27. Einkund Friederbus..
Zeitung Germahla Morgen-Ausgabe
Adresse: Berlin
9. 9E2.1977
Datum:
Fink und Fliederbusch.
Erstaufführung im Lessingtheater,
Arthur Schnitzler hat den Gustav Freytag vom Jahre 1900
spielett wollen, als er „die“ moderne Ihürnalistenkomödie
„Fink und Fliederbusch“ schrieb. So sagen wenigstens die
Schnitzletvekehrer. Die Schnitzlerfreunde sine schon vorsichtiger;
sie sprechen nur von dem Versuch einer Satire auf das mo¬
derne Journalistenwosen. Der objoktive Beobachter aber schaut
diesen neuesten Schnitzler mit ruhigem Behagen undefindet
2 nun er findet den alten Schnitzler, den Schnitzler mit der
beinahe natürlich wirkenden Konstruktion, mit der beinahe
treffenden Charakter stik, mit der beinahe entschiedenen Stell¬
lungnahme zu — Allem und Nichts. Beinahe hat dann dieser
Poet auch noch die Kraft, eine abendsüllende Komödie zu
An dem „Beinahe“ krankt der ganze
schreiben..
Schnitzler, krankt um so mehr daran, als man ihm immer
glauben gemacht hat, er wisse und könne alles so recht ganz
und aus dem ff.
Seine „Fink= und Fliederbusch“=Komödie ist nun gar ein
Musterbeispiel für die „Beinahe"=Kunst“. Die Fabel vom
jungen Journalisten, der aus Lust an seinem neugebackenen Jour¬
nalistentum für zwei gegnerische Blätter schreibt — rechts und
links, als Fnk oder Fliederbusch — ist nicht neu, mag aber
hingehen. Doppelrollen gibts ja im Leben, und auf der Bühne
haben sie immer ihre Schuld'gkeit getan. Schnitzler aber
nimmt die Doppolrolle, nicht um sie mit dem ihm sonst eigenen
tragischen Schimmer zu umkleiden — auch das lust gte
Menschenwesen verträgt diesen Schuß „Sentimentalität“
vielmehr geht er ganz unbekümmert auf die Schwankwirkung
beinahe echte Figur des doppfatarg.
aus
bis zum „Beinahe“=Duell
Fink=Fliederbusch wird
ihrer Bestandteile auf Grund der gegeneinander
So wird, was
geschriebenen Personalinjurien gehetzt.
beinahe tragisch ausschauen könnte, tragisch lustig. Denn
wirklich lustig zu werden, fehlt der Sache auf die Dauer doch
der glaubhafte Kern und der gesunde Humor. Wird doch nie¬
mand erwarten, daß der junge Herr Zwiesalt tatsächlich zum
Duell mit sich selber geht!
Noch hübscher ins Beinahe=Land verirrt sich aber Schnitzder,
wo er die Dinge auf den Redaktionsstuben in lustiger Ver¬
zerrung schildert. Da geht er auf alte Fliegendeblätterspäße
gar zu gattwillig ein, und wo er seine Sriche zieht, sitzen sie
nur beinahe richtig. Natürlich unterläuft Schnitzler einmab
an entscheidender Stelle die Unmöglichkeit, daß sich der eben
neu angeworbene Schriftleiter an einem Blatt mit katholischer
Tendenz — duellieren soll und seine Redaktion wie sein Ver¬
leger seine Zustimmung dazu gibt. Aber so etwas geniert
große Geister seibstverständlich nicht. Um so weniger, als die
ganze Geschichte ursprünglich wohl, und das der Schilderung
der Verhältnisse nach mit Recht, nicht unter Hereinziehung
eines „klerikalen“ Blattes geplant war.
box 33/3
KIL· PEIEEAN
Doch genug von der Schmokgeschichte. Es sei nur beigefügt,
daß ein wenig Stadtklatschschilderung zur Charakteristik eines
vielgewandten Zeitungsreporters die Lücken der Haupthandlung
notdürftig ausfüllt.
Wäre Schnitzler nicht der geschickte Plauderer, der im Wort¬
gefecht auch manchen sein geschliffenen Satz gleichsam unter
den Tisch fallen läßt, so bliebe von seiner Komödie nichts als
ein ziemlich schaler und weitgesponnener Spaß. Und das, ob¬
wohl Bassermann — übrigens trotz allem Schneid und
aller Jugend zu alt für diese, nur einem „dummen Jungen“
verzeihliche Rolle — sich ausgezeichnet mit seinen Künsten für
Herrn Fli derbusch wie Herrn Fink einsetzte, und obwohl ihm
im Götz als Reporter, in Bonn, Wallauer, Licho, John, Lind,
Felix, Landa, Schroth, Sternberg und der Grüning eine Reihe
von höchst amüsanten Tyxew zur Seite standen, an denen man
im einzelnen wie im Zusammenspiel seine Freude haben konnte.
Was allerdings zu einem so zweifellosen Theaterkampf um
Erfolg oder Mißerfolg des Stückes verführt hat, wie er tat¬
ssächlich nach dim Schluß der Vorstellung in Szene ging er¬
scheint reichlich unklar. Weder bot die Schilderung der schwachen
Rückgrate noch sonst ingenb etwas Anlaß, das lamichte Produrkt,
das eine etwas müde Erheiterung vermitteilt, zum Kampf¬
objekt emporzuzischen. Nur durch den Widerstand der Ab¬
lehnenden kam es zu eifrigerer Belätigung der Klatschlustigen
und den Schaden — trug das Elektrizitätswerk infolg der ver¬
Dr. Th.—
I längerten Brenndan— der Beleuchtung.
