II, Theaterstücke 27, Fink und Fliederbusch. Komödie in drei Akten (Journalisten, Der Unsichtbare und die zwei Schatten), Seite 96

box 33/1
27. Einkund Friederbusch
: Neue Zürcher Zeitung
er Zürich
3. DE21917
——
1 4 —
DA

R
„Der Tell“ heißt die Oper, und ist des Kom= politik der letzten Vorkriegszeit schreiben wollte,
Feuilleton.
ponisten hundertstes Werk (Klavierauszug bei
und ist ein viel zu gescheiter und vornehmer
Hug). Seine erste Oper „Der Bundschuh“, Worte Mensch, als daß er es mit einer Satire versuchen
gleichfalls von Morold=Millenkowitsch, kam unter
Wiener Kunst.
würde, die aus guten Gründen gleich im Anfang

Mahler an das Hosoperntheater; Millenkowitsch hat
stecken bleiben müßte. Diese anständige Schwank¬
Von Paul Stefan.
als Musikkritiker Wagnerschen Glaubens seither die
fremdheit macht es Schnitzler schwer. Was hätte
Die Ereignisse der Schweizer Musikwoche hat
Gläubigen in Wort und Schrift für Reiter zu ge¬
aus dem talentvollen Schmöckchen Fliederbusch,
ein Bericht verzögert, der sich nun bemühen muß,
winnen gesucht. Ein „Joseph Reiter=Bund“ wirkt
das in dem famosen „demokratischen Organ“ nach
die gewohnten Maße nicht zu sprengen: so sehr
für den bescheidenen Meister; Vorsitzender des
links und zu gleicher Zeit als Fink in einem kon¬
viel Anregendes oder auch nur Aufrekzendes hätte
Bundes ist abermals Morold=Millenkowitsch. Sein
servativen nach rechts schreibt, Fink gegen Flieder¬
er
zusammerkzufassen. Gemach! Das Burg¬
„Tell“ nun beruft sich auf die alten Spiele der
husch, Fliederbusch gegen Fink, sonst alles werden
theater —deyn auch von ihm ist zu sprechen —
Schweiz. Aber ich glaube, daß diese Spiele nur
können! So aber kommt es nur zu einem Duell,
das Burgthekte erfreute sich in dieser Zeit zweier
noch in der Schweiz und für Schweizer schaffens¬
das Fink mit Fliederbusch ausfechten muß, und
Premieren. Eine war „Die verlorene Toch¬
lebendig sind. Woher diese ihre Kraft dort heute
die herbeiströmenden Chefredakteure der beiden
ter“ von Ludwig Fulda. Damit ist alles ge¬
noch rührt, das hat Gottfried Keller so schön ge¬
Blätter reißen sich um den smarten Kerl, der das
sagt, und dies um so mehr, als das Stück in
zeigt. Von außen aber tritt Morold an seine
zuwege gebracht hat. Fliederbusch erreicht vom
Berlin längst aufgeführt worden ist. Das Be¬
Quelle heran. Und so gelingt ihm nur eine Nach¬
Fleck weg eine gewaltige Gage. Aber ein dritter,
hagen des erbeingesessenen und erbeingefühlten
ahmung des alten Spiels und seiner Formen.
ein aristokratischer Sportliebhaber und Zeitungs¬
Publikums war groß; die neue Zeit hatte sowit
Tell ist ein braver, nicht sehr bedeutender Mann,
gründer ersteht den Mann, der es so gut verstan¬
richtig begonnen. Erbschaft der alten, sagt man
und ist der Mann seiner Frau. Frau Tell und
den hat, gar keine Ueberzeugung zu haben. Ein
im Burgtheater; und aus der Erbschaft kommt
Geßler, dieser, hal, ein dämonischer Verführer, sie
üppiges Frühstück versöhnt alle Streiter von rechts
auch die neueste Gabe, „Frau Suitner“ ein
sind die eigentlichen Helden eines Spiels mit
und von links. (Und das Stück ist vor dem Krieg
Schauspiel von Karl Schönherr, als Buch
Apfelschuß, Musik und Alpenglühen. Und auch ein
geschrieben!)
übrigens schon vor einiger Zeit veröffentlicht.
Regenbogen wölbt sich einher, über den die Götter
Man lachte an diesem Abend, und man lachte
Wiederum steht es jedermann frei, die dramatische
nach Walhall — nein, nur die Musik macht es
billig. Aber gerade wer von Schnitzler ein Thea¬
Technik und Oekonomie des Tirolers zu bewun¬
einen glauben. Denn auch sie glaubt an Wagner
terstück und nicht Lösungen und Erlösungen er¬
dern. Denn zwei brave und tüchtige Eheleute
wie an den Viervierteltakt. Dabei gelingt ihr
wartet hat, wird nicht allzu bitter enttäuscht sein.
sind, wie einem immer wieder zum Bewußtsein
auch Hübsches und Gefälliges, gelingt ihr selbst
Das Theaterstück wird am Deutschen Volkstheater
gebracht wird, kinderlos, und auch nicht zu ver¬
Eindrucksvolles, aber es reicht an den Stoff nicht
teils schlecht und teils recht gespielt und das
kennen ist es, daß die Frau Suitner Wandel
heran. Schlimm, daß man an Rossini denken muß,
Publikum wird sich kaum daran hindern lassen,
schaffen will und ihrem Mann das Mädchen zu¬
wo man nicht an Schiller denken sollte. So habe
nachzusehen, wie es etwa in einem demokratischen
führt, das seinen Kramladen instand halten und
denn Morold, der Textdichter, jetzt wieder als
Organ, in einem Salonblatt mit Bildern, in einem
ihm außerdem ein paar Kinder schenken wird,
Burgtheaterdirektor Millenkowitsch das Wort.
fürschtlichen Palais und bei einem Pistolenduell
während sie selbst in einen schlecht überbrückten
An dem neuesten Stück von Arthur Schnitz¬
zwischen feinen Leuten hergehen mag. Man kann
Mühlbach geht. Mir ist der Sinn dieser Mathe¬
ler, der Komödie „Fink und Flieder¬
sich das alles, alles natürlich auch anders denken,
matik im Dialekt noch immer nicht aufgegangen;
busch“, die am 16. Nöbemder zum erstenmurge¬
besonders, wenn der Verfasser Schnitzler heißt.
aber ich will gerne bestätigen, daß Frau Bleib¬
geben wurde, mußte der Burgtheaterdirektor vor¬
Und die Kritik, die geschriebene und gesprochene
treu ganz vortrefflich spielte.
übergehen. Sie ist zu sehr journalistisch=politisch,
Kritik dieses Stückes? Nun, Schnitzler wurde
Der Direktor des Burgtheaters zeigte sich in¬
als daß sie im Burgtheater aufgeführt werden
tadelnd begönnert. Er ist schon der Gegenpol der
dessen dem Publikum — der Volksoper als
könnte, wenn sie auch gewiß niemand weh tun will
jüngsten Jugend — soviel ist gewiß. Und diese
Textdichter. Sein Vorwurf wird Schweizern
und auch nicht wehe tut. Schnitzler ist ein viel zu
Jugend meldet sich, sogar auf der Bühne. Ein
besonders nahe gehen: er hat den Stoff des „Tell“j großer Künstler, als daß er den Schwank des
Zyklus „Die Neue Generation“ wurde auch hier,
zu einer Oper für Joseph Reiter zurechtgemacht.] Wiener Journalismus und der Journalisten= wie in Frankfurt und München. angekündiat. und