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27. Einkund Fliederbusch
1400
Heinrich von Treitschke, Gutachten zum Schillerpreis
1399
begierig erwartet, wie das eine Mal der Doktor Flieder¬
an Hirzel geschrieben: „Ferner den entschiedensten Dank
busch seinen Rivalen Virkenstock zerfleischen wird und dafür
für die Journalisten. Sie können denien, daß sie mir viel
in der nächsten Nummer der feindlichen Zeitung von
Freude gemacht haben, zunächst wegen merkwürdiger Ahn¬
Birkenstock hingerichtet werden wird, daß aber in Wirk¬
lichkeiten, dann aber auch wegen der Verschiedenheiten.
lichkeit die beiden wilden Kämpen innigste Herzensfreunde
Es wird, wenn die Herren Schütze und Freytag einer un¬
sind und ihre Fehde nur zum Zwecke besseren Absatzes ihrer
dankbaren Nachwelt gleichgültige Namen sein werden, noch
Blätter erfunden haben.
von höchstem Interesse sein, die Ausbildung deutscher
Hat denn nun Schnitzler bei Schütze den schönen Namen
Empfindung und Verhältnisse an dergleichen Ahnlichkeiten
Fliederbusch gefunden und dazu dann noch an Stelle der
und Verschiedenheiten zu messen. So kindisch uns die
beiden sich bis aufs Blut bekriegenden Freunde den einen
in der Tat noch das alte
schützesche Lustspielschablone
so bewunderswert doppelseitigen Tintenhelden gesetzt? Ich
Hanswursttheater — vorkommt und wie embryonisch diese
brauche gar nicht erst zu sagen, daß auch in diesem Fall
belletristische Tagespresse, ebenso wird man in fünfzig
von einer nur im geringsten als peinlich zu empfindenden
Jahren unsere Journalisten als ein Abbild lindlicher Pre߬
man braucht über
Entiehnung keine Rede sein kann
und Bildungszustände betrachten können. Hoffentlich auch
Schützes Werklein nur die oben gegebene freytagsche Brief¬
einen Fortschritt bemerken.“
stelle zu lesen, um jeden Gedanken an solche Torheit zu
Worin die Ahnlichkeiten, die Freytag selbst feststellt,
bannen — aber ich glaube persönlich nicht einmal an irgend¬
bestehen, brauche ich nicht im einzelnen darzulegen; wer
welche unmittelbare Beziehung; Freytags Schicksal hat
näheres darüber wissen will, findet in Hans Lindaus
sich vielmehr bei Schnitzler wiederholt. Der erste, der
Freytagbiographie Auskunft. Die Verwandtschaft beider
mindestens hier für unsern Zusammenhang Journalisten auf
Stücke beruht auf ihrem Stoffe: zu dessen Lebenselementen
die Bühne stellte, hat bei aller kindlichen Harmlosigkeit
scheinen zwei sich befehdende Blätter ein für allemal zu
doch schon gewisse typische Züge erfaßt; zu den oben ange¬
gehören, ferner dürfte seit der Erfindung der Zeitungen
deuteten gehört auch der, daß Zeitungsschreiber kluge,
der Wunsch, die eigene maßgebliche Meinung gedruckt zu
geistig bewegliche Leute sind, die in ihrem Blatt notwendig
sehen, die reichlich vorhandenen Mußestunden mit einigem
einseitig sein müssen, die sich aber dessen bewußt sind,
Temperament gesegneter Biedermänner beunruhigt haben,
daß sehr viele Dinge, von einer andern Seite angesehen,
endlich ruft die Einführung der Liebe in diese Welt auch
sich einigermaßen anders ausnehmen. In Freytags glück¬
sehr leicht verwandte Erfindungen hervor.
lichen Tagen ergab das die Figur des Schmock — wenn
Uns geht hier mehr an, daß Freytag sich im Geiste
heute, wie Freytag ja wollte, der Blick von Fliederbusch
in das übernächste Geschlecht versetzte und von der Zeit
auf Schmock zurückgeht, so wird man sogar auch den statt¬
sprach, da auch seine „Journalisten“ als kulturgeschicht¬
gehabten Fortschritt bemerken. Nämlich für Schmock: der
liches Denkmal wirken würden; sagte er es auch nicht aus¬
ist zum Helden vorgerückt und darf zum Schluß als
drücklich, so lag doch wohl auch ihm der Gedanke an eine
Triumphator von der Bühne schreiten — der Fortschritt;
künftige dramatische Spiegelung des. Zeitungswesens nahe,
den Freytag erhoffte, ist's nun freilich nicht.
