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27. Eink-und Frjederbusch
der Medaille sah: der schon vor Pilatus den Satz der Komödie. Vielleicht weil sie österreichischen
Lokalton hat. Ihre innere Ueberlegenheit tut ein
erfunden haben könnte: „Was ist Wahrheit?“
übriges, auf die Herren Eintaaschronisten zu
(Wahrheit ist: was sich mit besseren Gründen
drücken. Seine Base, die Fürstin Priska, wandelt
stützen läßt; wie aber, wenn jede Auffassung mit
ziemlich farblos als einzige Frau unter lanter
gleich guten Gründen verteidigt werden kann?)
Männern, wenn auch nicht unter lautern Män¬
Mein Freund Karneades hat immerhin die sophi¬
nern, durch eine liebeleere Komödie.
stische Freude an der Argumentation für sich.
Die Aufführung des Lessing=Theaters litt für
Schnitzlers Geschöpf, ein Verwandlungskünstler
mein Empfinden verderblich unter der Besetzung
der Feder, hat den Mangel an Ueberzeugungs¬
der Titelrolle durch Herrn Bassermann. Er hatte
treue gegen sich. Grotesk, ihn mit realistischen Ge¬
einen Frechdacks von bestrickender Jugendlichkeit
stalten aus der Redaktionsstube zu umgeben. Noch
zu spielen; er glaubte, ihn mit dalberndem Getue
grotesker das durch Personalunion der Gegner
bewältigen zu können. Unmöglich! Wie er mitt
verhinderte Duell; fast schon burlesk wie der Zwei¬
übler Grandezia und gecuälter Grazie, stelzbeinig,
kampf in Shakespeares „Was ihr wollt“.
und selbstgefällig sich in Szene setzte, das erinnerte
Ein Einfall — Tristan Vernard soll den giei¬
schmerzlich an den verstorbenen Beerbohm Trees
chen gehabt haben — war die Urzelle der Schnitz¬
wenn er in vorgerückteren Jahren den letzten
lerschen Komödie. Die Einfälle für ihre Ausge¬
Dandy zu machen suchte. Durch wohltuends
staltung stellen sich nur spärlich ein. Die Arbeit
Schlichtheit, die ihm nicht als Patengeschenk in
liebäugelt damit, wenn es schon nicht in ihrer
die Wiege gelegt wurde, stach hiervon Herr Bonn
Absicht lag, ein Journalistenstück up-to-date zu
als adliger Pserde= und Menschenkenner ab. Man¬
sein; Journalisten werden mit Recht finden, daß
stand fast unter dem Eindruck, als könnt' ein
es von einem Außenseiter stammt. Wenn Tages¬
Komödiant einen Künstler lehren. Die Angestells¬
schriftsteller so viel schwatzten, käme nie ein Artikel
ten der einander bchdenden Zeitungen boten
zustande. Wenn sie nicht korrumpierter wären als
alles auf, ihren Episoden Blut einzuträufeln, was
die Herren der „Gegenwart“, dürfte sich die Wie¬
einigen von ihnen in Anlehnung an lebends
ner Presse sehr, sehr anständig nennen. Schnitzlers
Modelle in unterhaltender Weise gelang. Dock
Stellung ihr gegenüber wird nicht recht ersichtlich.
das ist kein Kunststück.
Wollte er spiegeln, so stellte er einen Zerrspiegel
Ein Fliederbusch mit vielen Blüten füllte dass
auf; wollte er geißeln, so traf er nicht den emp¬
Parkett und gab sich redlich Mühe, einen Erfolgs
findlichen Körperteil; wollte er lachend die Wahr¬
zu erzwingen; doch von oben pfiff ein Fink, daß
heit sagen, so hat sich dieses Lachen nicht auf die
es eine Art hatte oder eher unartig. Eine Eini¬
Hörer erstreckt. Bei vielen Gegenständen mag es
gung der Parteien war nicht zu erzielen. Alss
schwer sein, die Satire nicht zu schreiben; bei den
schließlich Direktor Barnowsky dankend erschieng
Journalisten, diesen Glückspilzen, ist es offenbar
meinte ein Ausharrender, der den Dichter durchaus
schwer, die Satire zu schreiben. Auch Schnitzler
sehen wollte, zu seiner Frau: „Siehste, wer haben's
hat sie nicht geschrieben. Mehr zu Hause fühlt er
jeschafft!“ Solche Zeitgenossen bevölkern jetzt die
sich bei den von ihm gehätschelten Aristokraten.
Theater.
Sein Graf Niederhof — Politiker, Sportsmann,
M. M. 4
ernüchterter Unternehmer — ist die echieste Gestalt! 9. Dezember.
