arthur Schuitzlers jüngste Bühnendichtung, die
Journalistenkomödie „Fink und Fliederbüsch Büchäusgabe im Verlag S. Fischer,
1917), recht sang= und klanglos zu Grabe geleitet. Selbst die alten Vorzüge ihres
Verfassers wurden ihr nur sehr bedingt zugestanden, obwohl doch die espritsprühende
Eleganz der Dialogführung ihre Geisteskindschaft unschwer nachweisen konnte; aber
das Publikum schien der Theaterkritik beizupflichten, so daß sich das Stück auf dem
Spielplan nicht lange gehalten hat. Wenn die Literaturgeschichte sich mit so rascher
Erledigung nicht zufrieden gibt, so ist es nicht so sehr konservative Anhänglichkeit bei
ihr, auch keine echte Nachtrauer, als vielmehr die Möglichkeit, auch aus einem negativ
bewerteten Ereignis diejenige Klarheit zu gewinnen, die ihrer Einsicht in den Gang
der Entwicklung weiter zu helfen verspricht. Am dafür und insbesondere diesem
Lustspiel gegenüber den richtigen Standpunkt zu gewinnen, dürfte es von Vorteil
sein, an eine unscheinbare und gewiß längst vergessene Begebenheit zu erinnern.
Als Salomon Hirzel die ihm von Freytag zum Verlag überlassenen „Jour¬
nalisten“ gelesen hatte, schickte er dem ihm befreundeten Dichter mit dem Manuskript
einen Einakter gleichen Titels zurück, der den einst um seiner kleinen Erzählungen
willen gern gelesenen, nun aber völlig vergessenen Schriftsteller Johann Stephan
Schütze zum Verfasser hatte. Darin standen sich, ganz wie bei Freytag, wiederum
zwei Redaktionen — der „Strickbeutel“ und der „Haarbeutel“ — feindlich gegen¬
über, abermals spielte ein verabschiedeter Offizier mit schriftstellerischem Ehrgeiz
eine Rolle, und schließlich hatte sogar des Obersten Berg Tochter Ida in Minna
von Rosendorn, die es am Ende auch zu einer glücklichen Vereinigung mit ihrem
Journalisten bringt, eine nur schwärmerischer veranlagten Vorgängerin. Es ist nicht
klar ersichtlich, ob der Leipziger Verleger den Freund bloß auf die merkwürdige
Parallelität der Vorgänge in beiden Dramen hinweisen wollte, oder ob die Über¬
sendung die Frage nach dem Verhältnis Freytags zu dem übrigens possenhaft be¬
endeten Spiel Schützes ersetzen sollte. Jedenfalls blieb Gustav Freytag die Aus¬
kunft nicht schuldig: er hatte das Stück zuvor nie zu Gesicht bekommen und auch
jetzt offenbar lediglich ein Augenblicksinteresse daran genommen, wie er es denn
sofort nach der Lektüre nach Leipzig zurückschickte, weil es in Hirzels Bibliothek
desser aufgehoben sei. Nun weiß zwar der vielbelesene Koberstein, der uns in
seinem „Grundriß der Geschichte der deutschen Nationalliteratur“ einige Notizen
zum Lebensgang Schützes aufbewahrt hat, von einer gewissen Beliebtheit dieses
Autors zu berichten; seinen dramatischen Versuchen, an denen einst Iffland
Gefallen gefunden, wird man trotzdem Dauer und Verbreitung nicht nachsagen
können, wie denn die Königliche Bibliothek zu Berlin erst seit dem Tode Karl
Weinholds ein Exemplar seiner „Journalisten“ besitzt. Sollte es nach solchen
Prämissen ernstlich noch angängig sein, zwischen den altmodisch=harmlosen Szenen
des thüringischen Verfassers und der modernen Satire des Wiener Dichters Be¬
ziehungen herstellen zu wollen? Immerhin, einige Ahnlichkeiten und Über¬
einstimmungen lassen sich nicht leugnen, und von ihnen mag kurz die Rede sein.
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