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26.1. Kongedie der Norte zyklus
130K1191:
Wiener Allgemeine Zeitung, Wien
vom:
Thegter, Kunst und Literakur.
Wien, 13. Oktober.
5
Burgtheater.
10 Ueber die gestern zum erstenmal aufgeführte Ein¬
##kter=Ttilogie „Die Komödie der Worte“ von Artur
Schnitzler wird im Feuilleton eingehend gesprochen. Hier
gilt es nur, über den äußeren großen und warmen Erfolg,
zu berichten, welcher in verschiedenen Schattierungen des
m
1
Beifalls dem Dichter wurde. Und einige Worte über diest
Aufführung zu sagen, die gutes Burgtheater repräsentiert.]
Was sich allerdings nicht schlechtweg mit dem absoluten
Ausschnitt ausossische Zeitung, Berlin
Begriff „gutes Theater“ deckt. Für die leise Vieldeutigkeit
eine modernen Dialogs besitzt das Burgtheater keinen Stil.
13041 18 15
Allerdings zum Teil, weil es keine Bühne und keinen Zu¬
vom:
schauerraum dafür besitzt. Das Unmaß der Monumen¬
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talität war das Grab der Dialogkunst. Deshalb konnte ge¬
Die Komödie der Worte. Gestern abend fand im Darm¬
trade das intimste und komplizierteste der drei Stücke, konnte
I.
städter Hoftheater die Uraufführung von Arthur Schnitzlers
die „Stunde des Erkennens“ nicht seine volle Wirkung
[„Komödie der Worte“ statt.
Dies ist der
süben. Die von den Schauspielern versuchte Haltung, die
fassende Titel für die drei Emakter „Stunden des Er¬
skennens“ „Das Bacchusfest" und „Große Szenen,.
Worte absichtslos gleiten zu lassen, führte zu Undeutlich¬
Der erste Einakter ist eine sehr geschickt und sehr spannend ge¬
skeiten, die gerade hier vermieden werden mußten. Ganz
arbeitete Szene, ein Zwiegespräch zwischen einem Arzte und
klar wirkte nur Harry Walden, weil er mit der schnei¬
seiner Braut, das die vor zehn Jahren von ihr begangene Ehe¬
Es
dendsten Schärfe die Kontur des Doktor Eckold zog.
irrung, über die der Mann seiner Tochter zuliebe zehn Jahre ge¬
schwiegen hat, zum Gegenstand hat und zur Trennung der Leute
war keine Ueberraschung mitten in der liebenswürdig
führt. Der zweite spielt in einer Bahnhofshalle. Durch die
blühenden Sentimentalität, die dieses Künstlers Marke ist,
Erzählung vom altgriechischen Bacchusfest und seiner sittlichen Be¬
eingebettet, seine Energie des Hasses zu finden. In Epi¬
deutung führt ein Schriftsteller seine junge Frau, die im Begriff
sodenrollen war sie schon oft hervorgetreten. Die finstere,
ist, mit ihrem Liebhaber auf Abwege zu geraten, wieder zu sich
zurück. Der dritte Einakter behandelt das eheliche Verhältnis
nörgelnde, an erstorbener Sehnsucht gallig gewordene Ge¬
und Zerwürfnis eines Schauspielers mit seiner Frau und zeichnet
stalt eines Menschen, dem das Leben nur Neid geweckt hat
sich durch reinspychologische Behandlung und eine prachtvolle
serstand zu voller Körperlichkeit. Als Gegenspieler, als be¬
Charakterzeichnung der Hauptrolle des Schauspielers aus. Die
drei Akte fanden sehr lebhaften Beifall.
ruhigter, über dem Leben schon stehender, abgeklärter Geist,
gab Herr Devrient Ormins Gestalt Einfachheit und Klar¬
heit. Leider steht und fällt aber die innerste Wirkung des
Stückes mit der Beseeltheit, die der Frauenrolle zuteil wird.
Frau Bleibtreu als Klara blieb hier wohl alles schul¬
dig. Von dem, was sie zu sagen hatte, sprach sie nur den
Text. Von dem, was sie verschweigen und erraten lassen
mußte, von den Dingen, die hinter den Worten liegen, schien
sie nichts zu wissen. Es war eine Leistung der guten Rou¬
tine, die an einer der bedeutendsten Aufgaben gestaltender
Schauspielkunst blind vorüberging. — Umso tiefer erfaßte
in „Große Szene“ Frau Medelsky, die Schicksals¬
ergebene, deren Wesen Wahrheit ist, und die doch von dem
Meister der Lüge, von ihrem Gatten, niemals innerlich los¬
kommen wird. Sie war ergreifend schlicht, und in aller
Natürlichkeit edlen Handwerkskönnens voll. Als Schau¬
pieler Herbot konnte Harry Walden nicht versagen.
Er holte aus der genialen Charge alles hervor. Nur das
Nehr blieb er schuldig. Nämlich die große Persönlichkeit,
velche hinter einem ganz genialen Künstler doch immer
ühlbar sein wird. Als Theaterdirektor war Herr
Tiedtke von einer so tief=gütigen Menschlichkeit, von so
jestrickender Herzenswärme, daß der äußerliche Glanz
einer pointenreichen Rolle ganz von diesem Geist des
Empfindens überstrahlt wurde. — „Das Bachusfest“ wurde
von Fräulein Wolgemut, Harry Walden und be¬
sonders von Hexrn Romberg mit guter Laune gespielt.!
□ B-Z.
