II, Theaterstücke 27, Fink und Fliederbusch. Komödie in drei Akten (Journalisten, Der Unsichtbare und die zwei Schatten), Seite 104

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27. Eink und Fliederbus
#wahrscheinlich sogar, daß hier die sonst so
MUNCHENER THEATERNOTIZEN.
tüchtige Regie des Dr. Schulbaur ver¬
Frau lda Roland ist ohne Zweifel eine
sagt hat. Auch das Gespräch, das Graf
sehr interessante Künstlerin. Ein Bündel
Niederhof im dritten Akte mit dem Titel¬
Nerven, voll jener köstlichen Zerfahrenheit,
helden führt und das in seiner Fülle glän¬
Oberflächlichkeit und spielerischen Leichtig¬
zender Gedanken und geistvoller Apercüs
keit, die das Wesen einer virtuosen Kunst
der interessanten Weltanschauung des Dich¬
ausmachen. Das einzig Bedenkliche daran
ters freien Raum gibt, kam nicht recht zur
ist das ominöse Virtuosentum; es brilliert,
Geltung. Hier wäre die Festhaltung eines
schäumt, perlt und zerstiebt im schönsten
flotten Konversationstempos, größere Deut¬
Raketenfeuer, aber es greift nicht ans Herz
lichkeit des Wortes unbedingt notwendig.
und weckt kein Echo in der Seele. Frau lda
Zur Darstellung der Komödie waren die
Roland hat es aber gar nicht nötig, sich
besten männlichen Kräfte des Deutschen
diesen Gefahren des Virtuosentums auszu¬
Volkstheaters aufgeboten. -In der Titelrolle
setzen, denn sie ist eine talentierte, kluge
Herr Edthofer, der den journalistischen
und geistvolle Frau, die weit mehr kann, als
Filon sehr liebenswürdig, beinahe liebens¬
nur blendend sein. Das hat sie uns bei
wert gestaltete, es aber an dem schärferen
ihrem jetzigen Gastspiel im „Münchener
Herausarbeiten der Doppelnatur fehlen ließ.
Volkstheater“ erwiesen. Sie hat es mit einer
Von prächtiger Natürlichkeit Thaller als
Uraufführung inszeniert, mit Adolf Paul' s
verkrachter Edelmann, während seine übrigen
„Lola Montez“ Wir kennen von Adolf Paul
„klerikalen Redaktionskollegen“, die Herren
bessere Stücke. Die Literatur um Lola Montez¬
Fürth und Aslan, die Unanständigkeit
herum ist weder sehr verlockend, noch einer
ein wenig übertrieben. Dagegen bot die
Bereicherung bedürftig, wozu also Adolf
„liberale Schriftleitung“ eine Fülle ergötz¬
Paul sich in Unkosten gestürzt hat, ist nicht
licher Figuren, an ihrer Spitze Herr Götz
leicht zu erkennen. Freilich hat er bloß eine
als objektiver Chef, Herr Millmann als
kleine Episode herausgegriffen, die Ge¬
verärgerter Theaterreferent, Herr Klitsch
schichte ihrer Liebschaft mit dem Karlisten¬
(der mit dieser Rolle sehr glücklich vom
anführer, der dann hingerichtet wird. Er
Liebhaber ins Charakterfach übergetreten)
wollte uns Lola Montez in ihrer Menschlich¬
als temperamentvoller Leitartikler, Herr
keit zeigen. Vielleicht. In Wirklichkeit ist er
Forest als journalistisches „Mädchen für
über Scribe und Sardou gestolpert. Sein
Alles“, sowie die Herren Kutschera,
Schauspiel ist eine Intriguenkomödie ge¬
Homma und Ranzenhofer, jeder vor¬
worden, aber keine gute. Von den französi¬
trefflich in seiner Weise. Auch Fräulein
schen Mustern ist nur wenig zu merken, die
Waldow fand für die demimondaine Fürstin
Technik ist durchsichtig, vergröbert, verzerrt,
glaubwürdige Akzente. Nur Herr Kramer
der Inhalt verwässert, und was daraus ge¬
enttäuschte diesmal. Der ausgezeichnete
worden ist, ist im besten Falle (eigentlich
Künstler — er gab den Grafen Niederhof —
hier das Schlimmste!) die „Bombenrolle“
schien die Rolle vergriffen zu haben, ließ es
für gastierende Virtuosinnen. Das mag Frau
auch an seiner sonst musterhaften Deutlich¬
lda Roland gereizt haben, und man kann
keit der Rede fehlen. Im ganzen aber eine
ihr deshalb nicht einmal böse sein. Denn
sehenswerte Vorstellung, vor allem ein
sie hat alle Gelegenheiten und Möglichkeiten,
sehenswertes Stück, dessen dramatische
in schillernden Farben und tiefen Gefühlen
Tugenden gewisse technische Schwächen
zu kokettieren, bis zum Letzten ausgenützt
weit aufwiegen. Es kann trotz seinerjFehler
und ausgeschöpft; sie war wie ein trunkener
vor allen bestehen, die guten Willehs sind
Schmetterling und sie war wie ein Weib;
und sich der Wahrheit nicht verschließen
sie war ein unvernünftiges, eigenwilliges
wollen. Zumal wenn sie ein Dichter vom
Kind und sie war voll rührender Zärtlichkeit,
Range Arthur Schnitzler's kündgf.
sie war anmutig, entzückend, lieb, ver¬
hätschelt, und sie war trotzig, hart, launisch,
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