die sich zu seinem Werk etwa verhalten möchte wie dies zu
Kann es aber auch als Zufall gelten, daß Schühze,
dem Erzeugnis des braven Schütze. Es hat allerdings etwas
seinem Helden den duftenden Namen Fliederbusch gab
mehr als fünfzig Jahre gedauert, bis unser Theater eine
und Schnitzler mehr als hundert Jahre später dieselbe
etwas anspruchsvollere Journalistenkomödie erhalten hat,
Taufe vollzog? Der Name gehört doch nicht zu den
aber gekommen ist sie schließlich doch: 1917, also dreiund¬
typischen Zügen, deren Andeutung wir Schütze zuerkannten
sechzig Jahre nach dem fröhlichen Erscheinen von Bolz,
(im Elysium wird ihm etwas bange werden ob seines
Bellmaus und Schmock, ging Arthur=Schnitzlers „Fink
Ruhmes)! Je nun, der Zufall spielt wunderlich, und wenn
und Fliederbusch“ über die Bretter.
so manche gemeinsame Linien sich durch die Journalistenstücke
Nun soll hier nicht die Bedeutung von Schnitzlers
eines Jahrhunderts hindurchziehen, ohne daß doch unmittel¬
Journalistenstück für das Lebenswerk des Dichters und für
bare Beziehungen zwischen ihnen beständen (abgesehen davon,
die deutsche Bühne irgendwie näher erörtert werden, ich
daß Freytags Stück Schnitzter natürlich nicht unbekannt sein
will keinen Vergleich seiner Vorzüge oder Mängel mit
wird), so ist wohl der mystische Glaube nicht unzulässig,
Freytags Lustspiel versuchen (es ist das übrigens von
daß Schütze in einer besonders- geweihten Stunde den
A. von Weilen schon geschehen und kann im LE XX, 402 f.
Fliederbusch zum Taufpaten erwählt hat und nun der
leicht nachgelesen werden), wie es mit alledem auch stehen
Musenführer Apollo nicht zulassen will, daß der Name
mag, die Gabe Schnitzlers, also einer der bestimmenden
schwindet. Das Prophezeien haben wir uns zwar alle
Gestalten unserer neueren Dichtung, darf beanspruchen,
abgewöhnt, und dennoch: wenn Chidher, der ewig junge, sich
als ein für Schätzung und Beurteilung mindestens gewisser
für Journalistenstücke interessierte und nach abermals fünfzig
Seiten des heutigen Zeitungslebens und seiner Männer
oder sechzig Jahren das nächste der Reihe musterte: wer
wichtiges Zeugnis zu gelten, und auf jeden Fall wird
weiß, ob er da nicht den alten Schütze immer noch lebendig
Schnitzler so gut wie Freytag das Gefühl gehabt haben,
fände und mit ihm das Kind seiner Laune — den un¬
ein durch und durch modernes Werk geschaffen zu haben.
sterblichen Fliederbusch.
Salomon Herzels Bücherlust ermöglicht es trotzdem,
Schnitzler dieselbe heitere Überraschung zu bereiten wie
seinem Vorgänger. Bekanntlich handelt es sich bei Schnitzler
darum, daß der junge Journalist Fliederbusch unter dem
Namen Fink in einer aristokratischen Kreisen nahestehenden
Zeitgeschichtliche Anmerkungen
Zeitung das Hohelied des Adels und der konservatwen
VII
Weltanschauung singt, während er im demokratischen Blatt
den bittersten Hohn über den Snob ergießt, der sich im
Gutachten zum Schillerpreis
Glanze der vornehmen Leute sonnt und einer Sache
dient, die ihm innerlich fremd sein muß. Es liegt natür¬
Von Heinrich von Treitschke
lich nahe, an Schmock zu denken und seinen berühmten Aus¬
rch die freundliche Vermittlung eines unserer Mit¬
spruch: „Ich kann schreiben rechts, ich kann schreiben links“;
aber sehr niedlich ist es doch vor allem, daß in Schützes
D arbeiter sind wir in der Lage, das folgende, bisher
Lustspiel der eine Journalist ausgerechnet — Fliederbusch
unveröffentlichte Gutachten, das Heinrich von
Treitschke auf eine Aufforderung hin dem Preußischen
heißt. Sehr hübsch ist es ferner, daß die Stadt, in der
die schützeschen „Journalisten“ spielen, in heller Aufregung
Kultusministerium erstattete, bekannt zu geben. Es darf
nicht nur ein zeitgeschichtliches Interesse beanspruchen, es
lebt über den wilden Streit, der zwischen ihren beiden
zu Urgroßvaters Zeiten hießen sie
wird auch, und in hohem Maße, für die bevorstehende
Blättlein tobt
„Der Strickbeutel“ und „Der Haarbeutel“ — daß man Reorganisation der Stiftung bedeutsam:
Arc aler.
