II, Theaterstücke 27, Fink und Fliederbusch. Komödie in drei Akten (Journalisten, Der Unsichtbare und die zwei Schatten), Seite 175

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27. Eink und Fliederbusch
g Berliner Börsen-Gourier
(Morgen-Ausgabe)
2 Berlin
8 OE2.1917
ein wundervolles, weiß=graues Jakett kleidete, wie
es von diesem Schnitt und dieser Stoffart in heutigen
Zeiten seinesgleichen sucht.
Die humoristischen
Theater und Musik
Situationen wurden mehr mit Vertrauen auf Per¬
sönlichkeit als mit der dazu gehörigen Komik be¬
Fink und Fliederbusch.
stritten.
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Tessingtheater.
Dafür konnte man kräftiger über den Reporter
Man erlebte in diesem Winter des Zulaufs und
des Herrn Götz lachen, der mit der flinken Karrikatur
der Erfolge, wenn man ein paar Pfissen krauen darf,
eines nervösen Gebeins sich von einer neuen Seite
ein kleines Theaterstandalchen. Sie tamen von der
zeigte. Stilgerechte Figuren schufen Landa, Schroth,
Galerie und ereigneten sich nach dem Schlußatt, um
und Lind. Ferdinand Bonn, der bei Barnowsky tuk,
die Bassermann=freudige, vienleicht auch Schnitztel¬
was er bei Reinhardt nicht lassen kann, gab einen
getreue Applausbereitschaft des Parquetts niederzu¬
Grafen, der für seine matte Zynikerphilosophie viel
ringen. Die Stimmung nach den beiden ersten Alten
zu viel redet. Ilka Grüning war wie bei Deh¬
der Journalistentomödie war unverbindlich fried¬
mels „Menschenfreund“ die einzige Dame des
lich, von ein paar Heiterleiten leicht angewurmt.
Hauses. Sie wußte über diesen Mangel mit Laune
Aber die Losung der ohnedies schwach geführten
zu trösten.
E. F.—
Anerdotenhandlung war herzlich mäßig. Bei so un¬
aufregendem Anlaß soll man nicht pfeifen. Falsche
Entrustung! Weil Schnitzler zum Abschluß seiner
Komödie nichts Richtiges einfiel?
Als ob er in
diesem Stück vorher verwohnt hatte. Mißbrauch des
Hausschlüssels!
Das Beruhigende an der Neuheit ist, daß sie nicht
Schnitzlers Schaffen reprasentiert und von ihm in
gerechter Besorgnis Jahre lang zurückgehalten wurde.
Das Werk schien ihm in die Welttriegsstimmung
nicht hineinzupassen, aber auch im Schalten eines
zehntätigen Waffenstillstandes bleibt es eine schüttere
Angelegenheit. Es unternimmt eine boshafte Spie¬
gelung des Journalistenstandes. Warum nicht? Ich
wünsche sämtliche Marterinstrumente der Satire iy
die Hände dessen, der zur wonnigen Mißhandlung
von Hetzern, Schwätzern, Strebern, Süßlingen und
Meinungsschacherern berufen wäre. Es gibt keine
soziale Schicht, die nicht auch ihr Sodom und Go¬
morrha hatte. Naturgemäß interessieren den Sä¬
tyriker am stärksten die verrufenen Ecken, doch hätte
er auch die Pflicht, ein bißchen Erzvater Abraham zu
spielen, der für die unschuldigen Gerechten eintritt.
Schnitzlers Komödie ist bloß auf Sodom und Go¬
morrha eingestellt, und auch da ist einzuwenden, daß
er vorwiegend flache Hiebe austeilt. Ab und zu
nimmt man Anläufe zu schärferer Charakteristik
wahr. Das diktatorische Gebahren eines Chefredal¬
teurs macht Hoffnungen auf Entlarvungsstudien; die
Stellung der Tintensklaven, ihr Fänsieballen, ihre
Gesinnungsgeschmeidigkeit, ihr galliger Humor lassen
ahnen, daß der Verfasser Bescheid weiß. Doch er
will oder kann nicht. Die Ueberhand behalten aus¬
gerauchte Kaffeehausspäße und Scherze über zu früh
geschriebene Nekrologe. Besser als die Verulkung
der Tagespresse liegt Schnitzler die Entlarvung eines
pikanten Wochenblattes. Hier hat er Verleger und
Mitarbeiter nahezu im Griff. Nahezu. Ein saftiges
Strafgericht wird es doch nicht.
Hauptproblem ist für Schnitzler ein Herr Fink,
der bloß so heißt, wenn er in der konservativen
Wochenschrift unter diesem Namen Artikel schreibt,
aber als Herr Fliederbusch in der liberalen „Gegen¬
wart“ mit sich selber polemisiert. Der selige Schmock
aus Freytags Journalisten hatte es mit seinem
links und rechts Schreiben wesentlich einfacher.
Schnitzlers Neuauflage der Gestalt hat die Senti¬
mentalität verloren und fühlt sich zur führenden
Rolle der Komödie berufen. Die dazu nötige Hand¬
lung wird mit einer Duellforderung des Fink an
Fliederbusch herangefädelt. Was soll daraus wer¬
den? Mit dieser Neugierde der Zuschauer weiß
Schnitzler nicht ungeschickt und nicht übertrieben ge¬
schickt zu operieren. Am meisten unterhielt das
Publikum die Ratlosigkeit des Herrn Fink, was er
mit Fliederbusch anfangen solle. Als er dann doch
zum Duell ging, obschon er ebenso genau wie das
Publikum wußte, daß er mit sich selber schwerlich Ku¬
geln wechseln könne, erwartete man mindestens, daß
entweder die Sekundanten des Fliederbusch oder die
des Fink ausbleiben würden. Es blieb aber bloß die
Ueberraschung aus — nicht die Entrüstung beider
Parteien, nicht die billige Schlußpointe mit
einem gemeinsamen Frühstück, zu dem sich die libe¬
anierhat:

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