II, Theaterstücke 27, Fink und Fliederbusch. Komödie in drei Akten (Journalisten, Der Unsichtbare und die zwei Schatten), Seite 185

der
27. Einkbus
ung: Berliner Allgemeine Zeitung
esse: Berlin
9 Dez. 191
um:
„Fink und Fliederbusch.
Arthur Schnitzlers Journalister lgmöbie
im Lessing=Theater.
Drei Akte, kurze Akte nur, aber'sie dehnen
sich, quälee sich mühsam vom Fleck und escheinen
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endlos. Während der Wiener Dichter diese
Komödie geschrieben, muß er seinen Geist in
die Ferien geschickt haben. Nur wenig ist von
Schnitzlers feinem Kopf zu verspüren. Hie und
da ein gutes Wort, eine troffende Bemerkung,
eine mitzige Wendung — anforsten t####llose Oede.
Darüber konn auch der Erfolg nicht hinweg¬
täuschen, den am Schluß die kräftigen Han## von
etlichen Schnitzlerfreunden zu instrumentieren
suchten. Ein Unterfangen, in das die mißver¬
gnügten Laute anderer, nicht so leicht Befriedig¬
ter energisch hineinzischten.
Schnitzler gedachte wohl die satirische Kamb¬
die des modernen Schmock einzufangen, der —
gleich wie Gustav Freytags trauriger Jüngling
in den „Journalisten“. — „kann schreiben links
und konn schreiben rechts“ und diese vertrackte
Fähigkeit gewissenlos in die Tat umsetzt und
darüber Karriere macht. Doch es ist allein bei
der Absicht geblichen, das Gelingen ward
Schnigler nersagt. In der hlassen Entwicklung
nur steckt die Gestolt des jungen Zeitungsmen¬
schen, der unter dem Namen Fliederbusch für ein
demokratisches Blatt Artikel schreibt, die er unter
dem Psendonym Fink in einer reaktionären
Nochenschrift heftg widerlegt. Ju. Her Charai,
teristik dieser verlockenden Figur müßte die
Stärke der Komödie liegen: Schnitzler model¬
lierte sie nur schwach und flach. Die dürftige
Handlung selbst ist gewaltsam und unmotiviert
hineingepreßt. Unter einem fadenscheinigen
Motiv wird Fink argen Fliederbusch zum Zwei¬
kampf aenötigt und da er sich nicht selbst duel¬
lieren kann, so muß er die Maske fallen lassen
und Farbe bekennen.
Daß Albert=Bassermann diesen sugend¬
lichen Schmock in einer dalberigen Naturbur¬
schenmanier spielte, war verfehlte Auffassung,
die am empfindlichsten dann störte menn der
Schmock von 1900 — in den Beainn dieses
Johrhunder's wird die Veachenheit verlegt ¬
auch treffende Bemerkungen zum besten glbt.
Lesser dafür wäre wohl Kurt Götz accioner
gewesen, der einen Allerweltsschriftsteller mit
Schmung und Schmiß hinstellte. Mit ganzer
Kraft und vollem Können bemühten sich noch
Edaar Lichv. Landa, Felir, Wollauer
und Frau Grüning um das miblungene
Julius Knopi.
Journalistenstüd.—
box 33/3
Zeitung: Freisinnige Zeitung
Adyesse: Berlin
J. OCL.ION
Datum:
Lessing-Thegter
„ink und Fliederbusch“, Komödie von Arthur Schnstzter.
Ein junger Journatist namens Fliederbusch ist als Par¬
lementsberichterstatter in der demokratischen „Gegenige#“ tätig.
Unter dem Namen Fink schreibt er politische Artikel von Elgenart
für die feudale, etwas anrüchige „Elegante Welt“ ist denen er
sich für den Grasen Niederhof, der im Pan#emnent eine sanatisch
reaktionäre Rede gehalten hat, kräftig ins Zeug legt. In der
Reduktion der „Gegenwart“ wird über den Grasen und den
Finkschen Artitel erregt disputiert. Fliederbusch zeigt sich eben¬
falls über Fink empört, verschwindet und liefort binnen wenigen
Minuten einen längeren Artikel gegen den „Finkenschlag“ des
gegnersschen Bluttes. Am nächsten Tage sehen wir Fliederbusch
als Fink im anderen, salonmäßig ausgestatteten Redaktionslokal,
mit Monolle im Auge und sehr eigant gekleidet. Graf Niederhof,
der das Blatt für seine Partei ankaufen will, erscheint, sichert sich
die Jeder Finks, der nun eine sehr scharfe programmatische Ent¬
gegnung gegen den Flederbuschschen Artikel veröffentlichen will.
