27. Finkund Fliederbuscn
JEKEIN SO. 10, KUNGLsiN.
ung: Münchener Neueste Nachrichten
Morgen-Ausgabe
sse: München
O. DEZ. 1917
im.
Theater und Musik
* Residenztheater Fiu
Susch. Komödie von Arthur Schf
Seif Gustav Freitags Journathtenkomödie ist
der Versuch einer behaglichen Zeungssatire auf
der Bühne nicht wieder rechthelungen. Das
bleibt bedauerlich, denn das Zuständliche in
jenem Lustspiel mutet heute socältmodisch an, wie
die Kostüme der fünfziger Jahre, und so fehlt
dem meisterlichen Stück, trotz allem Witz, die un¬
mittelbare Beziehung zur Gegenwart.
Dieses Problem wird auch bei Schnitzler nicht
gelöst, obwohl er die Dinge kennt, und manche
komische Verzerrung zustande bringt. Der erste
Akt gibt Stimmungsbilder aus einer Wiener
Redaktion, die ihre grotesken Wirkungen aller¬
dings nur durch schwankhafte Uebertreibungen
erreichen. Die in eine einzige Redaktionsstube
zusammengesperrten Kollegen, der ewig pol¬
ternde Chefredakteur und allerlei andere Un¬
möglichkeiten ergeben keine ganz zwingende Vor¬
stellung. Wenn auch nirgends zweifelhaft bleibt,
was gemeint ist und der Autor gerade in diesem
Akt auf eine lustige Weise dartut, daß er sich
auskennt in seiner Wiener Welt. Individuelles
Interesse erweckt von diesen unterschiedlichen
Schwanktypen nur Herr Fliederbusch, ein junger
Parlamentsberichterstatter, der sich den immer¬
hin begabten Scherz leister, zwei einander be¬
fehdende Blätter zu bedienen. In der demo¬
kratischen Gegenwart“ bekämpft er seine eige¬
nen Artikel, die er als pfeudonymer Fink in der
halboffiziösen und reichlich rechts stebenden „Ele¬
ganten Welt“ veröffentlicht. Er treibt den
Scherz auf die Spitze und seine etwas voreiligen
Freunde treiben ihn noch weiter. Bis zum Duell
nämlich, das Fink mit Fliederbusch austragen
soll. Da kommt die Geschichte an den Tag, aber
leider hat der Zuschauer schon viel zu oft und
ausgiebig davon gehört, und Wiederholungen
stumpfen einen Scherz auf der Bühne außer¬
ordentlich ab.
Allerlei Kluges wird gesagt über Politik und
Kunst, über Kunstpolitik und politische Kunst.
Doch werden die Dinge gegen das Finale zu im¬
mner dünner; und die Längen der redseligen
Dialoge durch eine Verwandlung im letzten Akti
noch fühlbarer.
Dis Darstellung hat fuh das Material jeden¬
box 33/2
falls nicht entgehen lassen und unter Steinrücks
Regie aus den drei Akten herausgeholt, was sie
hergeben konnten. Die Titelrolle spielte Herr
Janssen und bot viel Energie auf, um frisch und
elegant und munter zu erscheinen. Im Verkehr
mit dem Grafen darf er etwas Selbstbewußtsein
zulegen, wenn jener den Hut aufsetzt, braucht er
ihn nicht in der Hand behalten. Um das zahl¬
reiche Aufgebot der mehr oder minder vathetisch
charakterisierten Wiener Redakteurtypen machten
sich verdient: die Herren Höfer (Leuchter),
Lützenkirchen (Satan), Schwanneke (Kafetan),
Jacobi (Füllmann), Basil (Abendstern), Stett¬
ner (Frühbeck), Stadler (Oberndorfer), Alten
(Egon) und Gura (Wöbl).
Den lustigen Styx, ein etwas reduziertes:
Pumpgenie, spielte Herr Waldau mit so viel
persönlichem Charme, daß die Figur in unmit¬
telbare Beziehung zum Zuschauer trat. Die be¬
zwingende Komik der Erscheinung und ihr ge¬
winnender, zarter Unterton hoben die Epifode?
in die echte Komkdienstimmung. Waldau wurde
wieder mit herzlichem Beifall auf offener Szene
bedacht. Herr Graumann war als weltgewandter
Graf Gisbert von überzeugender Vornehmheit.
Frau v. Hagen. unter so vielen Männern als
Fürstin Priska die einzige Dame im Stück, zeigte
sich mit schalkhafter Ueberlegenheit ihrer Sen¬
dung gewachsen. Und mit einem Humor, der in
seiner spezifisch österreichischen Färbung dem
zweiten Akt die Atmosphäre gab. Der etwas
problematisch gewordene Begriff der Salon¬
dame als einer Erscheinung. die das Aeußerste
an Eleganz zu bieten hat, und die dem Lustspiel
verloren zu gehen droht, nahm hier wieder ein¬
mal jene Schaubarkeit an, die Stilisierung und
Symbol bedeutet.
Der Beifall zeigte sich den Abend über mehr
an die Darstellung als an das Stück gebunden.
Wird man es verstehen, #r den einzigartigen?
Rahmen des Residenztheaters immer sicherer die
passenden Stücke zu finden, so wird dieses Theg“
ter Münchens beste Lustspielbühne sein. E.