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27. Einkund Fliederbusch
1400
Heinrich von Treitschke, Gutachten zum Schillerpreis
1399
begierig erwartet, wie das eine Mal der Doktor Flieder¬
an Hirzel geschrieben: „Ferner den entschiedensten Dank
busch seinen Rivalen Virkenstock zerfleischen wird und dafür
für die Journalisten. Sie können denien, daß sie mir viel
in der nächsten Nummer der feindlichen Zeitung von
Freude gemacht haben, zunächst wegen merkwürdiger Ahn¬
Birkenstock hingerichtet werden wird, daß aber in Wirk¬
lichkeiten, dann aber auch wegen der Verschiedenheiten.
lichkeit die beiden wilden Kämpen innigste Herzensfreunde
Es wird, wenn die Herren Schütze und Freytag einer un¬
sind und ihre Fehde nur zum Zwecke besseren Absatzes ihrer
dankbaren Nachwelt gleichgültige Namen sein werden, noch
Blätter erfunden haben.
von höchstem Interesse sein, die Ausbildung deutscher
Hat denn nun Schnitzler bei Schütze den schönen Namen
Empfindung und Verhältnisse an dergleichen Ahnlichkeiten
Fliederbusch gefunden und dazu dann noch an Stelle der
und Verschiedenheiten zu messen. So kindisch uns die
beiden sich bis aufs Blut bekriegenden Freunde den einen
in der Tat noch das alte
schützesche Lustspielschablone
so bewunderswert doppelseitigen Tintenhelden gesetzt? Ich
Hanswursttheater — vorkommt und wie embryonisch diese
brauche gar nicht erst zu sagen, daß auch in diesem Fall
belletristische Tagespresse, ebenso wird man in fünfzig
von einer nur im geringsten als peinlich zu empfindenden
Jahren unsere Journalisten als ein Abbild lindlicher Pre߬
man braucht über
Entiehnung keine Rede sein kann
und Bildungszustände betrachten können. Hoffentlich auch
Schützes Werklein nur die oben gegebene freytagsche Brief¬
einen Fortschritt bemerken.“
stelle zu lesen, um jeden Gedanken an solche Torheit zu
Worin die Ahnlichkeiten, die Freytag selbst feststellt,
bannen — aber ich glaube persönlich nicht einmal an irgend¬
bestehen, brauche ich nicht im einzelnen darzulegen; wer
welche unmittelbare Beziehung; Freytags Schicksal hat
näheres darüber wissen will, findet in Hans Lindaus
sich vielmehr bei Schnitzler wiederholt. Der erste, der
Freytagbiographie Auskunft. Die Verwandtschaft beider
mindestens hier für unsern Zusammenhang Journalisten auf
Stücke beruht auf ihrem Stoffe: zu dessen Lebenselementen
die Bühne stellte, hat bei aller kindlichen Harmlosigkeit
scheinen zwei sich befehdende Blätter ein für allemal zu
doch schon gewisse typische Züge erfaßt; zu den oben ange¬
gehören, ferner dürfte seit der Erfindung der Zeitungen
deuteten gehört auch der, daß Zeitungsschreiber kluge,
der Wunsch, die eigene maßgebliche Meinung gedruckt zu
geistig bewegliche Leute sind, die in ihrem Blatt notwendig
sehen, die reichlich vorhandenen Mußestunden mit einigem
einseitig sein müssen, die sich aber dessen bewußt sind,
Temperament gesegneter Biedermänner beunruhigt haben,
daß sehr viele Dinge, von einer andern Seite angesehen,
endlich ruft die Einführung der Liebe in diese Welt auch
sich einigermaßen anders ausnehmen. In Freytags glück¬
sehr leicht verwandte Erfindungen hervor.
lichen Tagen ergab das die Figur des Schmock — wenn
Uns geht hier mehr an, daß Freytag sich im Geiste
heute, wie Freytag ja wollte, der Blick von Fliederbusch
in das übernächste Geschlecht versetzte und von der Zeit
auf Schmock zurückgeht, so wird man sogar auch den statt¬
sprach, da auch seine „Journalisten“ als kulturgeschicht¬
gehabten Fortschritt bemerken. Nämlich für Schmock: der
liches Denkmal wirken würden; sagte er es auch nicht aus¬
ist zum Helden vorgerückt und darf zum Schluß als
drücklich, so lag doch wohl auch ihm der Gedanke an eine
Triumphator von der Bühne schreiten — der Fortschritt;
künftige dramatische Spiegelung des. Zeitungswesens nahe,
den Freytag erhoffte, ist's nun freilich nicht.