26.1. Kongedie der Norte zyklus
130K1191:
Wiener Allgemeine Zeitung, Wien
vom:
Thegter, Kunst und Literakur.
Wien, 13. Oktober.
5
Burgtheater.
10 Ueber die gestern zum erstenmal aufgeführte Ein¬
##kter=Ttilogie „Die Komödie der Worte“ von Artur
Schnitzler wird im Feuilleton eingehend gesprochen. Hier
gilt es nur, über den äußeren großen und warmen Erfolg,
zu berichten, welcher in verschiedenen Schattierungen des
m
1
Beifalls dem Dichter wurde. Und einige Worte über diest
Aufführung zu sagen, die gutes Burgtheater repräsentiert.]
Was sich allerdings nicht schlechtweg mit dem absoluten
Ausschnitt ausossische Zeitung, Berlin
Begriff „gutes Theater“ deckt. Für die leise Vieldeutigkeit
eine modernen Dialogs besitzt das Burgtheater keinen Stil.
13041 18 15
Allerdings zum Teil, weil es keine Bühne und keinen Zu¬
vom:
schauerraum dafür besitzt. Das Unmaß der Monumen¬
1
talität war das Grab der Dialogkunst. Deshalb konnte ge¬
Die Komödie der Worte. Gestern abend fand im Darm¬
trade das intimste und komplizierteste der drei Stücke, konnte
I.
städter Hoftheater die Uraufführung von Arthur Schnitzlers
die „Stunde des Erkennens“ nicht seine volle Wirkung
[„Komödie der Worte“ statt.
Dies ist der
süben. Die von den Schauspielern versuchte Haltung, die
fassende Titel für die drei Emakter „Stunden des Er¬
skennens“ „Das Bacchusfest" und „Große Szenen,.
Worte absichtslos gleiten zu lassen, führte zu Undeutlich¬
Der erste Einakter ist eine sehr geschickt und sehr spannend ge¬
skeiten, die gerade hier vermieden werden mußten. Ganz
arbeitete Szene, ein Zwiegespräch zwischen einem Arzte und
klar wirkte nur Harry Walden, weil er mit der schnei¬
seiner Braut, das die vor zehn Jahren von ihr begangene Ehe¬
Es
dendsten Schärfe die Kontur des Doktor Eckold zog.
irrung, über die der Mann seiner Tochter zuliebe zehn Jahre ge¬
schwiegen hat, zum Gegenstand hat und zur Trennung der Leute
war keine Ueberraschung mitten in der liebenswürdig
führt. Der zweite spielt in einer Bahnhofshalle. Durch die
blühenden Sentimentalität, die dieses Künstlers Marke ist,
Erzählung vom altgriechischen Bacchusfest und seiner sittlichen Be¬
eingebettet, seine Energie des Hasses zu finden. In Epi¬
deutung führt ein Schriftsteller seine junge Frau, die im Begriff
sodenrollen war sie schon oft hervorgetreten. Die finstere,
ist, mit ihrem Liebhaber auf Abwege zu geraten, wieder zu sich
zurück. Der dritte Einakter behandelt das eheliche Verhältnis
nörgelnde, an erstorbener Sehnsucht gallig gewordene Ge¬
und Zerwürfnis eines Schauspielers mit seiner Frau und zeichnet
stalt eines Menschen, dem das Leben nur Neid geweckt hat
sich durch reinspychologische Behandlung und eine prachtvolle
serstand zu voller Körperlichkeit. Als Gegenspieler, als be¬
Charakterzeichnung der Hauptrolle des Schauspielers aus. Die
drei Akte fanden sehr lebhaften Beifall.
ruhigter, über dem Leben schon stehender, abgeklärter Geist,
gab Herr Devrient Ormins Gestalt Einfachheit und Klar¬
heit. Leider steht und fällt aber die innerste Wirkung des
Stückes mit der Beseeltheit, die der Frauenrolle zuteil wird.
Frau Bleibtreu als Klara blieb hier wohl alles schul¬
dig. Von dem, was sie zu sagen hatte, sprach sie nur den
Text. Von dem, was sie verschweigen und erraten lassen
mußte, von den Dingen, die hinter den Worten liegen, schien
sie nichts zu wissen. Es war eine Leistung der guten Rou¬
tine, die an einer der bedeutendsten Aufgaben gestaltender
Schauspielkunst blind vorüberging. — Umso tiefer erfaßte
in „Große Szene“ Frau Medelsky, die Schicksals¬
ergebene, deren Wesen Wahrheit ist, und die doch von dem
Meister der Lüge, von ihrem Gatten, niemals innerlich los¬
kommen wird. Sie war ergreifend schlicht, und in aller
Natürlichkeit edlen Handwerkskönnens voll. Als Schau¬
pieler Herbot konnte Harry Walden nicht versagen.
Er holte aus der genialen Charge alles hervor. Nur das
Nehr blieb er schuldig. Nämlich die große Persönlichkeit,
velche hinter einem ganz genialen Künstler doch immer
ühlbar sein wird. Als Theaterdirektor war Herr
Tiedtke von einer so tief=gütigen Menschlichkeit, von so
jestrickender Herzenswärme, daß der äußerliche Glanz
einer pointenreichen Rolle ganz von diesem Geist des
Empfindens überstrahlt wurde. — „Das Bachusfest“ wurde
von Fräulein Wolgemut, Harry Walden und be¬
sonders von Hexrn Romberg mit guter Laune gespielt.!
□ B-Z.