II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 21

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26.1. Kongedie der Norte—zuklus
Prager Tagblatt Nr. 284
mit ihm verheiratet, nun will sie die Gattin des
Doktors der Chemie Wernig werden, den sie in
zwischen näher kennen gelernt hat. Sie wolle
es Dr. Staufner gleich sagen. Der hat sich in das
Gebirge zurückgezogen, um sein Glück, „Das
Bacchusfest“, zu vollenden. Das Bacchusfest bestan
bei den Griechen darin, daß einenal in jedem Jahre
zur Zeit der Weinlese, für eine Nacht alle Band¬
der Familie, alle Gebote der Sitte einfach ausge
hoben waren. Bei Anbruch des Tages war da
Fest vorbei, und jeder Teilnehmer war verpflichtet
zu vergessen, mit wem er für seinen Teil im heili
gen Hain das Fest gefeiert hatte. Einander wieder
zuerkennen, hätte als frevelhaft gegolten. Die Fest
teilnehmer sollen zuweilen etwas ermüdet, abe
doch erfrischt, ja gewissermaßen geläutert nac
Hause wiedergekehrt sein. Wenn zwei noch an
nächsten Abend nacheinander Sehnsucht verspürten
so durfte niemand, auch nicht Ehegatten oder Eltern
die Verliebten zurückhalten. Aus dieser zweite
Liebesleben, das auch hie
Nachdruck nur mit Quellenangabe gestattet.
Nacht gab es keine Rückkehr. Das frühere Hein
Schöpfung erfüllt, es ist
war beiden verschlossen „und sie blieben für de¬
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„vergiftet von Lüge und
weiteren Verlauf des Daseins auf einander an
Feuilleton. „
und Angst, von Frechheit
gewiesen. Darum sollen so wenige Lust verspür
Lüge geflügelt Werkzeug
haben, am zweiten Abend, — außer Haus zu gehen
28,
Das Liebespaar verstcht die mythologischen Er
nur gegeben, Gedankenz
A477 Hofburgtheater.
klärungen des Herrn Staufner. Dr. Guldo Werni
sachen umhüllt es mit
fährt in entgegengesetzter Richtung ab, Herr un
(Am 12. Ottober 1915 zum ersten Male: „Komödie der
was man ausspricht, es
Frau Staufner bleiben wieder vereint noch einig
Worte.“ Drei Einakter von Artur Schnitzler. Buch¬
wo es sich zum Satze
Tage in Salzburg.
ausgabe: Berlin, S. Fischer.)
gesagt ist, es wird da
Dem Leben am nächsten kommt „Die groß
bildet, subjektive Wahrhel
Szene“; die Psyche des Schauspielers hat Schnitz
Vor dem greisen Bischof stehen der befreite Atalus,
ler wunderbar erfaßt. Das Schauspielerstück wa
zu glauben beginnt. W
der rettende Küchenjunge Leon und die kleine Aus¬
denn auch der Erfolg des Abends. Recht unwahr
hinter den Dialog sei
reißerin Edrita. Zögernd hat das wilde Fürstenkind
scheinlich sind die Vorgänge in den beiden anderei
strömung ihrer verborg
ihre Hand in die des fränkischen Werbers gelegt,
Einaktern. Die männlichen Figuren sind ebenso un
und das Gespräch war
sympathische Gestalten wie die sündigende Frau
hastig begehrt der treue Geleitsmann Urlaub, erst die
Gewand, das die Haut
Eine neue Nüance: die Männer poltern, schlagen
dringliche Mahnung des ahnenden Patriarchen bringt
und morden nicht mehr, wenn die Frauen sie betrü
geht weiter, viel weiter.
die wahren Gefühle der Drei ans Licht. Und humorvoll¬
gen, sie richten alles mit geistreichen Auseinander
nur, daß die Menschen
weise spricht der greise Kirchenfürst:
setzungen. Komödie der Worte: man belügt sich, die
und in dieser Blöße solle
Worte werden zu Komödianten.
„Wer deutet mir die buntverworrne Welt?
ob die Decke noch so di
Sie reden alle Wahrheit — sind drauf stolz,
Harry Walden hat, der Vorschrift des
Forderungen, die der 2
Und sie belügt sich selbst und ihn; er mich
Dichters entsprechend, alle drei Helden gespielt
größere aber, die er
Und wieder sie; der lügt, weil man ihm log —
eine gewiß tlcht leichte, sogar anstrengende aber
Und reden alle Wahrheit, alle alle.“
auch dankbare Aufgabe. Er hat sich auch Mühe ge¬
Zuhörer muß, was er
geben, den inneren Zusammenhang der drei
übersehen, er wird gen
Von Grillparzers „Weh dem, der lügt“ führt ein
Stücke, die beabsichtigte Aehnlichkeit der verschie¬
prozeß jenseits der
Weg zu Schnitzlers neuestem Werke, freilich ein weiter
denen Charaktere zur Geltung zu bringen. Seine
zumachen Künstlerischer
und beschwerlicher, eingeengt durch dichte Stachelzäune
Sprechkunst feierte Triumphe, ebenso die Meister¬
Arbeit, die freilich bei
der subtilsten Psychoanalyse, in denen seine Gestalten,
schaft, von einem Charakter rasch in den anderg#
ihren Lohn in sich sell
sich umzuwandeln. Die Frauenrollen traten beschei¬
oft mehr seinem Gehirn als seinem Herzen ent¬
den in den Hintergrund. Die Aufnahme dex Ein¬
Arbeit, und das naive,
sprungen, hilflos zappeln. Wie Traum und Wirklich¬
akter war sehr beifällig.
keit, Leben und Vergehen verschwimmen ihm Wahrheit werke will sich nicht rech
und Lüge in ihren Grenzen und Konturen. Unser] Dreimal führt uns
— Gastspiel Alexander Girardi. Heute er¬
öffnet Alexander Girardi im Neuen Theater
sein auf fünf Abende berechnetes Gastspiel als
Schuster Weigel in L Arronges Volksstück mit Ge¬
sang „Mein Leopold“ (274/II). Morgen
donnerstag findet die erste Aufführung des Ope¬
retten-Zyklus „Das dumme Herz“ statt. Der
Text ist von Oesterreicher und Stärk, die Musik
von C. M. Ziehrer. In den drei Bildern des
Zyklus spielt Girardi drei Brüder: einen
Uhrmacher, einen Abgeordneten und einen Amts¬
gerichtsrat, drei Charaktere, bei denen trotz aller
Verschiedenheit das „dumme" Herz, die Güte,
Sieger bleibt. Neben dem Gast sind die Damen
Erna Hübner, Rosa Fasser, Carola Rechberg,
Jella Schreiter, Wicki Wallner und die Herren
Willi Bauer, Ludwig v. d. Bruch, Otto Frieberg,
Fred Hennig, Richard Hold, Hans Ludwig, Ro¬
man Reinhardt, Rudolf Mandee, Richard Schauer
und Wilhelm Grauert beschäftigt. Die Spiel¬
leitung hat Karl Fischer, die musikalische Leitung
Bruno Zilzer (275/III).
Philharmonische Konzerte. Donnerstag
den 21. Oktober wird das neue Abonnement mit
dem I. philharmonischen Konzert eröffnet. Die