Aber ein sehr feuriger Freund, der Sohn des Chefredakteurs, der
schon einmal einen Gegner gefordert hat (in der Aufführung des
Lessingtheaters ist dieser Hinweis gestrichen), macht ihm klar, daß
die persönlichen Angriffe in der „Gegenwart“ nur mit einem
Pistelenduell beantwortet werden dürfen. Der Graf will Fink
zurückhelten, will sogar als guter Pistolenschütze für ihn eintreten.
Fink jedoch, vollendeter Kavalier, weist alle Versucher zurück und
gilt als furchtboser Held. Auf dem Duellschauplatz fehlt natürlich
der eine Gegner. Der Schwindel kommt an den Tag und endet
sehr lustig. Beide Chefredaktoure wollen sich den „genialen“
Journalisten kaufen und überbieten einander wie bei einer
Auktion, und der Graf ladet alle Teilnehmer zu einem Sekt¬
frühstück, insbesonde#re den „Helden und — Gefallenen des Tages“,
der endgültig den Fliederbusch in die Grube versenkt und sich
für Fini entscheidet.
Eine Journalistenkomödie und doch keine. Der Schmock
Gustao Freytags lebt noch heute; er ist aus dem Leben ge¬
griffen und aus dichterisch mitsühlendem Herzen gestaltet. Dieser
Fink=Fliederbusch interessiert höchstens als psychologischer Sonder¬
fall, als ein Kranker oder, wie man will, Uebergesunder; als
ein rein amoralisches Wesen, an das überhaupt keine eihischen Ma߬
stäbe zu legen sind; das ein Abstraktum ist, Schmock z. B. will leben
und muß deshalb kümmerlich verdienen. Von Herrn Fink wissen
wir gar nichts, nicht einmal, ob er arm oder reich ist. Schnitzter
deutet wohl leise an, daß er arm ist. Barnowsky aber, der das
Stück stark und ungeschickt zusammengestrichen hat, hat dies aus¬
gemerzt und läßt Bassermann als Fink in einem so eleganten, mit
Seide gefütterten Anzug auftreten, doß man ihn im Besitze vieler
Gelder vermuten muß. Und dabei ist er nur gegen Zeilenhonorat
angesteilt und lauert auf die Auszahlung von ganzen 37 Kronen,
40 Heller. (Ebenfalls gestrichen. Und was ist im Lessingtheater
aus dem entgleisten S# geworden! Ein Schatten.) Im dritten
Alt findet zwischen Fine und dem Grafen ein geiftig bedeutsames
Zwiegespräch statt über Gesinnung und Ueberzeugung. Fink tritt
für die Deseinsberechtigung der Ueberzeugung, des Fanatismus
ein, Graf Niederhof leugnet Ueberzeugungen, bezeichnet sie als
sentimentale Nebenzwecke, als fixe Ideen. Dieses in sich be¬
deutungsvolle und auf Höhen führende Gespräch verliert jede
Wirkung, weil Fink, der Gegensprecher, ja überhaupt keine Ueber¬
Im Augenblick, wo er als Fink oder als Flieder¬
zeugung hat!
busch schreibt, lebt und denkt er auch, je nachdem, als Fliederbusch
und Fink; er ist der Stimmung jeder Stunde haltlos unterworfen.
Das ganze Komödiengebäude steht schief, steht fast in der Luft.
Ein kühler, ironischer und nur zaghaft zupackender Dichter hat das
Spiel geschrieben, das nichts weiter als ein Spielen ist, weder
menichlich wann, noch satirisch scharf ist. Mit geistvollen Be¬
merkungen wie der von der „Identität der Gegensätze“, oder „Muß
man denn immer etwas erledigen?“ täuscht Schnitzler nicht über
die verfehlte Konstruktion seines Baues hinweg.
Die Darsteller halfen dem Dichter recht wenig. Sie waren im
allgememen zu scharf und überpinselten grell die weichen, müden,
ironisch resignierten Farben des Wieners. Selbst ein Basser¬
mann vermochte das Abstraktum Fink=Fliederbusch nicht zu
einem lebendigen Menschengeschöpf umzuformen. Er half sich mit
Kunstgriffen, besonders in den (von Schnitz'er auch nur als Not¬
Kunstgriff eingestreuten) Monologen, in denen er geradezu zum
Publikum zu sprechen schien. Bonn als Graf und Ilka
Grüning als Fürstin kamen den dichterischen Absichten noch am
besten entgegen. Nach den ersten zwei Akten war der Beifall
mäßig warm, nach dem letzten, der auch in Wien und Frankfurt
am Main enttäuscht hatte, ab es einen lauten Streit, in der
Scherek.
Klatscher und Zischer sich befehdeten.
Die Komödie ist als Buch im Verlage von S. Fischer. Berlin,
in aufer Ausstattung erschienen. Die Lestüre gibt ein treffenderes
Bild als die Aufführung mit ihren vergröbernden Streichungen.