II, Theaterstücke 27, Fink und Fliederbusch. Komödie in drei Akten (Journalisten, Der Unsichtbare und die zwei Schatten), Seite 246

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Eink-und Friederbusen
Hans Teßmer, Der Redakteur in der modernen Literatur
Gerichte, welche Satan für die Neuesten kocht, in den
der die Dichtungen der weit über hundert bekannten
allerkleinsten Bissen durchkosten, darum müssen Sie
und noch im Werden begriffenen Minnesänger aus
uns schon etwas zugute halten. Der tägliche Arger
vielen Winkeln hervorsuchte und sorgfältig zu einem
über das Verfehlte und Schlechte, die ewigen Auf¬
Ganzen vereinigte, als eine Art wissenschaftlich=künst¬
das arbeitet in
regungen über alles mögliche, —
lerischen Redakteurs anzusehen. Von ihm zum mo¬
dem Menschen. Zu Anfang ballt man die Faust,
dernen Tagesredakteur ist ein weiter Weg.
später gewöhnt man sich, darüber zu spotten. Wer
Die Zeitung als Kampfmittel, die Presse in ihrer
immer für den Tag arbeitet, ist es bei dem nicht auch
Bedeutung für die Politik, den Redakteur als Ver¬
natürlich, daß er in den Tag hinein lebt?“ — Doch
treter einer öffentlichen Meinung, als Typus einer
freilich: selbst dieser Versuch der inneren Deutung
durch ihr Milieu und ihre beruflichen Aufgaben be¬
steht heute nur noch als ein ziemlich oft angewendeter
stimmten Gesellschaftsschicht versucht eben Freytag
Gemeinplatz da. Und Freytags Stück verblaßt gegen¬
in den „Journalisten“ erstmalig auf die Bühne zu
über den frischen Farben und geistreichen Abwand¬
bringen. Von der klassisch gewordenen Figur des
lungen des zur Diskussion stehenden Themas in Arthur
Schmock, der „nach jeder Richtung schreiben kann“,
Schnitzlers Komödie „Fink und Flieder¬
abgesehen, zeichnet Freytag zwei verschiedenartige
busch“, die als= Bühnenwerk gleichermaßen Auf¬
Typen des Redakteurs: Professor Oldendorf, den
sehen erregte, wie sie abgelehnt wurde. Grund für
Leitartikler par excellence, und Bolz, den breitspuri¬
diese Ablehnung war — wie vielleicht auch bei ähn¬
gen Alleskönner, wie er in der kleinen Provinzpresse
lichen neueren Stücken, die den Journalismus persi¬
besonders begehrt ist. Oldendorf hat sich um
flieren — wohl nicht zuletzt in einer Verletztheit des
nichts zu kümmern, als um die politische Nichtung
Standesbewußtseins der literarischen und Theater¬
des freisinnigen Blattes, um die Verteidigung der
krntik zu suchen. Allerdings geht Schnitzler seinen
hinter ihm stehenden Partei, und es werden, freilich
Gestalten und Problemen mit größerer Verve zu
recht zahm, die inneren Kämpfe gezeigt, in die er einer
Leibe, als der Ahne des Journalistenstückes. Streug
gegen seine besten Freunde zu führenden Wahlkam¬
unterschieden werden in der Nedaktion der Tages¬
pagne halber gerät. Dagegen: Bolz, — er kann reden
zeitung „Die Gegenwart“ die Nessorts der Lokal=,
wie ein Buch; seine Bibel ist das Konversations¬
Feuilleton= und politischen Redakteure; in ständiger
lexikon; er ist immer fabelhaft beschäftigt, ständig
Witzelei hinüber und herüber werden die Nichtigkeiten
auf der Suche nach Neuem, stets bereit, durch Lügen
jeder Sparte aufgedeckt, wird ihr Wesen in scharf
eine winzige Notiz zur Staatsaktion aufzubauschen,
gesehenen Typen profiliert. Nur dann und wann
nie verlegen um Auswege, wenn journalistischer Über¬
erhebt sich diese satirische Betrachtungsweise ins All¬
eifer ihn in Sackgassen geraten läßt. Seine Moral
gemein=Menschliche des Berufs. Und auch bei Schnitz¬
und sein Berufsbekenntnis, das er allen Mitarbeitern
ler ist das Nesultat dann ein negatives. Der Lokal¬
predigt, lautet: „Es gibt so vieles, was geschieht,
redakteur Frühbeck verteidigt gleich in einer der ersten
und so ungeheuer vieles, was nicht ge¬
Szenen seine Nubrik gegen jede andere; die seinige
schieht, daß es einem ehrlichen Zeitungsschreiber
sei die unbedingt wichtigste. Und nun zählt er auf;
nie an Neuigkeiten fehlen darf.“ Bolz ist immer
was er dort alles an interessanten und aufregenden
„mitten drin“, ganz gleich, ob es sich um Politik,
Dingen bringt, z. B. auch „Wiederauftreten der
Wirtschaftsfragen, um Angelegenheiten des Feuille¬
Reblaus“, — und kommt zu dem maßlos bornierten
tons oder des lokalen Teiles handelt; überall hat er
Schluß: „Ja, wenn irgendwo im Namen der Politik
seine Witterung, — und es ist unzweifelhaft richtig
gemetzelt oder geschändet wird, dann bilden sich auch
und wahr, daß darin ein wesentlicher Bestandteil
die andern Leut' ein, sie interessieren sich für Politik.
des geborenen journalistischen Talents zu sehen ist.
Aber das ist eben nur Einbildung. Nehmen Sie den
Nicht zuletzt ist Bolz Geschäftsmann. Schmock beklagt
Ereignissen ihren trügerischen Parfüm von zukünf¬
sich: „Mein Nedakteur ist ein ungerechter Mensch. Er
tiger Weltgeschichte, was bleibt übrig —? Die Reb¬
streicht zu viel und bezahlt zu wenig.“ Auch das
laus.“ — Und der Chefredakteur Leuchter wird,
gehört ja leider zum Beruf des leitenden Redakteurs;
gelegentlich einer Beratung mit seinen Redakteuren,
der geschickte Notstift; der geübte Blick fürs Honorar¬
in wenigen Sätzen typisiert: „Der Artikel ist gewiß
konto. Doch freilich: all das sieht heute, in den
kein Meisterwerk, er verrät sogar deutlich den An¬
großen Städten wenigstens, schon wesentlich anders
fänger, aber — es ist Stellungnahme darin; und
aus, als Freytags für damalige Zustände unerhört
wir haben Stellung zu nehmen, meine
ironische Feder es zeichnete. Und all seine Satire scheint
Herren, besonders in einer politisch so bewegten Zeit.“
heute schon recht trocken, beinahe oberflächlich gegen¬
Derselbe Leuchter (—schon im Namen beginnt, wie
über den riesigen Ausmaßen, die der Journalismus
auch bei den übrigen Hauptpersonen des Stückes,
als äußerlicher Faktor, aber auch als inneres Problem
Schnitzlers Satire —) spricht gegen den Schluß zu
inzwischen angenommen hat. Nur ein einziges Mal
Fliederbusch, dem Demokraten, der sich selbst als
steigt der Dichter in die psychologischen Gründe des
konservativer Fink (beim Konkurrenzblatt) gefordert
Journalistentums; das ist im dritten Akt, wo Bolz
hat (— das Schmock=Prinzip auf die Spitze ge¬
zu Adelheid sagt: „Wir Zeitungsschreiber füttern
unsern Geist mit Tagesneuigkeiten; wir müssen alle trieben! —), das große Wort gelassen aus: „Wissen