26. 1
box 32/1
Kongedie der NorteZuklus
14. Oktober 1915
Seite 13
—
auf die Wirkung des Dialogs gestellt sind, gewinnen durch
äußeren Zusammenschluß nicht zugkeich an dramatischer
Schlagkraft, wie dies auch der Eindruck der drei kleinen
Komödien auf das Publikum bezeugte. Zudem scheint es
für Schnitzler kein andres Problem als das der sexuellen
Beziehungen zwischen Mann und Weib zu geben, das er
nachgerade bis zum Ueberdruß varüiert und diesmal nicht
Das erste Stück: „Stunde des Erkennens“
macht mit seiner gekünstelten Psychologie sogar einen ab¬
stoßenden Eindruck. Was soll man zu diesem Arzte Doktor
Eckold sagen, der einen Tag, nachdem er die Tochter ver¬
heiratet hat, seiner Frau erklärt, er werde sich von ihr
scheiden lassen, da er wisse, daß sic ihn vor zehn Jahren
mit seinem Freund Professor Ormier, der sich eben von
ihnen verabschiedete, um eine überseeische Reise anzutreten,
betrogen habe? Zehn Jahre habe er geschwiegen, nun aber
verlangte er die Scheidung von ihr, die er ja die ganze
Zeit hindurch nur als seine — Courtisane betrachtet habe.
Diese gemeine Motivierung empört Frau Klara derart, daß
sie ihn sofort verläßt, vielleicht um Ormier aufs Schiff zu
folgen, nachdem sie diesem beim Abschied gestanden hatte
daß sie ihn geliebt, gleichwohl aber den Fehltritt, dessen
sie sich schuldig machte, mit einem andern Verehrer be¬
gangen habe.
Auf diese unerquickliche „Stunde des Erkennens“ wirkte
die „Große Szeue“, in welcher ein gefeierter Bühnen.
held und Frauenjäger dem Bräutigam einer seiner Huldinnen
mit einer endlosen Rede, die aber viele geistreiche und er¬
erheiternde Momente bietet, die wohlbegründete Eifersucht
widerlegt, fast wie eine Erholung. Er wird dabei von
seiner Frau belauscht, die ihm schon oft einen Treubruch
verziehen hat, jetzt aber über seine Virtnosität im Lügen
und die herzlose Leichtigkeit, mit der er Liebesbande knüpft
und löst, entsetzt ist, so daß sie ihn ernstlich verlassen will.
Sie bleibt aber doch bei ihm, nachdem er schließlich im
Hamletkostüm von der Bühne weg zu ihr eilt und sie be¬
schwört, er könne nicht spielen, wenn er sie, seine Egeria,
nicht in der Loge wisse. Das schmeichelt ihrer Eitelkeit und
sic folgt ihm ins Theater.
Dieser Auftritt im Hamletkostüm macht einen direkt
possenhaften Eindruck; allein der Einakter, der in einem
jovialen Theaterdirektor und einer jugendlichen Bühnen¬
Enthusiastin zwei ihre Wirkung nie versagende Episoden¬
rollen enthält, gefiel dem Premieren=Publikum des Burg¬
theaters doch sehr, das auch das dritte Stück, das den
gesuchten Titel „Das Bacchusfest“ führt, freundlich
aufnahm. Dieser Einakter ist ganz auf den Dialog gestellt,
indem der Schriftsteller Felir Staufner seine flatterhafte
Frau Agnes, die ihm mit einem neuen Freund Dr. Gulbo
Wernig dauernd Adien sagen will, durch seinen sprudelnden
Geist wieder für sich gewinnt. Ein Stück, „Das Bacchusfest“,
das er in der Sommerfrische geschrieben, dient ihm dabei
mit treffenden Anspielungen auf die Situation, in welcher
sich er, seine Frau und deren Galau befinden, als
wirksamer Behelf. Doch ist die Erzählung dieses „Bacchus¬
festes“ allzu breit ausgesponnen.
Die Aufführung im Burgtheater verdient volle An¬
erkennung. Herr Walden spielte in allen drei Einaktern
die dominierende Männerrolle, im ersten Stück den Arzt
kühl bis ins Herz hinan, mit berechnender Ironie und
scharfer Akzentuierung des lange verhaltenen inneren
Grolls. Frau Bleibtreu erfreute wieder durch ungesuchte
Natürlichkeit in Ton und Haltung und ihr feines stummes
Spiel. Mit schöner Wärme und der ihm eigenen bestrickenden
Eleganz stattete Herr Devrient die wenig dankbare
Aus:
Rolle des Professors Ormin aus.
