II, Theaterstücke 27, Fink und Fliederbusch. Komödie in drei Akten (Journalisten, Der Unsichtbare und die zwei Schatten), Seite 138

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27. Fink und Frjederbuscn
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G.e
EOHEMIA, PRAG
guten Einfall und will aus ihm ein Sinnbildl gehorene Journalist ist. Von der wirklichen
Schnitzlers Komödle:
aller jener Skrupellosigkeit machen, die sich in Tragik dieses Berufes, an dessen Auswuchse
„Iink und Fliederbusch“.
der Zeitung breit macht. Schmock, der auch Schnitzlers Satire versagt, rührt diese Komödie
Zur Erstaufführung im Neuen deutschen
rechts und links schreiben konnte, hatte noch nicht. In seinem Romane von der „Rasenden
Theater.
die liebenswürdige Sentimentalität der Selbst=Rotationsmaschine“ hat Winder an den Kon¬
qual; sein Enkel Fliederbusch zeigt nur eine ab=flikt im Herzen des Tagesschreibers gerührt,
Schnitzler setzt die Moraltrompete an.
stoßende Gemeinheit, wenn er morgen als Fink der im Zwiespalt seines Wesens mit seinem
Trara, trara: zwei Akte gegen die Journaille.
gegen sich selbst konservativ polemisiert. Das Berufe wurzelt. Schnitzlers Komödie geht mit
„Siehe Karl Kraus. Aber der heiße Athem des
scheint aber Schnitzler zu imponieren und er billigem Lachen daran vorüber und muß darum
Hasses, der aus jeder Zeile zwischen den roten schickt diesem talentvollen Bürschel, das ja
versagen.
Umschlägen der Fackel spricht, fehlt. Schnitzler zweifellos auch im Leben Karriere zu machen
Mit charmanter Liebenswürdigkeit suchte
findet Wohlgefallen an dem von ihm geschaffe=spflegt, als dens ex machina einen wirklichen
Herr Feher den Erfolg seines Fliederbusch
nen Jüngling Fink=Fliederbusch. Die Satire Grafen zu Hilfe, der, auf dem gleichen Boden glaubhaft zu machen; aber der Widerspruch,
artet in Sympathie aus. Die Fanfare verrauscht stehend, ihm einen unmoralischen Halt gibt. zwischen der Hilflosigkeit, in der die Rolle
und am Schlusse bläst Schnitzler lieblich die Diese Pointe ist an und für sich als tiefere Be- splätschert und ihrer kuhnen Geste läßt sich nicht
Schalmei zu einer Idylle journalistischer Ge=deutung nicht übel. Sie sinkt aber tief, sobald überbrücken. Wurmser hat durch die Kraft
sinnungslosigkeit.
der Dichter sie mit dem Gewichte seiner eigenen seiner Komik den nervösen Politiker als Ge¬
So mußte es kommen. Schnitzler war ein Meinung belastet. Schnitzler schrieb ein Ten=Isinnungsturner mit beweglicher Lebendigkeit
großer Dichter und weil er es war, ist er es denzstück, balanzierte durmn auf dem Drahtseil ausgestattet. Das übrige Personal der beiden
auch. Aber seine Kunst entstammt dem ange= der Polemik und fiel schließlich hopfüber in den Redaktionen sind Schablonen, um deren farbige
schwemmten Boden, auf dem nur eine Abart Sumpf, den er vermeiden wollte. Mit schlech= Ausfüllung sich die Herren Bogyansky,
Wiener Bürgertums wuchert. Kein Dichter ten Witzen und schäbigen Spüssen sucht er sich[Zeisler. Volker, Bauer, Hofer,
kann — darin gleicht er dem Antäus der Sage auf dem Seite zu halten; aber: das Publikum [Reinhardt, Wilhelm, Romanovsky
die Kraft bodenständigen Volkstums ent. lacht nicht nur, wenn eine Katze über die Bühne nicht ohne gute Einfälle, aber sonst ohne Glück
behren. Schnitzler entzog sich immer mehr dem läuft, auch wenn eine Fürstin den P. T. Flie=bemühten. Herr Huttig als Graf Niederhof
Licht und der Luft, die seine Dichtung blühen derbusch mit „junger Held“ anredei aber besag= und Herr Koch auf dem Abstiege vom Aristo.
lassen, und müht sich seit längster Zeit krampfester Fliederbusch in „Gottes Hand steht — vom kraten zum Anarchisten waren gut gesehene
haft, dem tauben Acker tragische Früchte zu ent= 1. Juli“. So sehen jetzt bei Schnitzler die Akt=[Typen. Auch Fürstinnen von 37 Jahren sind
locken. Im verengten Ausblicke verwirren sich schlüsse aus.
nicht so schön wie Frau Breda, vielleicht spie¬
ihm die Begriffe künstlerischer Ethik. Seine
Dazwischen Langweile. Die Leute habenlen sie aber besser Theater. Die Spielleitung
erotischen Probleme werden zu Zoten; hier nicht nur die Leitartikel, die sie vorlesen, aus=ließ die Dinge gehn, wie sie liefen. Bleibt nur
wollte er ein soziales, ein menschliches Schicksal wendig gelernt, — auch die, die sie auswendig die Frage, warum solche Stücke gespielt werden
gestalten: unter seinen Händen bildete sich ihm einander ins Gesicht sagen, klingen wie vorge=müssen. Im Publikum wurde gezischt, weil die
ein peinliches Zerrbild zum Ideal. Fliederbusch lesen. Ein Papierdeutsch, das eine schlimmere Klaque wieder einmal lärmend provozierte.
ist ein tüchtiger Junge aus der Leopoldstadt, Sünde ist,
als alle Lumpereien eines hoff. Sonst wäre man auch dazu zu teilnamslos ge¬
wo sie am östlichsten ist. Der Dichter hat einen nungsvollen Lausbuben, d# nach Schnitzler der wesen.
Panl Kisch.