II, Theaterstücke 27, Fink und Fliederbusch. Komödie in drei Akten (Journalisten, Der Unsichtbare und die zwei Schatten), Seite 247

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27. Einkund Fliederbusch
Hans Teßmer, Der Redakteur in der modernen Literatur
Sie, was Sie getan haben? Sie haben ad ab¬
aus dem ersten Akt sei angeführt, in welchem der
surdum geführt. Ich weiß zwar nicht genau,
Verleger Sterner (— vielmehr Wedelind durch ihn —)
was, aber Siehaben.“ Da überschlägt sich die Satire,
seine Auffassung vom selbstverständlichen Hochstapler¬
und grell tauchen für einen Augenblick die unerfind¬
tum der Presse kundgibt: „Man bringt ein Zeitungs¬
lichen Abgründe aller Journalistik, alles Pressewesens
blatt lediglich durch gerichtliche Konfiskationen in
auf. Das verblüffte Publikum ist mit den dargestellten
die Höhe. Man bringt ein Zeitungsblatt nur da¬
— nicht von dem
Personen ad absurdum geführt,
durch in die Höhe, daß man es alle drei Wochen ein¬
Doppelwesen Fink=Fliederbusch, sondern vom Wesen
mal aus diesem oder jenem Grunde durch den Staats¬
anwalt konfiszieren läßt.“
der Presse überhaupt. Und jedem wird minutenlang
In einem älteren Stück
der Bluff fühlbar; denn: „die Zeitungen schwindeln
von Arno Holz, den „Sozialaristokraten“.
ja doch alle“ —, nicht wahr?
gar versteigt sich der Buchdrucker Werner zu der
Reklameidee, daß der Chefredakteur des „Sozial¬
Einen etwas abseits stehenden Fall greift Alexan¬
aristokraten“ Dr. Gehrke, eine von der Polizei der
der Zinn in seiner neuesten Komödie „Schle¬
Redaktion diktierte Strafe absitzen müsse, da er ja
mihl“ heraus. Da handelt es sich einmal darum,
doch für alles verantwortlich sei: „Na, wozu krijn Se
daß der kleine Nachtredakteur Salomon Mandelzweig
denn Ihrn Jehalt als Redaktöhr? Wenn wat is,
mit einem in einer höheren Auswallung geschriebenen
missen Se't ebm absitzen!“ (Wie der Chefredakteur
Stück unendliche Schwierigkeiten bis zur Aufführung
dann diese Strafe ab, sitzt“, wird recht ergötzlich im
zu überwinden hat, — weil er der Presse der be¬
dritten Akt gezeigt.) Hier taucht zum erstenmal im
treffenden Stadt angehört. Dagegen könnte man mit
Drama die Type des Sitzredakteurs auf, der
Fug und Recht einwenden: Warum geht der gute
auch heute noch in jeder Nedaktion als „Verantwort¬
Mann mit seinem Stück nicht an eine andere Bühne?
licher Redakteur“ jene ein wenig mittelalterlich schei¬
Doch die Tragikomödie liegt tiefer: dies eine
nende Verpflichtung übernimmt, für die Sünden seines
Werk hat Mandelzweig hoffend und sehnsuchtsvoll
Blattes oder seines Ressorts vor Gericht einzustehen.
gestaltet; ein zweites wird ihm, besonders nach dem
Doch: wir leben ja — angeblich — im Zeitalter der
Durchfall des ersten, nie mehr gelingen, denn: die
Pressefreiheit.
Zeitung „hat“ ihn; zwischen den Nädern der all¬
Ungleich öfter als im Drama wird in der mo¬
mächtigen Presse wird er allmählich zerrieben, er
dernen erzählenden Literatur der Redakteur (und sein
hat seinen Schatten verkauft, einen Teil seines Da¬
Milien natürlich) zum Gegenstande der Betrachtung
seins der Zeitung verschrieben; er ist ein Schlemihl,
gemacht, und es ist auffällig, daß im Gegensatz zur
der in diesem Beruf innerlich stirbt, ohne es zu
fast ausschließlichen Satire des Journalistenstückes die
spüren. So sagt der Musikkritiker Peter Knurr von
Presse und ihre Vertreter im Roman meistens unter
ihm: „Da ist — einer tot; aber er weiß es noch nicht.“
sehr ernsten Gesichtspunkten betrachtet werden.