die sich zu seinem Werk etwa verhalten möchte wie dies zu
Kann es aber auch als Zufall gelten, daß Schühze,
dem Erzeugnis des braven Schütze. Es hat allerdings etwas
seinem Helden den duftenden Namen Fliederbusch gab
mehr als fünfzig Jahre gedauert, bis unser Theater eine
und Schnitzler mehr als hundert Jahre später dieselbe
etwas anspruchsvollere Journalistenkomödie erhalten hat,
Taufe vollzog? Der Name gehört doch nicht zu den
aber gekommen ist sie schließlich doch: 1917, also dreiund¬
typischen Zügen, deren Andeutung wir Schütze zuerkannten
sechzig Jahre nach dem fröhlichen Erscheinen von Bolz,
(im Elysium wird ihm etwas bange werden ob seines
Bellmaus und Schmock, ging Arthur=Schnitzlers „Fink
Ruhmes)! Je nun, der Zufall spielt wunderlich, und wenn
und Fliederbusch“ über die Bretter.
so manche gemeinsame Linien sich durch die Journalistenstücke
Nun soll hier nicht die Bedeutung von Schnitzlers
eines Jahrhunderts hindurchziehen, ohne daß doch unmittel¬
Journalistenstück für das Lebenswerk des Dichters und für
bare Beziehungen zwischen ihnen beständen (abgesehen davon,
die deutsche Bühne irgendwie näher erörtert werden, ich
daß Freytags Stück Schnitzter natürlich nicht unbekannt sein
will keinen Vergleich seiner Vorzüge oder Mängel mit
wird), so ist wohl der mystische Glaube nicht unzulässig,
Freytags Lustspiel versuchen (es ist das übrigens von
daß Schütze in einer besonders- geweihten Stunde den
A. von Weilen schon geschehen und kann im LE XX, 402 f.
Fliederbusch zum Taufpaten erwählt hat und nun der
leicht nachgelesen werden), wie es mit alledem auch stehen
Musenführer Apollo nicht zulassen will, daß der Name
mag, die Gabe Schnitzlers, also einer der bestimmenden
schwindet. Das Prophezeien haben wir uns zwar alle
Gestalten unserer neueren Dichtung, darf beanspruchen,
abgewöhnt, und dennoch: wenn Chidher, der ewig junge, sich
als ein für Schätzung und Beurteilung mindestens gewisser
für Journalistenstücke interessierte und nach abermals fünfzig
Seiten des heutigen Zeitungslebens und seiner Männer
oder sechzig Jahren das nächste der Reihe musterte: wer
wichtiges Zeugnis zu gelten, und auf jeden Fall wird
weiß, ob er da nicht den alten Schütze immer noch lebendig
Schnitzler so gut wie Freytag das Gefühl gehabt haben,
fände und mit ihm das Kind seiner Laune — den un¬
ein durch und durch modernes Werk geschaffen zu haben.
sterblichen Fliederbusch.
Salomon Herzels Bücherlust ermöglicht es trotzdem,
Schnitzler dieselbe heitere Überraschung zu bereiten wie
seinem Vorgänger. Bekanntlich handelt es sich bei Schnitzler
darum, daß der junge Journalist Fliederbusch unter dem
Namen Fink in einer aristokratischen Kreisen nahestehenden
Zeitgeschichtliche Anmerkungen
Zeitung das Hohelied des Adels und der konservatwen
VII
Weltanschauung singt, während er im demokratischen Blatt
den bittersten Hohn über den Snob ergießt, der sich im
Gutachten zum Schillerpreis
Glanze der vornehmen Leute sonnt und einer Sache
dient, die ihm innerlich fremd sein muß. Es liegt natür¬
Von Heinrich von Treitschke
lich nahe, an Schmock zu denken und seinen berühmten Aus¬
rch die freundliche Vermittlung eines unserer Mit¬
spruch: „Ich kann schreiben rechts, ich kann schreiben links“;
aber sehr niedlich ist es doch vor allem, daß in Schützes
D arbeiter sind wir in der Lage, das folgende, bisher
Lustspiel der eine Journalist ausgerechnet — Fliederbusch
unveröffentlichte Gutachten, das Heinrich von
Treitschke auf eine Aufforderung hin dem Preußischen
heißt. Sehr hübsch ist es ferner, daß die Stadt, in der
die schützeschen „Journalisten“ spielen, in heller Aufregung
Kultusministerium erstattete, bekannt zu geben. Es darf
nicht nur ein zeitgeschichtliches Interesse beanspruchen, es
lebt über den wilden Streit, der zwischen ihren beiden
zu Urgroßvaters Zeiten hießen sie
wird auch, und in hohem Maße, für die bevorstehende
Blättlein tobt
„Der Strickbeutel“ und „Der Haarbeutel“ — daß man Reorganisation der Stiftung bedeutsam:
Arc aler.