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27. EinkFliederbusch
Zeitung: Deutsche Warte
Adresse: Berlin
9. 9EZ.1917
Datum:
Theater und Mustk
Lessing=Theater
Zum ersten Male: „Fink und Fliederbu.
Komödie in drei Akten von Arthu-Schuu#er#
gesetzt von Victor Barnowsky.
Ein Journalistenstück. Bei der gestrigen Erstaufführung im
Lessing=Theater, der Vorstellungen in Wien und Frankfurt a. M.
vorangegangen sind, mit lebhaftem Beifall, aber auch mit Zischen
von einer kleinen Anzahl von Zuhörern, sogar mit Pfeisen auf
dem Hausschlüssel von einem Besucher vom hohen Olymp herab
bedacht. Zu diesen Kundgebungen des Unwillens lag kein Anlaß
vor. Schnitzlers Stück verträgt freilich schlecht einen Vergleich
mit Gustav Frehtans klassischem Lustspiel „Die Journalisten“
en'hält aber nicht geringe Werte und Reize. Die Mißvergnügten
nahmen wahrscheinlich Anstoß an der üblen Umwelt, in die der
Dichter die Vertreter des Journalismus hineingestellt hat.
Schnitzler ist nun einmal der führende Schilderer einer zerfallen¬
den Welt, einer nervös zerrütteten Zeit. Die Beweise der Kraft
und des selbstlosen Opfersinns, die in den blutigen Kriegsjahren
gegeben worden sind, scheinen auf diese bleichsüchtigen Beobachter
ihrer Zeit wenig Eindruck gemacht zu haben. Der Wiener Schnitz¬
ler sieht auch im Journalismus vor allem die Schattenseiten.
Und wer wollte leugnen, daß auf diesem für charakterlose Menschen
so verführerischen Boden auch viel Sumpf= und Giftpflanzen er¬
wachsen sind? Aber eine Verallgemeinerung ist eine Torheit, sie
verkennt den aufreibenden Fleiß, den sittlichen Ernst, womit in
der Presse gearbeitet wird. Gerade die Vertreter des anständigen
Journalismus werden trotzdem mitlachen über die Humore, die
Schnitzler von der Zeitungswelt ausgehen läßt, über die sehr
lustigen, wenn auch mit geringem Wirklichkeitssinn gezeichneten
Szenen, in denen er die verschiedensten Exemplare von Zeitungs¬
leuten vorführt.
Den geringsten Anstoß wird man vernünftigerweise an der
Person des Titelbelden nehmen, der sowohl Fink als Flieder¬
busch ist. Kann Freytags Schmock rechts wie links schreiben,
so
kann der Held der Schnitzlerschen Komödie mehr.
Dieser Ueberschmock kann rechts und links zu gleicher
Zeit schreiben. Als Fliederbusch ist er Mitarbeiter der
domokratischen Zeitung „Die Gegenwart“ als Fink Mitarbeiter
des konserrativen Wochenblattes „Die elegante Zeit" Wofür er
in dem einen Blatt eintritt, das bekämpft er in dem anderen.
Der Gipfel der lustigen Entwicklung ist ein Duell, das er mit sich
selber annehmen muß. Dieser Fink Fliederbusch ist nun nicht etwa
ohne weiteres ein Gesinnungskump. Nein, er hat überhaupt keine
Ueberzeugung. Er geht, wie das bei Tausenden von Menschen in
ihrer Berufstätigkeit der Fall ist, völlig im Technischen der Arbeit auf,
ist darum stets ein leichtes Opfer der auf ihn gerade einwirkenden
Einflüsse und ist dabei ein tüchtiger Arbeiter für die Aufgaben, die
ihm jedesmal gestellt sind. Ganz ernsthaft, ohne sich zu verspotten,
fragt sich Fink=Fliederbusch, ob er eigentlich Fink oder Fliederbusch
sei. „Ein Fliederbusch, den es gelegentlich juckt, einen Fink zu:
spielen...? Oder ein geborener Fink, der nur durch einen Irrtum
box 33/3
des Schicksals als ein Fliederbusch auf die Welt gekommen ist ...?“
Der Schmock in Freytags „Journalisten“ wird gebührend ab¬
gefertigt, dem Ueberschmock endet die Tragikomödie seines Wesens
nicht tragisch, sondern komisch. Der junge Mann, der in seinen
Häutungen Entwicklungsphasen sieht, geht, als auf dem Schauplatz
des „Duells“ die Aufklärung erfolgt, umworben von verschiedenen
Verlegern, als Held — und Gefallener des Tages hervor.
