II, Theaterstücke 27, Fink und Fliederbusch. Komödie in drei Akten (Journalisten, Der Unsichtbare und die zwei Schatten), Seite 181

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27. Fink und Fliederbusch
Zeitung: Vossische Zeitung
Morgen-Ausgabe
11490
Auresse: Berlin
Fehde führt, jeder Augenblicksversuchung, jedem gnädigen Grafen¬
wort und jedem Lächeln einer Fürstin erliegt, und zuletzt ein
„Fink und Fliederbusch“.
Duell mit sich selbst auskämpfen soll, aus dessen Nöten er durch
Erstaufführung im Bessing=Thrater.
chevalereske Vorsehung zu einem Sektfrühstück entführt wird. Der
Redakteur Satan — Schnitzler kokettiert diesmal mit solchen
Lärmend genug ging der gestrige Schnitzler=Abenwaus. Erst
Charakternamen wie Kalb und Wurm — bezeichnet all dies
gab es mäßigen Beifall, zum Schluß — wie seltsat in unseren
als „genialen Jugendstreich“ und der Sportgraf des Stückes, der
Tagen! — eine Premierenschlacht, in der die Klatscher über die
schließlich den Raisonneur macht, entwickelt eine Theovie, die die
Zischer und Pfeifer den Sieg davontrugen. Also, wenn man will,
Relativität der Bewegung auf die der Geister anwendet und die
ein lauter Erfolg, aber ein geringer Ertrag, und eine starke Ent¬
Monomanie der Gesinnung unter das Kräftespiel der Liebhaber¬
täuschung. Ein Journalistenstück war angekündigt, und man
übungen setzt. Aber so viel oder so wenig die Gesinnung, die
sagte sich: wenn irgendwer berufen ist zu Freytags Muster- und
Kampf und Tat bestimmt, einem Sportkünstler objektiv bedeuten
Meister=Komödie ein modernes Seitenstück zu geben, so ist es
mag, sie bleibt doch subjektiv der Prüfstein einer Natur, für die
Arthur Schnitzler mit seinem wehmütig überschatteten Humor, mit
man sich erwärmen und an der man sich erheitern kann. Und
seinem sein tastenden Sinn für die nachdenklichen Seiten des
dieser „Fink=Fliederbusch“ ist keine Natur, ist weder eine Feder,
Alltagslebens. Und siehe da: gerade er erweist sich in diesem
in der ein Herz steckt, noch eine Feder, durch die etwas bewegt
Falle als das, was der Journalist nur dann ist, wenn er diesen
wird, sondern nur ein vom Wind getragenes lästiges Federchen,
Namen nicht verdient, als der Mann, der den Beruf verfehlt hat.
das man hinwegbläst.
Mangelte ihm die sonst viel bewährte Sicherheit des Auges
Daß ein Virtuose des launigen Zwiegesprächs wie Schnitzler
oder das Herz für den Gegenstand? Ich glaube: beides.
auch in solcher Nebenarbeit manchen guten Strich anbringt, ver¬
Er sah nicht tief genug, weil er mit zu wenig Liebe an die Welt,
steht sich von selbst. Aber man sieht diese Kraft ungern ver¬
die er spiegeln wollte, herantrat.
schwendet und hat nicht einmal ein tieferes Genügen daran, wenn
Wunderlich! Gustav Freytag führte uns vor mehr als sechzig
hervortagende Schauspielkräfte sich in den Dienst einer so schwach
Jahren in eine stille Redaktionsstube, die sich von der heutigen
beseelten Komödienmechanik stellen. An solcher Hilfe fehlte es
abhebt, wie eine Idylle von einem dramatischen Schauplatz, und
nicht, für den Augenblickseindruck war im ganzen und im einzel¬
doch ist der Kern seiner Darstellung der Geist der heiteren Ent¬
nen so gut wie möglich gesorgt. Bassermann konnte als Ver¬
sagung, die selbstlos spiegelnde Ironie, in der sich alle Dissonan¬
treter der Hauptrolle die mehr leere als blanke Jugend,
gen des Berufes lösen, so frisch und lebendig wie hedem.
und
sein reifes
die da gemeint ist, nicht in
Schnitzler deutet die moderne Entwicklung des Berufes an, seine
machte
er
bedeutendes Gesicht hineinbannen, aber
mannigfache Gliederung, die Hast und den Reichtum seines Ge¬
den Mangel dieser nicht eben wertvollen Voraussetzung durch die
triebes, und sein Stück wirkt trotz manches aufgebauschten Spaßes
Kraft seiner Charakteristik vergessen. Er war köstlich im mi¬
so trocken wie ein dürres Gefäß ohne Inhalt. Dort der Werkstatt¬
mischen Ausdruck, i Ton und in der Gebärde der völligen Un¬
humor, der noch heute in der Tiefe sprudelt, hier der Jargon
selbständigkeit, der Wehrlosigkeit gegen jeden Eindruck, der
des überreizten Journalisten=Cafés, dessen gewohnheitsmäßige
Glücksritterstimmung und der knabenhaften Hilflosigkeit. Das
zynische Witzelei an der Oberfläche verschäumt. Flüchtig
lange Se'bstgesprach des kecken, dummschlauen Spielers (der
erhaschte Berufsmasken, keine Physiognomie, Karikaturen,
Monolo tritt wieder in seine Rechte) sprühte von geistreichen
äußerlich zu spitz für ein Lebensbild, innerlich zu stumpf für
Komi., von drolligen Ausbrüchen kindischer Leichtfertigkeit. Ilka
eine Satire. In den Kreis von Streber= und Spekulantenfiguren
Grüning veranschaulichte mit sicherem Takt eine Wiener Lieb¬
dringt ein anscheinend unbefangenes Stück Jugend ein, das uns
lingsfigur, die Fürstin, die sich durch vornehme Beherztheit volks¬
offenbar durch reine Torheit ergötzen soll. Aber wie sieht es damit
tümlich zu machen weiß, und Ferdinand Bonn mit gut angebrach¬
aus? Diese Seltenheit im Kuriositätenkabinett, dieses Original¬
ter Selbstgefälligkeit den Sportgrafen, der immer hochmütiger
Jüngelchen, das sich an frühreifer Phrasenfertigkeit berauscht, und
wird, je mehr er sich herabzulassen scheint. All die angeblichen
die beiden Namen „Fink“ und „Fliederbusch“, unter denen es sich
Journalistentypen trugen die Merkzeichen, die Schnitzler ihnen an¬
herumtreibt, schlau gegeneinander ausspielt, ist bei Lichte besehen,
gedichtet hat. Vielleicht behauptet das spaßhafte Element des
der vergröberte Schmock, die ausgehöhlte Lustspielepisode, die ein
Stückes eine Weile seine Wirkung. Aber man wird gern von dieser
breites Komödienheldentum für sich in Anspruch nimmt. Zu Be¬
Posse der Fixelei, die die Frivolität zu sehr in ihrem Geiste dar¬
ginn ein armer Schlucker, wie sein wertvolleres Vorbild, wandelt
stellt, zum Schnitzler der „Liebelei“ zurückkehren, der Tiefen hinter
er sich im Fluge zum Taschenspieler geprägter Redensarten, der
A. K.
nach rechts und nach links schreibt, in zwei Zeitungen mit sich I der Frivolität enthüllte.