II, Theaterstücke 27, Fink und Fliederbusch. Komödie in drei Akten (Journalisten, Der Unsichtbare und die zwei Schatten), Seite 226

27. Fink und Fliederbusch box 33/4
ein kultivierter gräflicher Typus, Frau Serda eine liebens¬
sollten. Er bestimmte für den nächsten Abend Fortsetzung, und
würdige, in Komödienstil reizvoll plaudernde Fürstin. Brahm
ich bat um die Ehre, ihm in meiner Wohnung Revanche geben
stellte einen samosen Kajetan hin, Abguß des seligen Schmock.
zu dürfen. Er nahm an, und ich verabredete mit seiner alten
Ellmar skizzierte seinen Styx mit einigen flotten Strichen.
Dienerin Pauline, die hochbetagt noch jetzt als Hüterin des
Die von Montor inszenierte Aufführung fand freundlichen
Museums in denselben Räumen haust, wie damals, daß sie mit¬
E. K.
Beifall.
komme und uns das Abendessen nach Liszts Gewohnheit her¬
richten möge. So geschah's Als wir uns an den Spieltisch
setzten, sagte er in launigem Tone: „Heute spieren wir nur um
Konzert des St. Michaelis-Kirchenchore
drei Pfennige den Point“. Und er verlor wieder. Von da ab
zum Belten des Roten Kreuzes.
spielten wir überhaupt nicht mehr um Geld, sondern verabredeten
Wenn man die Entwicklungsgeschichte der Künste als konkrete
wenn wir merkten, daß er schlechte Karten bekommen hatte, daß
Aeußerungsform derjenigen der Menschheit betrachtet, dann bie¬
seinem Partner unter dem Tisch von den Mitspielenden gute
ten Konzerte wie das vorgestrige unter Sittards Leitung eine
Karten zugesteckt werden sollten. Und so gewann er zu seiner
Quelle von mancherlei Beobachtungen interessantester Art. Des
Freude viele Spiele, ja, als er einmal ein „groß Schlemm“ ge¬
fünfundachtzigjährigen Verdi hochragendes Te Deum haben
macht hatte, rief er freudestrahlend aus: „Holla, man kann also
doch noch was anderes, als Klavier spielen!“
vir, ebenso wie die an genialen Zügen reiche i= moll=Messe
Bruckners, vor einem Vierteljahr, in günstigener räumlicher
Umgebung, ebenfalls unter Sittard — und, um es vorweg zu
Hue Konst und Leben.
sagen, auch wesentlich schöner — gehört. Da bei der damaligen
Erstaufführung beider Werke in Hamburg ausführlich auf ihren
Deutschee Schauspielbaue.
scelischen Gehalt und die ihnen innewohnende Bedeutung einge¬
gangen wurde,*) dürfen wir uns diesmal kurz fassen. Der Mi¬
Erstaufführung: Fink und Fliederbusch.
chaeliskirchenchor die Knabenchöre von St. Jakobi und St. Mi¬
Der neue Schnitzler dürfte ein alter Schnitzler sein. Aus den
chaclis, das Musikfreunde=Orchester und die Solisten (Käte Neu¬
tiefsten Tiefen seines Schreibtischs. Man sagt, daß es sich um
gebauer, Annie Millitzer, Georg Walter und Al¬
eine bislang ängstlich gehütete Jugendarbeit handele, und wenn
bert Fischer) vereinten ihr Bestreben mit dem des Dirige#ten,
ist
zwar diese Vorsicht verständ¬
das zutrifft, dann
ohne in Einzelheiten über die Tatsache hinwegtäuschen zu lönnen,

weshalb
lich, nicht aber verständlich,
Schnitzler
daß das Saison=Ende merkbare Abspannung — nicht nur für
zuböserletzt doch außer acht ließ und seinen Namen
den Hörer, — mit sich gebracht hat. Bei aller Wertschätzung für
öffentlich mit einem Werke verknüpfte, das des Anatol¬
den ausgezeichneten Musiker Sittard, welche hier wohl nicht mehr
schöpfers nicht würdig ist. Was will diese Komodie sein? Gegen¬
unterstrichen zu werden braucht, ließ sich nicht verkennen, daß seine.
stück zu den nun schon ein wenig verstaubten Gestalten der
Wiedergabe der Verwandlungsmusik und Schlu߬
Freytag'schen Komödie? Ach, die Herren um Freund Bolz sind
szene aus dem ersten Akt des „Parsifal“ mancherlei
uns in Art und Brauch erheblich sympathischer als diese schmalen
berechtigte Wünsche unerfüllt ließ. Das innere Verhältnis des
Schatten werfenden Figuren. Satire auf das Wesen des mo¬
protestantischen Kirchenmusikers Sittard zu den inbrünstigen Er¬
dernen Journalismus? Sie geht weit vorbei und gibt in ihren
hebungen dieser, nach Erlösung von Gott und Welt strebenden
humorlosen Verzerrungen nur ein falsches Bild von einem
und in ihren Wirkungen ungeheuren Kunst blieb ungeklärt, die
Stande, der ohnehin in der allgemeinen Beurteilung mit falschen
Flut ihrer tief im Mystischen wurzelnden Ekstase ohne Durch¬
Anschauungen zu kämpfen hat. Man müßte protestieren, wenn
bruchskraft. Der rege Besuch des Konzerts ließ günstige Schlüsse
der Anlaß lohnte. Schnitzlerschen Geistes ist diese Arbeit nicht.
auf das Erträgnis der Veranstaltung zu.
Einzig im Schlußakt leuchtet in sast programmatischer Schärfe
Geistigkeit und aus dem Spiel der Dialektik ergibt sich etwas
von dem feinen leisen Skeptizismus, von der klugen und nach¬
denklichen Art des lebensweisen Schnitzlers Da fallen Worte,
Gefange- und Canzkunft.
die typisch für ihn sind, der mit gelassener Ironie, spöttischer
„Gesangs= unb Tanzkunst“.
Freude das Weltbild in sich aufnimmt, blitzen Gedanken, die aus
Ein kleines Häuflein Menschen hatte sich im Thalia=Theater
dem Buch pessimistischer Weisheiten sein könnten, auf dessen
Seiten er sich unvergeßlich eingetragen. Das ist eine Viertel¬
zur Mittagszeit eingefunden, um die in Aussicht gestellte Gesangs¬
stunde, die man als köstlich zu überschätzen geneigt ist, weil man
und Tanzkunst zu genießen. Es wurde aber ein Erleiden, und
sich eine Stunde vorher in der sträflichsten aller Welten befand:
zwar ein bitterliches. Das Ganze abgestimmt auf eine welt¬
in der Welt der Langeweile. Unter harmlos gruppierten, witz¬
schmerzlich=sentimentale Note. Eine Orgie symbolischer Ausdeu¬
los bewegten Possenpuppen. Wirklich, dieser neue Schnitzler muß
tung. Ein heißes Bemühen, besondere Absonderlichkeiten zu fin¬
seine Quelle in vergangenen Jahren haben, sonst dürfte einem
den und sie dem profanen Laien als Kunst vorzuführen.
um den allerneuesten bange werden.
Heinrich Lang gab den rechts und links schreibenden Jüng¬
)Hamburgischer Correspondent vom 14. Februar 1918, Mor¬
ling — Fink und Fliederbusch — mit mäßiger Linne. Humor
gen=Ausgabe.
aus Eigenem, hier notwendige Ergänzung, fehlte. Rhil war

6. 8
Parnger —Gecsienelent
26ts