Die Aufführung, für die die umsichtige Leitung des Herrn
Victor Barnowsty ein wohltuendes flottes Tempo vorgeschrie¬
ben hatte, enachte die Komödie zu einer sehr lustigen Sache, so daß
im Zuschauerraum viel und herzluh gelacht wurde. Albert
Bassermann gab den Titelhelden. Seine meisterhafte Dar¬
stellung des Fink=Fliederbusch als eines Jünglings, dessen naive
Lebensauffassung den Aerger über seine charakterlosen Streiche ent¬
waffnet, machte diese Figur glaubhaft und das Stück verständlich.
Sein Gegenspieler, der Graf Gisbert Niederhof, der ebenfalls keine
Ueberzeugung hat, sondern alles, auch die Politik, als Sport be¬
treibt, erhielt durch das natürliche, unaufdringliche Spiel Ferdi¬
nand Bonns ausgezeichnete Verkörperung. Die verschiedenen
Journalisiengestalten waren bei Kurt Götz, der dem allesmachen¬
den Schmock Kajetan belustigende Züge gab, Adolf Edgar Licho,
Emil Lind, Max Landa usw. gut aufgehoben. Die einzige
Frau des Stückes, die Fürstin Priska Wendolin=Ratzeburg, fand in
Ilka Grüning eine vornehme, liebenswürdige Vertreterin.
H. Th.—
A
27. EinkFliederbusch
Zeitung: Deutsche Warte
Adresse: Berlin
9. 9EZ.1917
Datum:
Theater und Mustk
Lessing=Theater
Zum ersten Male: „Fink und Fliederbu.
Komödie in drei Akten von Arthu-Schuu#er#
gesetzt von Victor Barnowsky.
Ein Journalistenstück. Bei der gestrigen Erstaufführung im
Lessing=Theater, der Vorstellungen in Wien und Frankfurt a. M.
vorangegangen sind, mit lebhaftem Beifall, aber auch mit Zischen
von einer kleinen Anzahl von Zuhörern, sogar mit Pfeisen auf
dem Hausschlüssel von einem Besucher vom hohen Olymp herab
bedacht. Zu diesen Kundgebungen des Unwillens lag kein Anlaß
vor. Schnitzlers Stück verträgt freilich schlecht einen Vergleich
mit Gustav Frehtans klassischem Lustspiel „Die Journalisten“
en'hält aber nicht geringe Werte und Reize. Die Mißvergnügten
nahmen wahrscheinlich Anstoß an der üblen Umwelt, in die der
Dichter die Vertreter des Journalismus hineingestellt hat.
Schnitzler ist nun einmal der führende Schilderer einer zerfallen¬
den Welt, einer nervös zerrütteten Zeit. Die Beweise der Kraft
und des selbstlosen Opfersinns, die in den blutigen Kriegsjahren
gegeben worden sind, scheinen auf diese bleichsüchtigen Beobachter
ihrer Zeit wenig Eindruck gemacht zu haben. Der Wiener Schnitz¬
ler sieht auch im Journalismus vor allem die Schattenseiten.
