II, Theaterstücke 27, Fink und Fliederbusch. Komödie in drei Akten (Journalisten, Der Unsichtbare und die zwei Schatten), Seite 256

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27. Einkund Fljederbusch
1398
Kurze Anzeigen: Paul — Albert Ludwig, Fliederbusch der Unsterbliche
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dritte Abschnitt beschäftigen sich vor allem mit sprach¬
1977 die erste Auflage des Buches in seiner „Geschichte des
geschichtlichen Problemen, während erst der vierte der
Kgl. Theaters zu Berlin“ jedem Dichter, Schauspieler und
Geschichtswissenschaft an sich gewidmet ist. Darin liegt
Maler „auf das dringendste“ empfohlen, „besonders denen,
eine gewisse Stärke, aber auch für den jungen Historiker,
welche sich mit dem Unterricht junger schauspielerischer
Bernheims „Lehrbuch“
der eine Art Auszug aus E.
Talente beschäftigen". Dieser Wunsch Brachvogels ist wohl
vermutete, eine gewisse Enttäuschung. Wenn Paul der
kaum in Erfüllung gegangen; die theoretisch=wissenschaft¬
geschichtlichen Forschung als Hauptaufgabe den Schutz früher
liche Orientierung wird schon zu deutlich durch die über¬
geschaffener Kulturwerte vor dem Untergang und ihre
mäßige Belastung mit Auseinandersetzungen über literarische
Erweckung zu neuem Leben zuweist (S. 53), so ist mir dies
Vorgänger in solchen Untersuchungen. Den medizinisch¬
selbst unter Einbeziehung der auf S. 56 umrissenen zweiten
physiologischen Teilen des Buches stehe ich natürlich nur
Aufgabe zu wenig, sobald ich es mit der Definition ver¬
laienhaft=aufnehmend gegenüber, aber man erkennt doch
gleiche, die der erwähnte Bernheim auf S. 9 der sechsten
die Brauchbarkeit der Untersuchungsmethode, die immer
Auflage seiner Methodenlehre (1908) entwickelt. Daran
danach fragt und nur das gelten läßt, wenn sich für den
erkennt man die ausgesprochen philologische Herkunft der
mimischen Vorgang oder das physiognomische Merkmal
paulschen Ausführungen. Ein innerer Widerspruch scheint
der Einfluß einer Seelentätigkeit zeigen läßt, was auch
mir vorzuliegen, wenn einmal (S. 20) jede unmittelbare
wiederum nur an bestimmten Teilen, besonders an
Wirkung von Seele auf Seele geleugnet, ein andermal
den Muskeln, möglich ist, so daß so etwas wie die gallsche
(auf S. 32) überzeugend die Abhängigkeit des einzelnen
Schädellehre und dann auch Lavaters die ganze Angelegen¬
von seinen Mitmenschen unumwunden zugegeben wird
heit mißkreditierender schwärmerischer Physiognomie=Dilet¬
(„fremder Wille greift fortwährend in sein Dasein ein, sei
tantismus in ihrer Unmöglichkeit deutlich werden. Die
es fördernd oder hemmend"). Überrascht hat mich die
Gefahren, Unsicherheiten und Einschränkungen, denen phy¬
kühne, wenn auch zweifellos richtige Bildung eines Plurals
siognomische Untersuchungen durch Gewohnheit, besondere
von Schall: „manche Wörter sind für uns nur leere
Beschäftigung, Nachahmungstrieb, Temperament, Alter und
Schälle“ (S. 49). Auf S. 6 lies in der letzten Zeile:
ähnliches ausgesetzt sind, würdigt Piderit sehr wohl und zieht
gesetzmäßiger.
seinen Schluß nur da, wo der physiologische Zusammen¬
hang, warum man die Lippen gerade so und die Augen
Grunewald=Berlin Hans F. Helmolt
nicht anders und die Stirnfalten senkrecht stellt, möglichst
eindeutig geklärt ist. Dann aber ist das Ergebnis oft —
eine platte Binsenwahrheit. Was ist das für eine Er¬
Literargeschichtliche Anmerkungen
kenntnis, die formuliert wird: „Den pedantischen Blick
findet man bei Menschen, welche ängstlich an ihren Eigen¬
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heiten... festhalten und sich nur mit Widerwillen zum
Neuen wenden, d. h. bei Pedanten“ (S. 69) oder „Der
Fliederbusch der Unsterbliche
sanfte Blick... deutet auf Sanftmütigkeit“ (S. 210).
