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26.1. Kongedie der Norte zuklus
dritten Stück wußte Herr Walden seinen Nebenbuhler aufs]
glücklichste zu frotzeln. Dieser, Herr Romberg, überraschte
durch eine wirksame trockene Komik, die ihm gute Wege in
seiner Kunst weist. Fräulein Wohlgemuth war ausnehmend
gut als hübsches und dummes Tierchen, was deswegen auffiel,
weil sie uns bisher immer in starken dramatischen Rollen erschien, für
die sie ihre imposante Gestalt und ihre statuenhafte Schönheit
zu bestimmen schien. Herr Baumgarten bewies in seiner¬
kleinen Rolle, daß eine starke komische Kraft in ihm ist, die
hnitt aus:
vielleicht im Burgtheater noch nicht zur vollen Entfaltung hat
30KT 1915 (beiler-Zeiung, Wien
kommen können. Im ganzen war die Aufführung wohl aus¬
gezeichnet. Glänzend in der Einzelleistung, vollendet im
Zusammenspiel. Also so, wie man sich das „gute Burgtheater“.
vorstellt.
Theater und Kunst.
Dachte man während der Vorstellung einen Augenblick
Burgtheater. Dienstag den 12. Oktober. Zum ersten¬
hinaus in die Welt, so ergriff der Gegensatz in seltsamer
mal: „Komödie der Worte.“ Drei Einakter von
Weise. In der großen Welt regiert heute nicht das Wort,
Arthur Schnitz Lor. Es ist wie immer bei Schnitzler:
sondern die Tat. Sie übertönt alle Worte. Aber es wird
eine durchgreifende Charakteristik der Personen, feine Psychologie
wieder die Zeit kommen, da wir aus der äußerlich grausen
und witzige Behandlung. Nur ist sein Witz so gar nicht lärmend,
und großen Zeit wieder in die größere innere Welt flüchten,
still in den Dingen und Menschen liegend, nicht aufdringlich,
deren schmerzhafte Rätsel zu ergründen für immer die Aufgabe
aber sehr wirksam. Es sind keine Dramen im Schulsinn, die
und das Ziel aller Denker und Dichter bleiben wird ...
er uns bietet, es sind Dialoge. Es geschieht nicht viel und was
Der Beifall war am stärksten nach der „Großen Szene“.
geschieht, ist innerliches Geschehen. Und es ist nicht das erste¬
Der Dichter mußte mehrmals erscheinen, ebenso nach dem
mal, daß Schnitzler jenem tiefsten Problem nachgeht, das
„Bacchusfest“
LF.
die denkenden und tieferen Menschen so quält und das so un¬
lösbar ist: das Problem der absoluten Vereinsamung der
Menschenseele, die ein ganzes Leben dahingeht, ohne in ihrer
innersten Wesenheit von den anderen Seelen verstanden zu
werden. Zwar gibt es ein Mittel des Verständnisses: die Tat.
Aber wie selten ist sie restlos auszudeuten! Sonst haben wir
nur die Worte. Die Sprache ist gewiß das feinste Werkzeug,
das sich der menschliche Verstand ersonnen hat, ein wunder¬
volles Werkzeug. Aber verstehen wir es auch, sie so zu ge¬
brauchen, daß sie ihren Zweck erfüllt? Indem wir ineinander
hineinreden, in der besten Absicht, zu verstehen und ver¬
standen zu werden, reden wir ach so oft aneinander
vorbei, von jenen Fällen zu schweigen, wo wir lügen, mit
und oft auch ohne rechtes Bewußtsein. Und so geben wir
uns nicht durch die Worte, wie wir sind, sondern spielen den
anderen nur eine Komödie vor. Wären wir uns dessen immer
bewußt, wie selten konnten wir uns gegenseitig offen ins Auge
schauen! Wie oft belügen wir die anderen und dabei uns selber
oft am meisten. Und es entsteht dann jene Menschenfeindselig¬
keit, die das Menschengeschlecht vernichten müßte, hätte uns das
gütige Geschick nicht als Gegengewicht die Sehnsucht nach dem
anderen ins Herz gesenkt. Aus dieser verzweifelten Stimmung
heraus hat Goethe gesagt:
Der Teufel hol' das Menschengeschlecht!