Und wer wollte leugnen, daß auf diesem für charakterlose Menschen
so verführerischen Boden auch viel Sumpf= und Giftpflanzen er¬
wachsen sind? Aber eine Verallgemeinerung ist eine Torheit, sie
verkennt den aufreibenden Fleiß, den sittlichen Ernst, womit in
der Presse gearbeitet wird. Gerade die Vertreter des anständigen
Journalismus werden trotzdem mitlachen über die Humore, die
Schnitzler von der Zeitungswelt ausgehen läßt, über die sehr
lustigen, wenn auch mit geringem Wirklichkeitssinn gezeichneten
Szenen, in denen er die verschiedensten Exemplare von Zeitungs¬
leuten vorführt.
Den geringsten Anstoß wird man vernünftigerweise an der
Person des Titelbelden nehmen, der sowohl Fink als Flieder¬
busch ist. Kann Freytags Schmock rechts wie links schreiben,
so
kann der Held der Schnitzlerschen Komödie mehr.
Dieser Ueberschmock kann rechts und links zu gleicher
Zeit schreiben. Als Fliederbusch ist er Mitarbeiter der
domokratischen Zeitung „Die Gegenwart“ als Fink Mitarbeiter
des konserrativen Wochenblattes „Die elegante Zeit" Wofür er
in dem einen Blatt eintritt, das bekämpft er in dem anderen.
Der Gipfel der lustigen Entwicklung ist ein Duell, das er mit sich
selber annehmen muß. Dieser Fink Fliederbusch ist nun nicht etwa
ohne weiteres ein Gesinnungskump. Nein, er hat überhaupt keine
Ueberzeugung. Er geht, wie das bei Tausenden von Menschen in
ihrer Berufstätigkeit der Fall ist, völlig im Technischen der Arbeit auf,
ist darum stets ein leichtes Opfer der auf ihn gerade einwirkenden
Einflüsse und ist dabei ein tüchtiger Arbeiter für die Aufgaben, die
ihm jedesmal gestellt sind. Ganz ernsthaft, ohne sich zu verspotten,
fragt sich Fink=Fliederbusch, ob er eigentlich Fink oder Fliederbusch
sei. „Ein Fliederbusch, den es gelegentlich juckt, einen Fink zu:
spielen...? Oder ein geborener Fink, der nur durch einen Irrtum
box 33/3
des Schicksals als ein Fliederbusch auf die Welt gekommen ist ...?“
Der Schmock in Freytags „Journalisten“ wird gebührend ab¬
gefertigt, dem Ueberschmock endet die Tragikomödie seines Wesens
nicht tragisch, sondern komisch. Der junge Mann, der in seinen
Häutungen Entwicklungsphasen sieht, geht, als auf dem Schauplatz
des „Duells“ die Aufklärung erfolgt, umworben von verschiedenen
Verlegern, als Held — und Gefallener des Tages hervor.
Die Aufführung, für die die umsichtige Leitung des Herrn
Victor Barnowsty ein wohltuendes flottes Tempo vorgeschrie¬
ben hatte, enachte die Komödie zu einer sehr lustigen Sache, so daß
im Zuschauerraum viel und herzluh gelacht wurde. Albert
Bassermann gab den Titelhelden. Seine meisterhafte Dar¬
stellung des Fink=Fliederbusch als eines Jünglings, dessen naive
Lebensauffassung den Aerger über seine charakterlosen Streiche ent¬
waffnet, machte diese Figur glaubhaft und das Stück verständlich.
Sein Gegenspieler, der Graf Gisbert Niederhof, der ebenfalls keine
Ueberzeugung hat, sondern alles, auch die Politik, als Sport be¬
treibt, erhielt durch das natürliche, unaufdringliche Spiel Ferdi¬
nand Bonns ausgezeichnete Verkörperung. Die verschiedenen
Journalisiengestalten waren bei Kurt Götz, der dem allesmachen¬
den Schmock Kajetan belustigende Züge gab, Adolf Edgar Licho,
Emil Lind, Max Landa usw. gut aufgehoben. Die einzige
Frau des Stückes, die Fürstin Priska Wendolin=Ratzeburg, fand in
Ilka Grüning eine vornehme, liebenswürdige Vertreterin.
H. Th.—
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