Von Albert Ludwig (Berlin=Lichtenberg)
Darum der Aufwand?! Und es ist nachgerade Aufklärerei,
[Zustav Freytag ist einmal eine Überraschung be¬
wenn buchstäblich der Rat erteilt wird, „man schiebe die
0 sonderer Art beschert worden. 1854 hatte ihm zum
Unterredung auf und komme zu gelegenerer Zeit wieder“
erstenmai der ganz große Ersolg gelächelt: „Die
falls man bei einem Menschen den man zu wichtiger Be¬
Journalisten“ waren von Publikum und Kritik warm
sprechung aufsucht, sonst nicht vorhandene senkrechte Stirn¬
begrüßt worden. Nicht nur, daß der glückliche Dichter das
falten beobachtet. Damit ist wohl das Negativste an dem
Gefühl haben durfte, politische Gegensätze der Zeit auf
Buche deutlich gemacht. Auch mit der (im wesentlichen
dem Boden des Lustspiels überwunden zu haben, darüber
durchaus ernster Betrachtung würdigen) Graphologie, die
hinaus hatte er einen neuen Stoffbereich erschlossen, hatte
ebenfalls durch dilettantische Pfuscher in Verruf geraten
den Mitlebenden einen Einblick in die idealen Bestrebungen
ist, geht es wissenschaftlich nur langsam vorwärts. Wenn
und schwachen Menschlichkeiten, die Leiden und Freuden
aber im Gebiete der Physiognomik Fortschritte gemacht
verschafft, wie sie die Welt der eben erst heraufkommenden
werden sollen, so kann es, denke ich, nur geschehen, wenn
Leiter der politischen öffentlichen Meinung erfüllten. Wenn
man mit soviel Besonnenheit, Zurückhaltung und Vorsicht
jemals, so war er doch diesmal, da er eigenstes Erleben
an die Sache herangeht, wie es in diesem Buch geschieht,
und Erfahren gestaltete, original gewesen — Zeitgenossen
für das die große Zahl von Abbildungen nicht nur nützlich,
und Literaturgeschichte haben es ihm auch gern bestätigt.
sondern sogar notwendig ist. Der Schauspieler wird das
Aber es soll sich niemand überheben. Wenige Menschen
Buch in seiner Handbibliothek nicht gerade nötig haben;
werden Freytag seit den Fünfzigerjahren näher gestanden
wenn er aber zu lesen versteht, wird er nicht ohne einigen
haben als der spätere Verleger seiner Bücher, der fein¬
Gewinn bleiben. Mehr hat vielleicht der Maler davon; was
gebildete, kluge und liebenswürdige, altem schweizer Pa¬
soll aber ein Dichter mit dem Buch anfangen?
triziergeschlecht entsprossene leipziger Buchhändler Salomon
Haus Knudsen
Berlin=Steglitz
Hirzel. Der war ein großer Sammler vor dem Herrn
der Ruhm seiner Goethebibliothek ertönt heute noch
Aufgabe und Methode der Geschichtswissenschaften.
jedem, der sich nur ein wenig dem Bezirke neuerer Literatur¬
Von Hermann Paul. Berlin und Leipzig 1920. Ver¬
wissenschaft naht — zu den Sendungen mancherlei Art, mit
einigung wissenschaftlicher Verleger Walter de Gruyter
denen er seinen Freund Freytag in dessen sieblebener
& Co. III, 57 S.
Sommerzeit zu erfreuen pflegte, fügte er nun im September
Wer eine zuverlässige Einführung in die Theorien des
1856 einmal ein schmales Heftlein, und wir mögen uns
münchener Altmeisters der deutschen Philologie, in Pauls
wohl denken, daß seine Lippen dabei jenes „salomonische“.
„Prinzipien der Sprachgeschichte“ (vierte Auflage 1909)
Lächeln umspielte, mit dem ihn die seinem Kreise Nahe¬
und in seinen „Grundriß der germanischen Philologie“
stehenden so gern zu necken pflegten. Freytag aber hat
(dritte Auflage 1911 ff.) wünscht, dem kann ich nicht
große Augen gemacht, denn bei der Gabe handelte es sich
genug das Studium der vorliegenden Abhandlung emp¬
um nichts anderes als um ein Gegenstück zu seiner jüngsten
fehlen. Mit einer von Jahrzehnte langer Empirie zeugenden
dramatischen Schöpfung, um ein verschollenes Lustspiel
kristallhellen Klarheit, wie sie sonst in geschichtsphilosophi¬
des damals schon mehr als halb vergessenen Literaten
schen Schriften kaum anzutreffen ist, werden einem die
1—1839), und auf dem
Johann Stephan Schütze (1
Grundlagen und Anfänge der historischen Wissenschaften
Titelblatt stand über Verfassernamen und Druckort (Leipzig
so pädagogisch und methodisch erschlossen, daß man den
1806) schön deutlich „Die Journalisten“
ersten Abschnitt gut und gern eine „Enzyklopädie der
Freytag hat den ein halbes Jahrhundert älteren
Wissenschaften“ in der Westentasche, einen verjüngten
„Boeckh=Bratuscheck“ taufen könnte. Der zweite und der Zwilling eiligst gelesen und am 5. September 1856 also