II, Theaterstücke 27, Fink und Fliederbusch. Komödie in drei Akten (Journalisten, Der Unsichtbare und die zwei Schatten), Seite 196

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Wien, I., Conçordlaplatz
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Berliner Theater.
Theater in der Königg#sverstraße" Die
Straße nach Stefnaych.“ Eine ernsthafte Komödie
* in hel Akten von Wilhelm Stücklen.— Lessing¬
thater: „Fink. und' Fliederbusch“ Komödie
r.
in drei Alten voft Arihnrn
Einer, der Bandlem stelische Leuchikiat zu gebeit waiß und
Aus damit zu einer lieben Hoffnung wolrd: so halten wir Wilhelm
Stücklens literarische Erscheinung nach dieser erzten Begeg¬
nung in der Erinnerung, fest. Wilhelm Stücklen versteht, zu
scharakterisieren. Gut gesehene Typen tauchen auf. der verzärtelte
reiche Mann mit der naiven Eitelkeit; der schroffe und zugleich
innerlich ein wenig sentimentale Fabrikleiter: der verträumte und
dabei seelisch stumme Affessor; der despotischeservile Beamte. Von
solchen Neben= und Hintergrunks=Figuren aber hebt sich ein völig
durchlichtetes Porträt ab: das kluge junge Mädchen ohne alle
Illusionen; eine kühle Natur, doch mit der Sehnsucht nach eroli¬
schem Erlebn's; eine Verechnende, die aber unter ihrer einenen
Scharfsicht seuset. Eine, die in ihrer Kühle Männer bestrickt und
über sich selbst die Achseln zuckt. Hedda Gabler verwandt, wenn
auch ohne alle Hysterie.
Sie ist zwischen drei Bewerber gestellt. und duech ein erotisches
Erlebnis der völlig Uneratischen kommt die Handlung in Canz:
Re läßt sich von dem Assessor, während man im Nevenzimmer aus
KTristan“ spielt, küssen; damit ist Anlaß zu einem gesellschaftlichen
Skandälchen gegeben. Wird aber somit ###s der Psychologle der
belichteten Persönlichke't der Handlungsanstoß gegeben, so bewegt
sich nunme#r die Handlung eradlin'g und wie in sicheren=Schienen
rollend welter. Nutürlich ist der Asfessor gewillt, um ihre Hand
anzuhalten; natürlich denst sie nicht daran, den einz'g Unbemittel¬
ten unter ihren Bewerbern zu mählen Sie gibt ihm den Abschied.
seine Empörung macht sich in Beleidigungen Luft Daraushin
Duell zwischen dem Fahr'kleiter und dem Assessor, dem die Kugel
die K'nnlade zerschmettert. Und dam sind beide Bewverber, der
Fabrikleiter und der Affessor, für die klihle, aber doch a em
Bmit leu abholde Schöne erledigt. Und „die Straße nach
Steinaych“ ist für sie frei geworden. S'einaych ist das Get
des reichen Mannes, und auf der Straße nach Steinaych werdin
v'elen Mägde und Knechte der einziehenden Herrin Dlumen
streuen.
Handlung und Charakleristik sind eins. Wesentlicher aber als
das Stück scheint der Verfasser, und erfreulicher als diese gute
Sicherheit der Handlungsfährung, die immer da en'steh“, wo eus
dem Innern der Charaklere heraus gearbeitet wird, ist seine Be¬
gabeing, dem Banalen seelische L#alkraft zu geben. & üalen
zeichnet so, daß die Phanlasietätigseit des Zeschauers wachgerufen
wird, und man aus einem hingeworfenen Zwanzigmarkstück auf
wirklichen Reichtum zu schlleßen gerungen ist. Dus ist es, was
mir Stücklen bemerkenswert und #e macht: wie er die Zwanzig¬
markstücke, die schließlich jeder in der Tasche führt. binwirst. Dee#i
ist die Geste des Wersenden und der Klang des Goldes! Alltäg¬
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liche Worte gewinnen bei ihm feelisches Schwergewicht. Ohne
auf Stelzen zu gehen, schweben ihm manche Sätze.
Wo etwas ist, da wird hinzugetan, das ist alte Erfahrung.
Inmitten einer sehr wohlgelungenen Aufführung des Theaters
Königgrätzerstraße erstand die aufblühende
Leistung des Fräulein Glaeßner in der Rolle der Allzu¬
klugen. Sie fesselte schon äußerlich. Manchmal einem dieser
Renalssancebildnisse gleichend, in denen ein glattes Mädchengesicht
die verräterisch blanken, die illusionslosen Augen zeigt. Im Spiel
fortschreitend, erschloß sie ohne jede Uebertreibung ein ungemein
sarbenstarkes scelisches Sein Wie sie das brachte: das sinnliche
Hingenommensein des Unsinnlichen unter dem Bann voran¬
gegangener Gespräche und unter dem Eindruck dieser Wagnerschen
Musik, wie sie sehr wissend schien, ohne etwas erfahren zu haben:
das war gewiß nicht alltägliche Kunst. Auch muß neben ihr der
Name des Herrn Pröckl (Assessor) als eines sehr Ehrlichen
genannt werden.
Auf der Bühne des Lessingtheaters in Schnitz¬
lers Komödie „Fink und Fliederbusch“ erzwang sich
diesmal Herr Bassermann nachdenkliche Beachtung. Als
einen völlig Harmlosen stellte er den doppelzüngigen Journalisten
dar. Ein Naturbursah mit Sportallüren. Einér, der kein ge¬
satteltes Pferd stehen sehen kann, ohne sich in den Saltel zu
schwingen, und den die eigenen gespannten Sehnen jucken. Ein
Pulversaß, das jeder aufblitzende Gedanke zur Explosion bringt.
So also gab Herr Bassermann (und Herr Bonn suchte diese
Auffassung in der Rolle des Geafen Niederhof zu unterstützen)
den doppelzüngigen Journalisten: ein wenig durch mangelnde
Jugendlichkeit behindert, aber mit sicherer und aus dem Inneren
erwachsender Gestaltungskraft und mit gezügeltem Temperament.
Herr Bassermann gab derort den denkbr besten, stumm¬
beredten Kommentar zu dem, was Arthur Schnitzler in seiner
neuen L ödie vorgeschwebt hat. Ich glaube, sie ist weder als
Journe enstück, noch gar als Satire zu bewerten. Sie greift
das alte Schnitzlersche Thema von Spiel und Wirklichkeit, das im
„Grünen Kakadu“ restlos gestaltet war, von neuem an. Nur aus
dem Spieltrieh heraus wird dieser Tagesschriftsteller doppelzung g.
Jedes gesattelte Pferd lockt den Gespornten. Nur im Spiel ist
Lebenssülle Sehr weit aber, und welter als sonst, liegt das Er¬
reichte diesmal von Schnitzlers Zielen ab Man braucht den
Grundgedanken nur einen Augenblick nachzudenken, um zu ge¬
wahren, daß die Handlung, abseits der Charakleristik, sich ihr ger
wundenes, irregeketetes Bett sucht. Und in diesem Flu bett##t
Pll.
kein lebendiges Wasser.