27. Eink-und Frjederbusch
der Medaille sah: der schon vor Pilatus den Satz der Komödie. Vielleicht weil sie österreichischen
Lokalton hat. Ihre innere Ueberlegenheit tut ein
erfunden haben könnte: „Was ist Wahrheit?“
übriges, auf die Herren Eintaaschronisten zu
(Wahrheit ist: was sich mit besseren Gründen
drücken. Seine Base, die Fürstin Priska, wandelt
stützen läßt; wie aber, wenn jede Auffassung mit
ziemlich farblos als einzige Frau unter lanter
gleich guten Gründen verteidigt werden kann?)
Männern, wenn auch nicht unter lautern Män¬
Mein Freund Karneades hat immerhin die sophi¬
nern, durch eine liebeleere Komödie.
stische Freude an der Argumentation für sich.
Die Aufführung des Lessing=Theaters litt für
Schnitzlers Geschöpf, ein Verwandlungskünstler
mein Empfinden verderblich unter der Besetzung
der Feder, hat den Mangel an Ueberzeugungs¬
der Titelrolle durch Herrn Bassermann. Er hatte
treue gegen sich. Grotesk, ihn mit realistischen Ge¬
einen Frechdacks von bestrickender Jugendlichkeit
stalten aus der Redaktionsstube zu umgeben. Noch
zu spielen; er glaubte, ihn mit dalberndem Getue
grotesker das durch Personalunion der Gegner
bewältigen zu können. Unmöglich! Wie er mitt
verhinderte Duell; fast schon burlesk wie der Zwei¬
übler Grandezia und gecuälter Grazie, stelzbeinig,
kampf in Shakespeares „Was ihr wollt“.
und selbstgefällig sich in Szene setzte, das erinnerte
Ein Einfall — Tristan Vernard soll den giei¬
schmerzlich an den verstorbenen Beerbohm Trees
chen gehabt haben — war die Urzelle der Schnitz¬
wenn er in vorgerückteren Jahren den letzten
lerschen Komödie. Die Einfälle für ihre Ausge¬
Dandy zu machen suchte. Durch wohltuends
staltung stellen sich nur spärlich ein. Die Arbeit
Schlichtheit, die ihm nicht als Patengeschenk in
liebäugelt damit, wenn es schon nicht in ihrer
die Wiege gelegt wurde, stach hiervon Herr Bonn
Absicht lag, ein Journalistenstück up-to-date zu
als adliger Pserde= und Menschenkenner ab. Man¬
sein; Journalisten werden mit Recht finden, daß
stand fast unter dem Eindruck, als könnt' ein
es von einem Außenseiter stammt. Wenn Tages¬
Komödiant einen Künstler lehren. Die Angestells¬
schriftsteller so viel schwatzten, käme nie ein Artikel
ten der einander bchdenden Zeitungen boten
zustande. Wenn sie nicht korrumpierter wären als
alles auf, ihren Episoden Blut einzuträufeln, was
die Herren der „Gegenwart“, dürfte sich die Wie¬
einigen von ihnen in Anlehnung an lebends
ner Presse sehr, sehr anständig nennen. Schnitzlers
Modelle in unterhaltender Weise gelang. Dock
Stellung ihr gegenüber wird nicht recht ersichtlich.
das ist kein Kunststück.
Wollte er spiegeln, so stellte er einen Zerrspiegel
Ein Fliederbusch mit vielen Blüten füllte dass
auf; wollte er geißeln, so traf er nicht den emp¬
Parkett und gab sich redlich Mühe, einen Erfolgs
findlichen Körperteil; wollte er lachend die Wahr¬
zu erzwingen; doch von oben pfiff ein Fink, daß
heit sagen, so hat sich dieses Lachen nicht auf die
es eine Art hatte oder eher unartig. Eine Eini¬
Hörer erstreckt. Bei vielen Gegenständen mag es
gung der Parteien war nicht zu erzielen. Alss
schwer sein, die Satire nicht zu schreiben; bei den
schließlich Direktor Barnowsky dankend erschieng
Journalisten, diesen Glückspilzen, ist es offenbar
meinte ein Ausharrender, der den Dichter durchaus
schwer, die Satire zu schreiben. Auch Schnitzler
sehen wollte, zu seiner Frau: „Siehste, wer haben's
hat sie nicht geschrieben. Mehr zu Hause fühlt er
jeschafft!“ Solche Zeitgenossen bevölkern jetzt die
sich bei den von ihm gehätschelten Aristokraten.
Theater.
Sein Graf Niederhof — Politiker, Sportsmann,
M. M. 4
ernüchterter Unternehmer — ist die echieste Gestalt! 9. Dezember.