JEKEIN SO. 10, KUNGLsiN.
ung: Münchener Neueste Nachrichten
Morgen-Ausgabe
sse: München
O. DEZ. 1917
im.
Theater und Musik
* Residenztheater Fiu
Susch. Komödie von Arthur Schf
Seif Gustav Freitags Journathtenkomödie ist
der Versuch einer behaglichen Zeungssatire auf
der Bühne nicht wieder rechthelungen. Das
bleibt bedauerlich, denn das Zuständliche in
jenem Lustspiel mutet heute socältmodisch an, wie
die Kostüme der fünfziger Jahre, und so fehlt
dem meisterlichen Stück, trotz allem Witz, die un¬
mittelbare Beziehung zur Gegenwart.
Dieses Problem wird auch bei Schnitzler nicht
gelöst, obwohl er die Dinge kennt, und manche
komische Verzerrung zustande bringt. Der erste
Akt gibt Stimmungsbilder aus einer Wiener
Redaktion, die ihre grotesken Wirkungen aller¬
dings nur durch schwankhafte Uebertreibungen
erreichen. Die in eine einzige Redaktionsstube
zusammengesperrten Kollegen, der ewig pol¬
ternde Chefredakteur und allerlei andere Un¬
möglichkeiten ergeben keine ganz zwingende Vor¬
stellung. Wenn auch nirgends zweifelhaft bleibt,
was gemeint ist und der Autor gerade in diesem
Akt auf eine lustige Weise dartut, daß er sich
auskennt in seiner Wiener Welt. Individuelles
Interesse erweckt von diesen unterschiedlichen
Schwanktypen nur Herr Fliederbusch, ein junger
Parlamentsberichterstatter, der sich den immer¬
hin begabten Scherz leister, zwei einander be¬
fehdende Blätter zu bedienen. In der demo¬
kratischen Gegenwart“ bekämpft er seine eige¬
nen Artikel, die er als pfeudonymer Fink in der
halboffiziösen und reichlich rechts stebenden „Ele¬
ganten Welt“ veröffentlicht. Er treibt den
Scherz auf die Spitze und seine etwas voreiligen
Freunde treiben ihn noch weiter. Bis zum Duell
nämlich, das Fink mit Fliederbusch austragen
soll. Da kommt die Geschichte an den Tag, aber
leider hat der Zuschauer schon viel zu oft und
ausgiebig davon gehört, und Wiederholungen
stumpfen einen Scherz auf der Bühne außer¬
ordentlich ab.
Allerlei Kluges wird gesagt über Politik und
Kunst, über Kunstpolitik und politische Kunst.
Doch werden die Dinge gegen das Finale zu im¬
mner dünner; und die Längen der redseligen
Dialoge durch eine Verwandlung im letzten Akti
noch fühlbarer.
Dis Darstellung hat fuh das Material jeden¬
box 33/2
falls nicht entgehen lassen und unter Steinrücks
Regie aus den drei Akten herausgeholt, was sie
hergeben konnten. Die Titelrolle spielte Herr
Janssen und bot viel Energie auf, um frisch und
elegant und munter zu erscheinen. Im Verkehr
mit dem Grafen darf er etwas Selbstbewußtsein
zulegen, wenn jener den Hut aufsetzt, braucht er
ihn nicht in der Hand behalten. Um das zahl¬
reiche Aufgebot der mehr oder minder vathetisch
charakterisierten Wiener Redakteurtypen machten
sich verdient: die Herren Höfer (Leuchter),
Lützenkirchen (Satan), Schwanneke (Kafetan),
Jacobi (Füllmann), Basil (Abendstern), Stett¬
ner (Frühbeck), Stadler (Oberndorfer), Alten
(Egon) und Gura (Wöbl).
Den lustigen Styx, ein etwas reduziertes:
Pumpgenie, spielte Herr Waldau mit so viel
persönlichem Charme, daß die Figur in unmit¬
telbare Beziehung zum Zuschauer trat. Die be¬
zwingende Komik der Erscheinung und ihr ge¬
winnender, zarter Unterton hoben die Epifode?
in die echte Komkdienstimmung. Waldau wurde
wieder mit herzlichem Beifall auf offener Szene
bedacht. Herr Graumann war als weltgewandter
Graf Gisbert von überzeugender Vornehmheit.
Frau v. Hagen. unter so vielen Männern als
Fürstin Priska die einzige Dame im Stück, zeigte
sich mit schalkhafter Ueberlegenheit ihrer Sen¬
dung gewachsen. Und mit einem Humor, der in
seiner spezifisch österreichischen Färbung dem
zweiten Akt die Atmosphäre gab. Der etwas
problematisch gewordene Begriff der Salon¬
dame als einer Erscheinung. die das Aeußerste
an Eleganz zu bieten hat, und die dem Lustspiel
verloren zu gehen droht, nahm hier wieder ein¬
mal jene Schaubarkeit an, die Stilisierung und
Symbol bedeutet.
Der Beifall zeigte sich den Abend über mehr
an die Darstellung als an das Stück gebunden.
Wird man es verstehen, #r den einzigartigen?
Rahmen des Residenztheaters immer sicherer die
passenden Stücke zu finden, so wird dieses Theg“
ter Münchens beste Lustspielbühne sein. E.