II, Theaterstücke 27, Fink und Fliederbusch. Komödie in drei Akten (Journalisten, Der Unsichtbare und die zwei Schatten), Seite 172

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27
Fink und Fliederbusch
Jageblatt
lausgabe.
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daß nur eine einzige Frau auf der Bühne ist, eine Nebenfigur, die
der Geschicklichkeit, mit der er sich veränderten Lagen anpaßt, für
im übrigen brillant gesehene Wiener Fürstin Priska Wendolin vom
ein journalistisches Genie gehalten, und die Konkurrenz will ihn ein¬
nalistenstück.
Stamme jener Metternich, welche sterben, wenn sie nicht großen
ander aus den Händen reißen. Das ist ein amüsante Szene. Der
Betrieb haben. Sonst lauter zunftredende Männer. Gustav
ganze Kerl ist amüsant. Aber ein Gesetz, nach dem er wandelt und
die in 3 Akten. Aufführung
Freytag, mit seiner alten lieben Dramentechnik, hat schon gewußt,
handelt, ist nicht erkennbar. Erst am Schluß will er so etwas wie
warum er von einer Adelheid und einer Ida den Zucker der Liebe
ing: Diktor Barnowsky.
den Richter derer spielen, die ihn moralisch richten und doch selbst im
auf das trockene politische Brot der Männer streuen läßt.
Punkt der Gesinnung nicht besser sind als er.
gestern nacheden ersten zwei
Das Stück ging in einem Spiel vorüber, das alle Komödienzüge
Damit und schon vorher greift „Fink und Fliederbusch“ die
indstärke gehabt. Am Schluß
stark hervorholte. In Anfang war das Tempo sogar zu behende.
geistige Linie der „Journalisten“ auf. Nein, es greift sie an.
ht wußte, Karum es stürme.
So wild geschrien und gestikuliert wird selbst in einer Komödien¬
Freytag schreibt ein Lustspiel voll von unterstrichener Ueberzen¬
ierst etwas erzwungen schien,
redaktion nicht; das Leben, das den Szenen etwa anhaften mochte,
gung. Erste Mannespflicht, edelste Mannessitte: Ueberzeugung.
annahm und immer heftiger
entfloh in eine überpurzelte Groteske, und manche gute Wendung fiel
Man lebt, man duldet, man verzichtet auf Freunde für dieses
Pfeiftöne einmischten. Wozu
unter den Tisch. Den Doppelmann Fink =Fliederbusch gibt Basser¬
Ding Ueberzeugung. Arthur Schnitzler, wie in seinem „Professor
ster, den man lieben darf und
mann als Dummkapf plus lustige Person, wie einen tallenden
Bernhardi“ nicht ganz imstande, politischer Dramatiker zu sein,
Jungen, beinahe idiotisch. Er gibt seine saftigsten Farben, kommt aber
ner zart genug ist, um eher
sagt oder läßt das Gegenteil sagen. Es ist da ein Graf, der aus
vollem Orchester beklatscht zu
in Verlegenheit, wenn der dumme Kerl doch mal etwas Gescheidtes
dem Sportdasein ins politische Leben übertritt und durch den
wir gestern nicht. Wir sahen
zu sagen hat. Ilka Grüning ist die einzige Frau, und Raimunds
scharfen Ausdruck einer extremfeudalen „Ueberzeugung“ die Ge¬
razie, und seine Florett¬
Holzweibel von vor acht Tagen ist nun beste Wiener Aristobratie mit
müter erregt. Aber dieser Mann, der Schnitzlers gepflegte Skepsis
Leben und Lebenlassen. Dann gibt es viele Redakteure auf der Bühne,
toff war, nicht durchweg mit
wie einen gutsitzenden Rock am Leibe trägt, denkt gar nicht daran,
linke und rechte, alle mit einem Knick in der Seele, alle dazu angetan,
ein Ueberzeugter und Unentwegter zu sein. Er gibt in einem um¬
darstellerisch fein herausgeschliffen zu werden. Das wurde allseitig
hnlichkeit mit Tristan Bernards
fangreichen, für die Bühne allzu umfangreichen Gespräch mit Fink¬
von den Herren Wallauer, John, Licho, Felix, Lind.
icher gedacht — gar zu gründ¬
Fliederbusch eine Selbstanalyse, die ihn als einen milden Ver¬
Landa, Schroth usw. — gut getan. Kurt Götz, wie stets ein
fzuleuchten. Eine innere Be¬
steher und kühllächelnden Philosophen der Objektivität erscheinen
Menschenzeichner von großer Sicherheit, gibt einen Allesmacher von
ßt sich viel eher mit unserem
läßt. So zerreißt Schnitzler den von Freytag hochgehaltenen, gleich
Reporter, Bühnenautor und was sonst noch. Der Graf ohne Ueber¬
usgespielten Zeitungsstück her¬
einer Fahne wallenden Begriff der politischen Mannestugend.
zeugung ist Ferdinand Bonn. Er ist, wie immer, wenn er
glisten“ nicht einen zerknitterten
Versucht ihn zu zerreißen. Wäre sein Zahn nur bissiger! Wir
will, ohne einen Strich zu viel ein richtig erfaßtes Menschengesicht.
von sich sagen darf, er könne
ließen es uns gefallen, sei es auch nur, um widersprechen zu können.
rechts? In besserer Haltung,
Und hat an diesem Abend doch schon in einem Einakter bei Reinhardt
Es bleiben Einzelgestalten und Einzelwirkungen übrig, darunter
drüben gearbeitet. Auch er kann spielen links und kann spielen rechts.
den Schmock von 1900. Der
ausgezeichnete. Sie heften sich mit satirischen Pfeilen an das
Jahren schreibt als Flieder¬
Fritz Engel.
Zeitungsmetier. Der Wetteifer und Uebereifer der Journalistik
k in einem rechten. Er greift
wird gezeigt, die innere Kälte der Temperamente, die Geneigtheit,
hrenrührigen Tintenflecken und
Opfer des Intellekts zu bringen, um nicht aus einem behaglichen
deren Kommentmäßigkeit
Nest zu fallen. Dies alles wird bespöttelt und bestichelt. Wir blicken
rüsen möge, zu einem Duell
in den Spiegel und sagen, wie sehr er auch mancherlei verzerrt:
Fliederbusch die nämliche
vieles ist wahr. Achtung vor dem Dichter und vor dem Theater,
kh. schon deshalb weil ja ein
wenn sie eine Schicht darstellen, von der die Leute der Bühne immer
lle spielt. So ist die Spannung
fürchten, sie könne ihnen „schaden“ und laure nur darauf, es zu
an sitzt da und tut ein wenig
tun. Aber auch hier muß es heißen: hätte Schnitzler nur eine stärker
r nicht. Uund auch die geistige
packende Kraft gehabt.
t nicht stark berührt. Ist dieser
Der Saft seiner Ironie, soweit sie sich auf das Ganze des Stoffes
umschaltet, ein kleiner Dumm¬
bezieht, träufelt schwer und langsam. Er erreicht nicht einmal eine
st er einfach eine lustige Figur
uf der Bühne wird er wegen geschlossene und gesteigerte Bühnenwirkung. Es kommt noch hinzu,
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