II, Theaterstücke 27, Fink und Fliederbusch. Komödie in drei Akten (Journalisten, Der Unsichtbare und die zwei Schatten), Seite 195

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27. Finkund Ffiederbngen
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Frankfurter Nachrichten
und Intelligenz Blatt
Frankfurt a. M.
ler mit Shaw. Der große Unterschied zwischen
Berliner Theater.
Beiden ist fretlich, daß Shaw imstande ist, Men¬
schen wirklich zwie= und mehrspältig schillern zu
Des Wieners Arihur Schnitl###
assen, während Schnitzter gezwungen ist, seine
nalistenkomödie,
erichsen zufolge,
Auffassung teils einem Grafen für ein viel zu
nirgends ein freundliches Schicksal gehabt hat:
geschettes Feuilleton, teils seinem Doppelhelden
in Berlin ward ihr immerhin die Auszeih¬
für ein paar Monologe unterzuschieben. Am
nunig, daß man sich heftig um sie balgte. Durch
Ende erscheint der Adel erheblich zynischer als
Pochrufe, die das Stück überschätzten, gellten
die Presse und die These von dem Gegensatz zwi¬
Pfisse,
zu wichtig nahmen. Es ist
der Absicht stecken geblieben, ohne daß unzwei¬ schen Monomanen und Sportsleuten — nämlich
deutig klar wird, welche Absicht Schnitzler zwischen Menschen, die von einer Idee besessen
sind, und Menschen, die sich, unbekümmert um
eigentlich hatte. „Fink und Fliederbusch' gleichen
Zweck und Ziel und Ethos auf jedem Gebiet
einander nicht etwa bloß wie ein Holzapfel
die höchste Leistung, den Rekord abverlangen —
einem Holzapfel, sondern
sind derselbe
zwar ausgesprochen, aber weder verfochten noch
Holzapfel. Fliederbusch schreibt für ein libe¬
gar gestaltet. Es ist zu wenig. Es ist so wenig,
tales Tagesblatt liberal und polemisiert in
daß man sich schließlich nur fragt, ob man sich
einem feudalen Salonwochenklaischblättchen un¬
ausreichend amüsiert hat. Nach der Lektüre er¬
ter dem Namen Fink gegen Fliederbusch oder
widert man: Nein. Nach der Aufführung unsres
umgekehrt. Dabei erhitzt er sich so, daß nicht
Lessing=Theaters: Nun ja, vielleicht, allenfalls,
ihm und auch nicht uns Zuschauern, aber dem
zum mindesten ganze Strecken lang. Die Jour¬
Autor für ihn ein Duell unvermeidlich wird,
nalisten hatten Gesichter, die sie bei Schnitzler
damit die spaßhafte Sttuation entstehe, wie der
nicht haben. Der Graf war Ferdinand Bonn,
Betrug zu Tage kommt, wie die beiden Chefs
der immer gewinnt, wenn er seine heimische
des begabten Jünglings förmlich eine Auktion
Mundart sprechen darf. Und Bassermann fehlte
um ihn veranstalten, und wie er sich selbst einem
zu Fink und Fliederbusch zwar die Jugend,
Grafen zuschlägt, der auf ihm eine neue Zeltung
aber nicht die Gewandtbeit, nicht die spitzbübische
errichten wird. Nicht wahr? das alles könnte
Vergnügtheit, nicht die Fähigkelt für den Dich¬
unendlich witzig sein. Es int für Schnitzler und
ter zu denken, wo diesen die Insptratien im
für drei Akte bei weltem nicht witzio genug.
Stiche gelassen hatte.
Der Grund der geringen Wirkung mag sein,
daß Schnitzler für einen Sattriker allzu skeptisch
19.
Die Satire muß Stellung nehmen: für oder
wider; sie muß sich entscheiden: so oder so. Ihr
Antrieb muß lachender Zorn sein, sonst trifft sie
daneben. Schnitzler lacht nicht, und am wenig¬
sten lacht er zornig. Er lächelt kronisch und über¬
legen, erkennt wohl, daß nicht jeder Zeltungs¬
schreiber Gesinnung hat, ist aber sofort mit Ent¬
schuldigungen bei der Hand, zum Betspiel, daß
es wichtiger fei, zu leben als aufrecht zu bleiben,
und begnügt sich auch damit nicht. Er grübelt:
Was ist Gesinnung, was Ueberzeugung? Gibt's
überhaupt dergleichen? Ist es nicht Lüge, eine
einzig zu hoben? Steht man nicht heute die
Dinge anders als gestern, und hat nicht jedes
Ting hunderi Seiteu? Hier berührt sich Schnitz¬