Man möchte rasend werden!
Da nehm' ich mir so eifrig vor:
Will niemand weiter sehen,
Will all das Volk Gott und sich selbst
Und dem Teufel überlassen!
Und kaum seh' ich ein Menschengesicht,
So hab' ich's wieder lieb.
Daß es sich bei Schnitzler auch hier um den Konflikt
zwischen Mann und Weib handelt, versteht sich fast von selbst.
Drei Männer= und drei Frauentypen führt uns Schnitzler vor:
In der „Stunde des Erkennens“ den tückisch=rach¬
süchtigen, schon etwas gemeinen Mann und das Weib, das
nicht besser gewesen sein will als tausend andere Weiber, dabei
aber neben diesem Manne zu einer gewissen schlichten Größe
aufwächst; in der „Großen Szene“ den gewissenlosen
Mann, der sich seiner inneren Gemeinheit unbewußt ist, ein
„lieber Kerl“, der ein Lump ist, und neben ihm eine schlichte,
gütige Frauennatur, der das Verständnis für seine Verständnis¬
losigkeit fehlt; im „Bacchusfest“ den Mann, der festhalten“
will, was er hat, und ihm gegenüber eine dumme Gans,
die laufen zu lassen ihm eigentlich eine Genugtuung sein müßte.
Aber er gönnt seinem Nebenbuhler, der ein Tropf ist, nicht den
Triumph. Der beherrschende Mittelpunkt jedes Stückes ist der
Ehemann, dargestellt von Herrn Walden, jedesmal der
vollendete künstlerische Ausdruck des dargestellten Charakters,
am besten wohl im zweiten Stücke, wo er den eitlen, selbst¬
gefälligen Schauspieler zu mimen hat. Es ist nicht zu zweifeln,
—
26.1. Kongedie der Norte zuklus
dritten Stück wußte Herr Walden seinen Nebenbuhler aufs]
glücklichste zu frotzeln. Dieser, Herr Romberg, überraschte
durch eine wirksame trockene Komik, die ihm gute Wege in
seiner Kunst weist. Fräulein Wohlgemuth war ausnehmend
gut als hübsches und dummes Tierchen, was deswegen auffiel,
weil sie uns bisher immer in starken dramatischen Rollen erschien, für
die sie ihre imposante Gestalt und ihre statuenhafte Schönheit
zu bestimmen schien. Herr Baumgarten bewies in seiner¬
kleinen Rolle, daß eine starke komische Kraft in ihm ist, die
hnitt aus:
vielleicht im Burgtheater noch nicht zur vollen Entfaltung hat
30KT 1915 (beiler-Zeiung, Wien
kommen können. Im ganzen war die Aufführung wohl aus¬
gezeichnet. Glänzend in der Einzelleistung, vollendet im
Zusammenspiel. Also so, wie man sich das „gute Burgtheater“.
vorstellt.
Theater und Kunst.
Dachte man während der Vorstellung einen Augenblick
Burgtheater. Dienstag den 12. Oktober. Zum ersten¬
hinaus in die Welt, so ergriff der Gegensatz in seltsamer
mal: „Komödie der Worte.“ Drei Einakter von
Weise. In der großen Welt regiert heute nicht das Wort,
Arthur Schnitz Lor. Es ist wie immer bei Schnitzler:
sondern die Tat. Sie übertönt alle Worte. Aber es wird
eine durchgreifende Charakteristik der Personen, feine Psychologie
wieder die Zeit kommen, da wir aus der äußerlich grausen
und witzige Behandlung. Nur ist sein Witz so gar nicht lärmend,
und großen Zeit wieder in die größere innere Welt flüchten,
still in den Dingen und Menschen liegend, nicht aufdringlich,
deren schmerzhafte Rätsel zu ergründen für immer die Aufgabe
aber sehr wirksam. Es sind keine Dramen im Schulsinn, die
und das Ziel aller Denker und Dichter bleiben wird ...
