27. Eink und Fliederbusch
box 33/1
Gir 17
Tag0l.
Theater und Kunst.
Der neue Schul# er.—
„Fink und Fliéderbusch“
Komödie in drei Akten von Arthur Schnitzler.
H Wien im November 1917.—
Erster Akt svielt in der Redaktion der
„Gegenwart“, einer demokratischen Zeitung, in
deren Betrieb das Geschäft dem Charakter über¬
geordnet ist. Journalisten=Leben und =Treiben.
Der Chefredakteur heißt „Leuchter“ Man ver¬
steht. Er leuchtet nicht selbst, hält nur Lichter. Im
Uebrigen ist er klug, unsevtimental, tüchtig. Fruh¬
beck, der verantworfliche Redakteur, hat eine ver¬
schwommene Visage. Ein Durchschnittsmensch ist
auch Oberndorfer, der Leiter des Feuilletons. Füll¬
mann, der Politiker, steckt voll falschen Tempera¬
ments, ist aufgeregt und spukt Leitartikel-Frag¬
mente. Dann sind noch da: Kajetan, externer Mit¬
arbeiter, beweglich, neugierig, voll Sensationen,
immer wie berauscht von journalistischer Geschäf¬
tigkeit; Abendstern, der Theaterkritiker, müde, ver¬
bitiert, Ehrlichkeitsfanatiker, kann aber auch
anders; und Fliederbusch, Parlamentsbericht¬
erstatter. Fliederbusch ist Anfänger, jung, zu Allem
fähig. Er wohnt „in der kleinen Schiffamtsgasse“
Das ist traurigstes Wiener Ghetto. Sein Entschluß,
vorwärts zu kommen, steht fest. Fliederbusch schreibt
in der „Gegenwart“ demokratisch. Und, als Fink,
in der „eleganten Welt“. reaktionär. Fink und
Fliederbusch, man versteht, die gehören sozusagen
biologisch und ästhetisch zosammen.
Zweiter Akt. In der Redaktion der „eleganten
Welt. Wie der Titel so das Blatt. Jetzt ist es
im Begriff, erzklerikal zu werden. Der Chef¬
redakteur heißt, drollig, Satan! Die bemerkens¬
werteste Figur im Stab der Zeitung ist ein herab¬
gekommener Aristokrat, der unter dem Namen
„Styx“ Gesellschaftsklatsch liefert. Von seiner ade¬
ligen Vergangenheit will er nichts wissen. „Styx“
das heißt, man versteht, soviel wie „Schwamm
drüber“. Fliederbusch hat sich als Fink den katho¬
lisch=konservativen Hiniermännern der „eleganten
Welt“ bemerkbar gemacht. Hier öffnen sich ihm
Aussichten auf Karriere. Sein journalistisches
Temperament aber hat ihn, als Fliederbusch, hin¬
gerissen, in der „Gegenwart“ heftigst gegen den
Artikel des Fink in der „eleganten Welt“ zu pole¬
misieren. Jetzt reißt es ihn wieder, als Fink dem
Fliederbusch zu antworten. Aber der junge Satan,
ein Kavalier, sagt, das ginge nicht; da müsse mit
den Wassen Genugtuung gefordert werden. Fink
stimmt zu. Und Fliederbusch — das heißt in dessen
Abweienheit die Redaktionskollegen — nehmen
die Forderung an. Auf Pistolen, dreimaliger
Zngelwechsel, mit Avance. Der Akt bringt noch
zwei Figuren auf die Bühne: den Grafen Nieder¬
hofer, einen überlegenen Weltmann, Politiker
aus sportlichem Interesse, kühler Kopf mit dreh¬
harer Weltanschauung. Und die Fürstin Wendolin,
Frau im wienerischen Comtesserl=Stil, gescheit
ohne tiefere Bedeutung.
Dritter Akt: Große grundsätzliche Debatte
zwischen Fliederbusch und dem Grafen über Poli¬
tik, Ueberzeugung, Wahrheit, Gesinnung. Ergeb¬
nis: Alles ist relativ. Rascher Szenenwechsel führt
hann auf den Schauplatz des Duells. Fast sämt¬
liche Personen des Stückes anwesend. Es kommt
an den Tag. Fink=Fliederbusch steigt im jour¬
nalistischen Marktwert. Das Ganza löst sich in
ironisches Wohlgefallen; man geht gemeinschaftlich
frühstücken.
„Fink und Fliederbusch“ hat eine gewisse
Lustigkeil: aber sie „geht nicht auf“. Der Ver¬
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Gir 17
Tag0l.
