II, Theaterstücke 27, Fink und Fliederbusch. Komödie in drei Akten (Journalisten, Der Unsichtbare und die zwei Schatten), Seite 136

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Frankfurter Theaterbrief.
Frankfurt a. M., 18. November.
Das Neue Theater, die kleine vornehme Westend¬
bühne unter der Leitung von Hellmer und Reimann,
hat sich im vorigen Winter durch seine „Literarischen
Gesellschaftsabende“ Ruhm erworben; es hatte die Ent¬
schlußkraft zur Uraufführung von René Schickeles „Hans
im Schnakenloch" und Georg Kaisers „Bürger von
Calais“. Nachdem Dr. Zeiß aus Dresden seit
Stadttheater
Herbst die Leitung der Vereinigten
und Opernhaus) übernommen
(Schauspielhaus
hat, ist dem Neuen Theater ein ebenbürtiger
Nebenbuhler erwachsen. Der sachlich geführte Wett¬
bewerb gestaltet Frankfurt zu einem Brennpunkt uns
deutschen Theaterlebens. Nach einer unter Gerhart
Hauptmanns Mitwirkung erfolgten, glänzenden Neuein¬
studierung des „Florian Geyer“ brachte des
Dr. Zeiß' erste literarische Neuheit: Carl Sternheims
„Perleberg“, eine Enttäuschung. In Sternheims
früheren „Komödien aus dem bürgerlichen Heldenleben“.
wie „Die Hose“, „Die Kassette“, „Bürger Schippel“,
glaubte man den Dichter als eigenen zu erkennen.
Sie waren Persiflagen des Spießertums; aber zu¬
gleich schüttelte der Verfasser an allen anderen Be¬
griffen der irdischen und der unirdischen Welt.
Und er tat es in einer Form, die die Gestalten über
die tatsächliche Wirklichkeit hinaushebt, die sie mit den
flimmernden Lichtern der Phantasie und der Unwirklich¬
keit umspielt, bis schließlich die Gestalten hinter den
Worten zu versinken beginnen. Anders Sternheims
jüngst gespieltes Lustspiel „Perleberg“. In den beiden
ersten Aufzügen unterscheidet es sich kaum von dem
früheren bürgerlichen Lustspiel der mittleren Linie:
„Kotzebue, Kotzebue“ wisperte es durch das Haus. Erst
im dritten Aufzug, der den Kampf um die Entwickelung
des märkischen Sandnestes Perleberg zum neuzeitlichen
Badeort zum Abschluß bringt, leuchtet der scharfe Geist
des Satirikers des bürgerlichen Heldenlebens durch,
klingt eine eigene Note an.
Von stärkerem literarischen Interesse war die Ur¬
aufführung von Georg Kaisers „Zentaur“ im
Schauspielhaus. Der Titel ist weit hergeholt. Der
schüchtern verliehte Oberlehrer wird, um seine Befähi¬
gung zur Ehe zu erproben, in ein sehr reales Liebes¬
abenteuer mit Folgen verwickelt, das ihn fast um die
wirkliche Braut bringt; er leistet übermenschliches, er
fühlt sich als „Zentaur“. Die Gestalten sind stark als
Typen stilisiert, das Stück führt bis zur äußersten Linie
der noch künstlerischen Groteske. Wenige Tage später
brachte das Neue Theater — gleichfalls als Uranfführung —
Kaisers ernstgestimmtes Schauspiel „Die Koralle“.
Auch hier das Streben nach einer Abwendung von
jedem Naturalismus; auch hier eine Typisierung der
Gestalten. Der im Mittelpunkte stehende Milliardär
verkörpert den märchenhaften Reichtum. Doch ihm
fehlt das Glück, wie es in der Erinnerung an eine
sonnige Jugendzeit liegt. Er sucht diese Erinnerung
sich zu eigen zu machen, indem er sie seinem Sekretär,
einem Doppelgänger, von dem er sich nur durch eine !
an der Uhr getragene „Koralle“ äußerlich unterscheidet,
entwendet und hierzu den Sekretär ermordet. Ist auch
die Einheitlichkeit des Stiles noch nicht vollständig
durchgeführt, so ist doch mit diesem Werk ein inter¬
essanter und wertvoller Schritt auf der von Georg
Kaiser angestrebten expressionistischen Durchgeistigung
des Dramas getan.
Mit starker Jutensität wurde und wird Friedrich
Sebrechts „David“ der von dem Schauspiel¬
hause in der vorigen Woche uraufgeführt wurde, in der
deutschen Presse angekündigt. Mehr als ein ernstes
Wollen — die selbstverständliche Voraussetzung jedes
Kunstwerkes — und eine gespannte Rhetorik vermochte
ich in dem Schauspiel des jungen Leipzigers nicht zu
entdecken. Weder gibt es eine Fortführung des seit¬
herigen, auf Psychologie eingestellten Dramas, noch stellt
es eine Stufe zu dem neuen expressionistischen Schau¬
spiel dar. Es könnte ein Operntext sein, zu dem noch
die Musik fehlt.
Als jüngste Neuheit brachten Hellmer und Reimann
gestern Arthur Schnitzlers „Fink und Flieber¬
busch, eine Persiflage des Journalismus. Auch