er uns bietet, es sind Dialoge. Es geschieht nicht viel und was
Der Beifall war am stärksten nach der „Großen Szene“.
geschieht, ist innerliches Geschehen. Und es ist nicht das erste¬
Der Dichter mußte mehrmals erscheinen, ebenso nach dem
mal, daß Schnitzler jenem tiefsten Problem nachgeht, das
„Bacchusfest“
LF.
die denkenden und tieferen Menschen so quält und das so un¬
lösbar ist: das Problem der absoluten Vereinsamung der
Menschenseele, die ein ganzes Leben dahingeht, ohne in ihrer
innersten Wesenheit von den anderen Seelen verstanden zu
werden. Zwar gibt es ein Mittel des Verständnisses: die Tat.
Aber wie selten ist sie restlos auszudeuten! Sonst haben wir
nur die Worte. Die Sprache ist gewiß das feinste Werkzeug,
das sich der menschliche Verstand ersonnen hat, ein wunder¬
volles Werkzeug. Aber verstehen wir es auch, sie so zu ge¬
brauchen, daß sie ihren Zweck erfüllt? Indem wir ineinander
hineinreden, in der besten Absicht, zu verstehen und ver¬
standen zu werden, reden wir ach so oft aneinander
vorbei, von jenen Fällen zu schweigen, wo wir lügen, mit
und oft auch ohne rechtes Bewußtsein. Und so geben wir
uns nicht durch die Worte, wie wir sind, sondern spielen den
anderen nur eine Komödie vor. Wären wir uns dessen immer
bewußt, wie selten konnten wir uns gegenseitig offen ins Auge
schauen! Wie oft belügen wir die anderen und dabei uns selber
oft am meisten. Und es entsteht dann jene Menschenfeindselig¬
keit, die das Menschengeschlecht vernichten müßte, hätte uns das
gütige Geschick nicht als Gegengewicht die Sehnsucht nach dem
anderen ins Herz gesenkt. Aus dieser verzweifelten Stimmung
heraus hat Goethe gesagt:
Der Teufel hol' das Menschengeschlecht!
Man möchte rasend werden!
Da nehm' ich mir so eifrig vor:
Will niemand weiter sehen,
Will all das Volk Gott und sich selbst
Und dem Teufel überlassen!
Und kaum seh' ich ein Menschengesicht,
So hab' ich's wieder lieb.
Daß es sich bei Schnitzler auch hier um den Konflikt
zwischen Mann und Weib handelt, versteht sich fast von selbst.
Drei Männer= und drei Frauentypen führt uns Schnitzler vor:
In der „Stunde des Erkennens“ den tückisch=rach¬
süchtigen, schon etwas gemeinen Mann und das Weib, das
nicht besser gewesen sein will als tausend andere Weiber, dabei
aber neben diesem Manne zu einer gewissen schlichten Größe
aufwächst; in der „Großen Szene“ den gewissenlosen
Mann, der sich seiner inneren Gemeinheit unbewußt ist, ein
„lieber Kerl“, der ein Lump ist, und neben ihm eine schlichte,
gütige Frauennatur, der das Verständnis für seine Verständnis¬
losigkeit fehlt; im „Bacchusfest“ den Mann, der festhalten“
will, was er hat, und ihm gegenüber eine dumme Gans,
die laufen zu lassen ihm eigentlich eine Genugtuung sein müßte.
Aber er gönnt seinem Nebenbuhler, der ein Tropf ist, nicht den
Triumph. Der beherrschende Mittelpunkt jedes Stückes ist der
Ehemann, dargestellt von Herrn Walden, jedesmal der
vollendete künstlerische Ausdruck des dargestellten Charakters,
am besten wohl im zweiten Stücke, wo er den eitlen, selbst¬
gefälligen Schauspieler zu mimen hat. Es ist nicht zu zweifeln,
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