Theater und Kunst.
Der neue Schul# er.—
„Fink und Fliéderbusch“
Komödie in drei Akten von Arthur Schnitzler.
H Wien im November 1917.—
Erster Akt svielt in der Redaktion der
„Gegenwart“, einer demokratischen Zeitung, in
deren Betrieb das Geschäft dem Charakter über¬
geordnet ist. Journalisten=Leben und =Treiben.
Der Chefredakteur heißt „Leuchter“ Man ver¬
steht. Er leuchtet nicht selbst, hält nur Lichter. Im
Uebrigen ist er klug, unsevtimental, tüchtig. Fruh¬
beck, der verantworfliche Redakteur, hat eine ver¬
schwommene Visage. Ein Durchschnittsmensch ist
auch Oberndorfer, der Leiter des Feuilletons. Füll¬
mann, der Politiker, steckt voll falschen Tempera¬
ments, ist aufgeregt und spukt Leitartikel-Frag¬
mente. Dann sind noch da: Kajetan, externer Mit¬
arbeiter, beweglich, neugierig, voll Sensationen,
immer wie berauscht von journalistischer Geschäf¬
tigkeit; Abendstern, der Theaterkritiker, müde, ver¬
bitiert, Ehrlichkeitsfanatiker, kann aber auch
anders; und Fliederbusch, Parlamentsbericht¬
erstatter. Fliederbusch ist Anfänger, jung, zu Allem
fähig. Er wohnt „in der kleinen Schiffamtsgasse“
Das ist traurigstes Wiener Ghetto. Sein Entschluß,
vorwärts zu kommen, steht fest. Fliederbusch schreibt
in der „Gegenwart“ demokratisch. Und, als Fink,
in der „eleganten Welt“. reaktionär. Fink und
Fliederbusch, man versteht, die gehören sozusagen
biologisch und ästhetisch zosammen.
Zweiter Akt. In der Redaktion der „eleganten
Welt. Wie der Titel so das Blatt. Jetzt ist es
im Begriff, erzklerikal zu werden. Der Chef¬
redakteur heißt, drollig, Satan! Die bemerkens¬
werteste Figur im Stab der Zeitung ist ein herab¬
gekommener Aristokrat, der unter dem Namen
„Styx“ Gesellschaftsklatsch liefert. Von seiner ade¬
ligen Vergangenheit will er nichts wissen. „Styx“
das heißt, man versteht, soviel wie „Schwamm
drüber“. Fliederbusch hat sich als Fink den katho¬
lisch=konservativen Hiniermännern der „eleganten
Welt“ bemerkbar gemacht. Hier öffnen sich ihm
Aussichten auf Karriere. Sein journalistisches
Temperament aber hat ihn, als Fliederbusch, hin¬
gerissen, in der „Gegenwart“ heftigst gegen den
Artikel des Fink in der „eleganten Welt“ zu pole¬
misieren. Jetzt reißt es ihn wieder, als Fink dem
Fliederbusch zu antworten. Aber der junge Satan,
ein Kavalier, sagt, das ginge nicht; da müsse mit
den Wassen Genugtuung gefordert werden. Fink
stimmt zu. Und Fliederbusch — das heißt in dessen
Abweienheit die Redaktionskollegen — nehmen
die Forderung an. Auf Pistolen, dreimaliger
Zngelwechsel, mit Avance. Der Akt bringt noch
zwei Figuren auf die Bühne: den Grafen Nieder¬
hofer, einen überlegenen Weltmann, Politiker
aus sportlichem Interesse, kühler Kopf mit dreh¬
harer Weltanschauung. Und die Fürstin Wendolin,
Frau im wienerischen Comtesserl=Stil, gescheit
ohne tiefere Bedeutung.
Dritter Akt: Große grundsätzliche Debatte
zwischen Fliederbusch und dem Grafen über Poli¬
tik, Ueberzeugung, Wahrheit, Gesinnung. Ergeb¬
nis: Alles ist relativ. Rascher Szenenwechsel führt
hann auf den Schauplatz des Duells. Fast sämt¬
liche Personen des Stückes anwesend. Es kommt
an den Tag. Fink=Fliederbusch steigt im jour¬
nalistischen Marktwert. Das Ganza löst sich in
ironisches Wohlgefallen; man geht gemeinschaftlich
frühstücken.
„Fink und Fliederbusch“ hat eine gewisse
Lustigkeil: aber sie „geht nicht auf“. Der Ver¬