II, Theaterstücke 27, Fink und Fliederbusch. Komödie in drei Akten (Journalisten, Der Unsichtbare und die zwei Schatten), Seite 106

27. Eink und Fliederbusch
Felbagen & Klatngn Honatshnte Hata

Über die letzte Volks¬
·FIL I
theaterneuheit möchte
ich am liebsten gar
nichts sagen. Es ist
für jeden Verehrer Ar¬
thur Schnitzlers,
und das sind wir in
Wien eigentlich alle,
sehr peinlich, über eine
neue Arbeit dieses
Dichters in jedem
Sinne abfällig spre¬
chen zu müssen. Aber
seine neue Komödie
„Fink und Flie¬
derbusch“ enthält
wirklich gar nichts von
dem künstlerischen
Wert, den im besten
Sinne wienerischen
Zügen, um derent¬
willen wir Schnitzler
lieben und schätzen.
Sie will eine Journa¬
listensatire sein. Wenn
sie es nur wäre! Aber
auch die leidenschaft¬
lichen Journalistenhasser, und an denen
fehlt es in Wien wirklich nicht, kommen
dabei nicht auf ihre Kosten. Die Satire ist
nämlich weder echt noch witzig. Dazu fehlt
es ihr vor allem an Sachkenntnis, denn
die Schilderung des Redaktionsgetriebes in
einer großen Tageszeitung ist von einer er¬
staunlich naiven Ahnungslosigkeit. Oder war
es Schnitzler um den lustigen Einfall zu tun?
Wenn er nur lustig wäre! In jener Redak¬
Theaterbrief
tion, die durch die Bank aus Einfaltspin¬
seln und Charakterschwächlingen besteht, ist
ein junger Mensch namens Fliederbusch, der
rasch vorwärts kommen will und deshalb
über denselben Gegenstand im liberalen
Blatt scharf demokratische Artikel schreibt
und in einem 'konservativ=klerikalen Salon¬
blättchen uinter dem Namen Fink das Gegen¬
teil. Er greift sich selbst gehässig an, wird
genötigt, sich selbst zu fordern, auf dem Duell¬
platz gesteht er den Schwindel vergulgt ein,
die Chefredakteure reißen sich um ihn, die
Laufbahn der Charakterlosigkeit steht ihm offen.
Dieses schwankmäßige Doppelspiel entwickelt
sich aber nicht fesch und übermütig, sondern
schwerfällig mit einer ganz hilflosen Technik,
die sich in den wichtigsten Momenten mit
redseligen Einzelgesprächen weiterhilft. An
manchem gehaltvollen Wort erkennt man ab
und zu: die Komödie ist ja doch von Arthur
Schnitzler. Aber in seine gesammelten Werke
wird dieses sonderbar schief und verworren
geratene unerfreuliche Stück kaum aufgenom¬
men werden ...
box 33/1
Borlines Bhsen Zeitung, Berüin
Moroanausgabe
Bilanz.
Die Wiener Theater im Herbst und
Wiuter 1917.
Ben
Leo Feld.
Ja, die Bilanz dieses Halbjahres schließt nicht sehr
erfreulich. Es gibt nicht viele Aktivposten zu verrechnen.
Die bemerkenswerteste Neuheit, die das Deutsche
Volkstheater bot, war — abgesehen von der
gewiß reisdollen, aber doch fragmentarischen, ungereiften
und ungestalteten „Leidenschaft" Enlenbergs
Schnitzlers „Fink und Fliederbusch“
Ein Stück von geringer Gestaltungskraft, aber inter¬
essanten, bei uns ganz mißverstandenen Intentionen.
trotz
Weit ab von Freytags „Journalisten“ die
allem — in einer idealzstischen Auffassung und Wertung
des Berufs wurzeln. Ein wirklicher Komödiengedanke:
denn wenn nach des Dichters freilich sehr merkwürdiger
Meinung Gesinnung nur Sport oder Monomanie ist,
dann müßte der Stand, dessen Beruf Gesinnung
und deren Ausdruck ist, eine sehr fragwürdige Rolle im
Betriebe unserer Zeit spielen, um so drolliger, je mehr
er zur zweiten Form neigt, zur monomanen. Und einen
Typus dieser Form hat Schnitzler zum Helden gemacht.
Einen guten Jungen, der vom Wirbel des Augenblicks
so ergriffen wird, daß er immer wieder seinen Stand¬
punkt verliert. Also etwa eine Karikatur von Hermann
Bahr. Aber kein Mensch versteht, was diesen Flieder¬
busch immer wieder so packt, daß er zum „Fink“ wer¬
den muß. Die suggestive Gewalt, die ihn hin und
her wirst wird uns nicht fühlbar, kaum erkennbar. Undy
darumf verflattert und verstiebt dieses Spiel.

-30411977
Berüner Zeitung am Mittag, Berlic
Die Uraufführung von Arthur Schnitzlers
„Fink und Fliederbusch“ am Wiener
Deutschen Volkstheater, ist für den 14. Novem¬
ber sestgesetzt worden. Das Stück ist bereits
einigs Jahre alt. Der Dichter hat die Ko¬
mödiet die eine leise Aehnlichkeit in der Grund¬
idee mit dem seinerzeit aufgeführten französischen
Jeurnalistenstück „Les deux canards“ aufwies,
erst jetzt für die Bühnen freigeben.
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