II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 65


ihnen verabschiedete, um eine überseeische Reise anzutreten,
betrogen habe? Zehn Jahre habe er geschwiegen, nun aber
verlangte er die Scheidung von ihr, die er ja die ganze
Zeit hindurch nur als seine = Courtisaue betrachtet habe.
Diese gemeine Motivierung empört Frau Klara derart, daß
sie ihn sofort verläßt, vielleicht um Ormier aufs Schiff zu
folgen, nachdem sie diesem beim Abschied gestanden hatte
daß sic ihn geliebt, gleichwohl aber den Fehltritt, dessen
sie sich schuldig machte, mit einem andern Verehrer be¬
gangen habe.
Auf diese unerquickliche „Stunde des Erkennens“ wirkte
die „Große Szeue“, in welcher ein gefeierter Bühnen¬
held und Frauenjäger dem Bräutigam einer seiner Huldinnen
mit einer endlosen Rede, die aber viele geistreiche und er¬
erheiternde Momente bietet, die wohlbegründete Eifersucht
widerlegt, fast wie eine Erholung. Er wird dabei von
seiner Frau belauscht, die ihm schon oft einen Treubruch
verziehen hat, jetzt aber über seine Virtnosität im Lügen
und die herzlose Leichtigkeit, mit der er Liebesbande knüpft
und löst, entsetzt ist, so daß sie ihn ernstlich verlassen will.
Sie bleibt aber doch bei ihm, nachdem er schließlich im
Hamietkostüm von der Bühne weg zu ihr eilt und sie be¬
schwört, er könne nicht spielen, wenn er sie, seine Egeria,
nicht in der Loge wisse. Das schmeichelt ihrer Eitelkeit und
sic folgt ihm ins Theater.
Dieser Auftritt im Hamletkostüm macht einen direkt
possenhaften Eindruck; allein der Einakter, der in einem
jovialen Theaterdirektor und einer jugendlichen Bühnen¬
Enthusiastin zwei ihre Wirkung nie versagende Episoden¬
rollen enthält, gefiel dem Premieren=Publikum des Burg¬
theaters doch sehr, das auch das dritte Stück, das den
gesuchten Titel „Das Bacchusfest“ führt, freundlich
aufnahm. Dieser Einakter ist ganz auf den Dialog gestellt.
indem der Schriftsteller Felir Staufner seine flatterhafte.
Frau Agues, die ihm mit einem neuen Freund Dr. Guido
Wernig dauernd Adien sagen will, durch seinen sprudelnden
Geist wieder für sich gewinnt. Ein Stück, „Das Bacchusfest“,
das er in der Sommerfrische geschrieben, dient ihm dabei
mit treffenden Anspielungen auf die Situation, in welcher
sich er, seine Frau und deren Galau befinden, als
wirksamer Behelf. Doch ist die Erzählung dieses „Bacchus¬
festes“ allzu breit ausgesponnen.
Die Aufführung im Burgtheater verdient volle An¬
erkennung. Herr Walden spielte in allen drei Einaktern
die dominierende Männerrolle, im ersten Stück den Arzt
kühl bis ins Herz hinan, mit berechnender Ironic und
scharfer Akzentuierung des lange verhaltenen inneren
Grolls. Frau Bleibtreu erfreute wieder durch ungesuchte
Natürlichkeit in Ton und Haltung und ihr feines stummes
Spiel. Mit schöner Wärme und der ihm eigenen bestrickenden
Eleganz stattete Herr Devrient die wenig dankbare
aus:
Rolle des Professors Ormin aus.
Der flatterhafte Bühnenliebling in der „Großen Szeue“
OKT197: „Korigkeits-Wolblall, Wien
ist die richtige Walden=Partie. Da konnte seine Sprach¬

gewandtheit brillieren und seine reiche Nuancierungskunst
funkelte in Blitzlichtern. Das an Größenwahnsinn streifende
——

Selbstbewußtsein des „Stars“, dessen Eitelkeit und immer
rege Lust an amonrösen Abenteuern zeichnete Walden in
Theater: Kunst und Musik.
kräftigsten Farben, nur seinen Reue=Ausbrüchen gegenüber
Wien, 13. Oktober 1915.
der gefränkten Gattin fehlte der überzeugende Herzenston.
Ueber diesen verfügte Frau Medelsky reichlich, doch
K. k. Hofburgtheater.
wich sie der Gefahr, allzu sentimenial zu werden, geschickt
(„Komödie der Worte“, eine Einakterfolge: „Stunde
aus. Vortrefflich ist Herr Gerasch als Widerpart des
des Erkennens“, „Große Szene“ und „Das
seine Beliebtheit bei den Frauen übermäßig hervorhebenden
Bacchusfest von Artur Schnitzler. — Uraufjührung
Bühnenhelden und erfreulicherweise ließ diesmal bei Herrn
im I. k. Hofburgtheckter am 12. Ditober 1915).
Gerasch die Klarheit der Aussprache nichts zu wünschen
übrig. Herr Tiedtke als Theaterdirektor Dr. Falk war
Eine Woche später als die Hofoper hat nun auch das
von bester humoristischer Wirkung und erheiternd Fräulein
Burgtheater seine erste Neuheit in der Spielzeit
Kutschera als schnippische Theaterelevin.
1915/16 vom Stapel gelassen und damit das jüngste Werk
Artur Schnitzlers, die Einakterfolge „Komödic der
Im „Bacchusfest“ glänzte wieder Herr Walden als
Worte“ vor die Oeffentlichkeit gebracht. Schnitzler ist ein
Sprechkünstler und ihm sekundierten mit gutem Gelingen
heimischer Bühnenschriftsteller und hat dem Burgtheater
Fräulein Wohlgemuth und Herr Romberg. Die
schon manches schätzenswerte Stück gewidwet, wenngleich
kleine, aber drollige Rolle eines kurz angebundenen
seinen Bühnenschöpsungen eine besondere Anziehungsdauer
Bahnhofportiers war bei dem tüchtigen Komiker Herrn
nicht innewohnt.
Baumgartner in sicherer Hand. Dieser treffliche
Wir glauben, daß auch seiner „Komödie der Worte“ kein
Künstler verdiente, in größeren Rollen beschäftigt zu werden.
besseres Schicksal beschieden sein wird. Es sind drei recht
Noch sei der restlos tüchtigen Regie des Herrn Devrient,
ungleichartige Stücke, die da unter einem Gesamttit#l ##
die unter anderm im „Bacchusfest“ ein hübsches Konterfei
sammengeschweißt wurden, ohne daß ihr innerer Gehall] des Salzburger Bahnhofs schuf, rühmend gedacht.
dies rechtfertigen würde. Blulleere Einakter, die lediglich
Alpha.