Zeitung Germahla Morgen-Ausgabe
Adresse: Berlin
9. 9E2.1977
Datum:
Fink und Fliederbusch.
Erstaufführung im Lessingtheater,
Arthur Schnitzler hat den Gustav Freytag vom Jahre 1900
spielett wollen, als er „die“ moderne Ihürnalistenkomödie
„Fink und Fliederbusch“ schrieb. So sagen wenigstens die
Schnitzletvekehrer. Die Schnitzlerfreunde sine schon vorsichtiger;
sie sprechen nur von dem Versuch einer Satire auf das mo¬
derne Journalistenwosen. Der objoktive Beobachter aber schaut
diesen neuesten Schnitzler mit ruhigem Behagen undefindet
2 nun er findet den alten Schnitzler, den Schnitzler mit der
beinahe natürlich wirkenden Konstruktion, mit der beinahe
treffenden Charakter stik, mit der beinahe entschiedenen Stell¬
lungnahme zu — Allem und Nichts. Beinahe hat dann dieser
Poet auch noch die Kraft, eine abendsüllende Komödie zu
An dem „Beinahe“ krankt der ganze
schreiben..
Schnitzler, krankt um so mehr daran, als man ihm immer
glauben gemacht hat, er wisse und könne alles so recht ganz
und aus dem ff.
Seine „Fink= und Fliederbusch“=Komödie ist nun gar ein
Musterbeispiel für die „Beinahe"=Kunst“. Die Fabel vom
jungen Journalisten, der aus Lust an seinem neugebackenen Jour¬
nalistentum für zwei gegnerische Blätter schreibt — rechts und
links, als Fnk oder Fliederbusch — ist nicht neu, mag aber
hingehen. Doppelrollen gibts ja im Leben, und auf der Bühne
haben sie immer ihre Schuld'gkeit getan. Schnitzler aber
nimmt die Doppolrolle, nicht um sie mit dem ihm sonst eigenen
tragischen Schimmer zu umkleiden — auch das lust gte
Menschenwesen verträgt diesen Schuß „Sentimentalität“
vielmehr geht er ganz unbekümmert auf die Schwankwirkung
beinahe echte Figur des doppfatarg.
aus
bis zum „Beinahe“=Duell
Fink=Fliederbusch wird
ihrer Bestandteile auf Grund der gegeneinander
So wird, was
geschriebenen Personalinjurien gehetzt.
beinahe tragisch ausschauen könnte, tragisch lustig. Denn
wirklich lustig zu werden, fehlt der Sache auf die Dauer doch
der glaubhafte Kern und der gesunde Humor. Wird doch nie¬
mand erwarten, daß der junge Herr Zwiesalt tatsächlich zum
Duell mit sich selber geht!
Noch hübscher ins Beinahe=Land verirrt sich aber Schnitzder,
wo er die Dinge auf den Redaktionsstuben in lustiger Ver¬
zerrung schildert. Da geht er auf alte Fliegendeblätterspäße
gar zu gattwillig ein, und wo er seine Sriche zieht, sitzen sie
nur beinahe richtig. Natürlich unterläuft Schnitzler einmab
an entscheidender Stelle die Unmöglichkeit, daß sich der eben
neu angeworbene Schriftleiter an einem Blatt mit katholischer
Tendenz — duellieren soll und seine Redaktion wie sein Ver¬
leger seine Zustimmung dazu gibt. Aber so etwas geniert
große Geister seibstverständlich nicht. Um so weniger, als die
ganze Geschichte ursprünglich wohl, und das der Schilderung
der Verhältnisse nach mit Recht, nicht unter Hereinziehung
eines „klerikalen“ Blattes geplant war.
box 33/3
KIL· PEIEEAN
Doch genug von der Schmokgeschichte. Es sei nur beigefügt,
daß ein wenig Stadtklatschschilderung zur Charakteristik eines
vielgewandten Zeitungsreporters die Lücken der Haupthandlung
notdürftig ausfüllt.
Wäre Schnitzler nicht der geschickte Plauderer, der im Wort¬
gefecht auch manchen sein geschliffenen Satz gleichsam unter
den Tisch fallen läßt, so bliebe von seiner Komödie nichts als
ein ziemlich schaler und weitgesponnener Spaß. Und das, ob¬
wohl Bassermann — übrigens trotz allem Schneid und
aller Jugend zu alt für diese, nur einem „dummen Jungen“
verzeihliche Rolle — sich ausgezeichnet mit seinen Künsten für
Herrn Fli derbusch wie Herrn Fink einsetzte, und obwohl ihm
im Götz als Reporter, in Bonn, Wallauer, Licho, John, Lind,
Felix, Landa, Schroth, Sternberg und der Grüning eine Reihe
von höchst amüsanten Tyxew zur Seite standen, an denen man
im einzelnen wie im Zusammenspiel seine Freude haben konnte.
Was allerdings zu einem so zweifellosen Theaterkampf um
Erfolg oder Mißerfolg des Stückes verführt hat, wie er tat¬
ssächlich nach dim Schluß der Vorstellung in Szene ging er¬
scheint reichlich unklar. Weder bot die Schilderung der schwachen
Rückgrate noch sonst ingenb etwas Anlaß, das lamichte Produrkt,
das eine etwas müde Erheiterung vermitteilt, zum Kampf¬
objekt emporzuzischen. Nur durch den Widerstand der Ab¬
lehnenden kam es zu eifrigerer Belätigung der Klatschlustigen
und den Schaden — trug das Elektrizitätswerk infolg der ver¬
Dr. Th.—
I längerten Brenndan— der Beleuchtung.