Der flatterhafte Bühnenliebling in der „Großen Szene“
N1 19 1
Seligkeits-Wolibiatt, Wien
ist die richtige Walden=Partie. Da konnte seine Sprach¬
gewandtheit brillieren und seine reiche Nuancierungskunst
a
sunkelte in Blitzlichtern Das an Größenwahnsinn streisende
box 32/1
Kongedie der NorteZuklus
14. Oktober 1915
Seite 13
—
auf die Wirkung des Dialogs gestellt sind, gewinnen durch
äußeren Zusammenschluß nicht zugkeich an dramatischer
Schlagkraft, wie dies auch der Eindruck der drei kleinen
Komödien auf das Publikum bezeugte. Zudem scheint es
für Schnitzler kein andres Problem als das der sexuellen
Beziehungen zwischen Mann und Weib zu geben, das er
nachgerade bis zum Ueberdruß varüiert und diesmal nicht
Das erste Stück: „Stunde des Erkennens“
macht mit seiner gekünstelten Psychologie sogar einen ab¬
stoßenden Eindruck. Was soll man zu diesem Arzte Doktor
Eckold sagen, der einen Tag, nachdem er die Tochter ver¬
heiratet hat, seiner Frau erklärt, er werde sich von ihr
scheiden lassen, da er wisse, daß sic ihn vor zehn Jahren
mit seinem Freund Professor Ormier, der sich eben von
ihnen verabschiedete, um eine überseeische Reise anzutreten,
betrogen habe? Zehn Jahre habe er geschwiegen, nun aber
verlangte er die Scheidung von ihr, die er ja die ganze
Zeit hindurch nur als seine — Courtisane betrachtet habe.
Diese gemeine Motivierung empört Frau Klara derart, daß
sie ihn sofort verläßt, vielleicht um Ormier aufs Schiff zu
folgen, nachdem sie diesem beim Abschied gestanden hatte
daß sie ihn geliebt, gleichwohl aber den Fehltritt, dessen
sie sich schuldig machte, mit einem andern Verehrer be¬
gangen habe.
Auf diese unerquickliche „Stunde des Erkennens“ wirkte
die „Große Szeue“, in welcher ein gefeierter Bühnen.
held und Frauenjäger dem Bräutigam einer seiner Huldinnen
mit einer endlosen Rede, die aber viele geistreiche und er¬
erheiternde Momente bietet, die wohlbegründete Eifersucht
widerlegt, fast wie eine Erholung. Er wird dabei von
seiner Frau belauscht, die ihm schon oft einen Treubruch
verziehen hat, jetzt aber über seine Virtnosität im Lügen
und die herzlose Leichtigkeit, mit der er Liebesbande knüpft
und löst, entsetzt ist, so daß sie ihn ernstlich verlassen will.
Sie bleibt aber doch bei ihm, nachdem er schließlich im
Hamletkostüm von der Bühne weg zu ihr eilt und sie be¬
schwört, er könne nicht spielen, wenn er sie, seine Egeria,
nicht in der Loge wisse. Das schmeichelt ihrer Eitelkeit und
sic folgt ihm ins Theater.
Dieser Auftritt im Hamletkostüm macht einen direkt
possenhaften Eindruck; allein der Einakter, der in einem
jovialen Theaterdirektor und einer jugendlichen Bühnen¬
Enthusiastin zwei ihre Wirkung nie versagende Episoden¬
rollen enthält, gefiel dem Premieren=Publikum des Burg¬
theaters doch sehr, das auch das dritte Stück, das den
gesuchten Titel „Das Bacchusfest“ führt, freundlich
aufnahm. Dieser Einakter ist ganz auf den Dialog gestellt,
indem der Schriftsteller Felir Staufner seine flatterhafte
Frau Agnes, die ihm mit einem neuen Freund Dr. Gulbo
Wernig dauernd Adien sagen will, durch seinen sprudelnden
Geist wieder für sich gewinnt. Ein Stück, „Das Bacchusfest“,
das er in der Sommerfrische geschrieben, dient ihm dabei
mit treffenden Anspielungen auf die Situation, in welcher
sich er, seine Frau und deren Galau befinden, als
wirksamer Behelf. Doch ist die Erzählung dieses „Bacchus¬
festes“ allzu breit ausgesponnen.
Die Aufführung im Burgtheater verdient volle An¬
erkennung. Herr Walden spielte in allen drei Einaktern
die dominierende Männerrolle, im ersten Stück den Arzt
kühl bis ins Herz hinan, mit berechnender Ironie und
scharfer Akzentuierung des lange verhaltenen inneren
Grolls. Frau Bleibtreu erfreute wieder durch ungesuchte
Natürlichkeit in Ton und Haltung und ihr feines stummes
Spiel. Mit schöner Wärme und der ihm eigenen bestrickenden
Eleganz stattete Herr Devrient die wenig dankbare
Aus:
Rolle des Professors Ormin aus.
Der flatterhafte Bühnenliebling in der „Großen Szene“
N1 19 1
Seligkeits-Wolibiatt, Wien
ist die richtige Walden=Partie. Da konnte seine Sprach¬
gewandtheit brillieren und seine reiche Nuancierungskunst
a
sunkelte in Blitzlichtern Das an Größenwahnsinn streisende