Solch Schicksal könnte tragisch wirken, wäre es nicht
In der „Nacht des Doktor Herzfeld“ von
eben an diesen Beruf gebunden. — Ins Groteske
Georg Hermann interessiert neben dem Dr. Herz¬
aber reicht eine Gestalt, die Herbert Eulenberg
feld vor allem die Tragikomödie des alternden Lite¬
in seinem Schauspiel „Der Irrgarten“ zeichnet.
raten Hermann Gutzeit, von dem es einmal heißt:
Das ist der Nachtredakteur Venediger. Auch er ist
„er tat dieses und jenes zugleich, wie ein Redakteur
bis zu einem gewissen Grade Karikatur, wie fast alle
eben immer gewohnt sei, drei Dinge auf einmal
hier genannten Journalistentypen; doch eben: Type
zu tun.“ Ganz nebenher ist damit das Nervöse, Zer¬
ist er nicht. Er lebt mit den Geheimnissen der Nacht;
rissene des Berufs gestreift, die Unmöglichkeit, in
sein Beruf hat ihn gelehrt: die Dinge des Tages
die Zukunft hinein sich zu befestigen. — Auch Ernst
zu verachten; von den Menschen hält er nicht
Heilborn läßt in seinem Entwicklungsroman
mehr viel: „Ich sag' Ihnen, diese kurze Be¬
„Josua Kersten“ Streiflichter aufleuchten. Dieser
rührung mit der Menschheit genügt für mich wieder
Josua wird unter anderm Redakteur in einer Zeit¬
auf einige Jahre mindestens.“ Venediger ist,
schrift und muß sich von einem der ältesten Mitarbeiter
gleich dem Schlemihl, in seinem Innern ein Opfer des
den Vorwurf gefallen lassen, daß er nicht zum Jour¬
nervenzerrüttenden Berufs, ein Opfer des Nurfürden¬
nalisten geboren sei; auf Josuas Frage „warum?“
tagarbeitens, des Hineinlebens in eine Welt der Lüge,
lautet die ironische Antwort: „Weil Sie von Zeit
des Bluffs. Seine Verachtung ist nicht Snobismus,
zu Zeit einen Gedanken haben.“ — Später kommt
sondern ist wesentlicher Kern eines im Journalismus
Kersten in die Redaktion einer liberalen Kleinstadt¬
gewonnenen Pessimismus.
zeitung, die aus geschäftlichen Gründen doch die An¬
Da wir beim Drama sind: auch Wedekind
noncen des konservativen Kriegervereins aufnehmen
bringt, in der Satire „Oaha“, Nedakteurtypen auf
muß. Da schwinden alle Ideale vor der Notwendig¬
die Bühne; doch es sind nicht die gewohnten Figuren,
keit: „Es gilt nur die Interessen sanft und ruhig
sondern es handelt sich hier um die Gründer und
auszugleichen.“ Die Nichtigkeit des Berufs, die latente
Herausgeber des „Simplicissimus“. Und da Wede¬
Korruption liegt in diesem schlichten Satz nackt zu¬
lind an ihnen lediglich seine bissigste Satire ausläßt,
tage; und die Verhältnisse der Kleinstadt geben hier,
so ist sein Stück für die an unser Thema geknüpften
wie ja in vielen Dingen, ein viel gewichtigeres und
Betrachtungen weniger wichtig. Ein einziger Abschnitt, ungeschminkteres Bild als die stets doch mehr oder
La
Sanniter, ein Geißter menschlicher Torheit — nicht
aber der geniale Humorist, der er ist. Der Wider¬
spruch zwischen dem Urteil Goethes und dem Urteil
Voßlers läßt sich vielleicht lösen durch die Formel:
ean