II, Theaterstücke 27, Fink und Fliederbusch. Komödie in drei Akten (Journalisten, Der Unsichtbare und die zwei Schatten), Seite 103

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27. Fink und Fier##ich
am besten geraten, gewisse Figuren schonungs¬
Ruf zu bringen. Wer von ihnen reinen Her¬
los durchleuchtet und mit fast photographi¬
zens ist und seiner Ehrlichkeit wohl bewußt,
scher Aehnlichkeit auf die Bühne gestellt,
wird daher der Satire Schritzlers mit auf¬
so der Theaterkritiker, der einem Autor ver¬
richtigem Vergnügem folgen und den Schäd¬
sichert „Dein neues Werk ist ein Dreck und
lingen der Zeitungsgilde die verdienten
niemand wird mich hindern es auszusprechen“
Hiebe gerne gönnen. Dies alles im Voraus
und als innerste Ueberzeugung des Schrei¬
und dennoch eben dieses Stück lobt, weil
ihm vom Chefredakteur das Wohlwollen für
bers dieser Zeilen, der seine Zugehörigkeit
zur Wiener journalisten- und Schriftsteller¬
den dichtenden „Kollegen“, eingeschärft
wurde. jeder Widerspruch zöge die Entlas¬
gemeinde mit Stolz bekennt. Zur Komödie
selbst wäre zunächst zu sagen, daß Schnitz¬
sung des Kritikers mit sich. Oder eben
ler mit der Figur des Journalisten, der als
dieser „Dichter“, dessen rascher Gesinnungs¬
wechsel mit der Flinkheit seiner Beine
Fliederbusch für eine liberale, als Fink für
eine klerikale Zeitung schreibt, also mit sich
gleichen Schritt hält, gleich seinem be¬
selbst öffentlich polemisiert, nur andeuten
rühmten Kollegen Schmock nach links
wollte: Seht so weit kann es kommen, wenn
und nach rechts schreiben kann, und dessen
in den Redaktionen nicht ein für allemal der
Gewissen so viele Falten besitzt, daß darin
für tausend Ueberzeugungen heterogenster
Grundsatz aufgestellt wird, die Wahrheit zu
Art immer noch Raum übrig wäre. Eine
schreiben, nur die Wahrheit und nichts als
nicht minder gelungene Gestalt ist der
die Wahrheit. Alle Reflexionen, daß solch
politische Redakteur, der seine ehrliche
ein journalistisches Doppelleben an tausend
Ueberzeugung immer wieder dem „Weitblick“
äußerlichen Hindernissen scheitern müßte
des Chefredakteurs opfern muß und in
trotzdem sich in Berlin tatsächlich solch
diesem Kampfe der Ehrlichkeit mit der
ein Fall ereignet haben soll — alle Ein¬
Aktualität stets unterliegt. Auch der zweite
wendungen, daß der Schwindel am zweiten
Akt ist in der Anlage wie in der Durch¬
Tage aufkommen würde, sind hinfällig, so¬
führung famos geraten, seine Schlußpointe
lange nicht bewiesen werden kann, daß das
(Fink: „Wir stehen in Gottes Hand“, Chef¬
sittliche Niveau aller Zeitungsredaktionen
redakteur Satan: „Ja, aber erst vom 1. Juli
durch seine unbedingte Reinheit die Existenz
an“ — weil an diesem Tage das Blatt in
von Fink und Fliederbusch unmöglich macht.
den Besitz einer klerikalen Aktiengesellschaft
Nebenbei geht aber die dreiaktige Satire
übergeht) beleuchtet mit grellem Lichte die
Schnitzlers auch gegen andere Uebelstände
Unhaltbarkeit und Verlogenheit auch solcher
des öffentlichen Lebens, so gegen das Duell,
journalistischer Zustände. Im dritten Akte
das er durch die Farce des letzten Bildes,
scheint die Komödie ein wenig ins Spieleri¬
in dem Fink—Fliederbusch sich mit sich
sche hinabzugleiten. Der Riß im dramati¬
selbst schlagen soll, lächerlich macht zu¬
schen Gebälke wird deutlich sichtbar. Viel¬
fallsweise gerade in dem Augenblick, in dem
leicht, weil die Absicht des Dichters, am
von Allerhöchster Stelle der Zweikampf als
Schlusse zu beweisen, daß schließlich alles
unmoralisch gebrandmarkt und strenge ver¬
im Leben nichtig ist, keine Sache, sub specie
boten wurde). Schließlich wird die Wurm¬
aeternitatio, so wichtig erscheint, daß sie
stichigkeit gewisser aristokratischer Kreise
unter allen Umständen „erledigt“ werden
(Fürstin Priska) wie deren freventlicher
muß, nicht recht zur Geltung kommt. Viel¬
Dilettantismus auf politischem Gebiete (Graf
leicht auch, weil die Komödie, in deren Ex¬
Niederhof) mit scharfer Sonde bloßgelegt.
position ebenso die Möglichkeit eines Ten¬
Daraus eine Verallgemeinerung zu ziehen
denzdramas wie die eines satirischen Lust¬
und sämtliche Aristokraten der erwähnten
spieles lag, zu jäh ins schwankhafte um¬
Unmoral und Unfähigkeit zu beschuldigen,
schlägt. Das Schlußbild neigt, wenigstens in
ist Schnitzler ebenso ferne gelegen wie eine
der Darstellung, die ihm im Volkstheater
Pauschalbeleidigung der Journalisten, Tech¬
nisch scheint der erste Akt der Komödie zuteil wurde, beinahe zur Posse. Kann sein,
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