26.1. Konoedie der NorteZuklus
Linzer Tagespost,
Ausschnitt aus:
Linz.
150K1197
vom:
—
7 Vor Art. Schnlkler gelangten am Burgtheater brei
Fingkter unter dem SammerKomödie der Worte“
ur Aufführung, von denen die mittlere Charakterkomödie dem
dichter der „Liebelei“ neue Ehren einbrachte. Sie heißt „Große
5
zene“ und bringt einen ehemaligen Hamlet=Darsteller des
Zrgtheaters auf die Bühne, der die Ehe mit einer Statt¬
altereibeamtens=Braut bricht. Die erste Abteilung „Stunde
es Erkennens“ zeigt die Rache eines Arztes für den Ehe¬
ruch seiner Frau nach 10 Jahren beim Ausbruch des Russisch=,
zapanischen Krieges. Die dritte Abteilung „Das Bacchus,
est“ spielt in der Restauration des Salzburger Bahnhofys.
eine Dichtersgattin kehrt von einem beschränkten Chemiker Am
lttersee zu ihrem Gatten zurück.
Ausschnitt austmuner e#sen Geita
ergenens 4½
vom: 13031
B
1o
Arthun
blers Einakter=Reihe
„Komödie der Wörke“ erzselte bei ihrer vor¬
gestrigen Erstaufführung im Wiener Burgtheater, mit
Harry Walden, Lotte Mendelsky und Frau Bleibtren
in führenden Rollen, stürmischen Erfolg. Der gleich¬
zeitigen Aufführung im Darmstädter Hoftheater wurde
eine „gute Aufnahme“ zu teil. Hier wie dort fand
der Einakter „Große Szene“ den stärksten Beifaß.
Sschmitt aus:
ünehner Zeitung
150Kl. 1915
1:
München
Apritat=dabahren werde. (Z.)
t [Dreineue Schnitzler.] Man schreibt uns aus
(Wien vom 13.Ortober=##ls erste Neuheit in der neuen
Spielzeit brachte das Burgtheater gestern drei Einakter
von Artur Schnitzler heraus, die den gemeinsamen
Namen „Komödie der Worte“ führen, ein sehr be¬
zeichnender Titel für das, was unter diesem Sammel¬
namen gebeten wird. Das erste Stück heißt: „Stunde
des Erkennens". Ein Mann weiß, daß ihn seine
Frau betrügt, er hat dafür vollgültige Beweise. Aber er
verbeißt seine Wut und legt seinen Rachedurst aufs Eis
aus Rücksicht für das seiner Ehe entsprossene Kind, dessen
Zukunft durch einen Familienskandal nicht gefährdet wer¬
den soll. Nach zehn Jahren, als die Tochter geheiratet hat
und ihre Zukunft gesichert ist, kommt er auf den Ehebruch
zurück und jagt seine Frau aus dem Hause. Man fühlt,
daß das eine ganz unmögliche Geschichte ist, und auch dem
geistvollsten Dialog kann es nicht gelingen, dem Publilum
die Sache plausibel zu machen. Das Stück wurde auch sehr
kühl aufgenommen, sogar von der großen Schnitzler=Ge¬
gemeinde, die das Haus füllte. In dem zweiten Ein¬
akter: „Große Szene", dem besten unter den dreien,
handelt es sich um einen Schauspieler, der sozusagen
handwerksmäßig oder instinktiv die Ehe bricht und damit
seiner guten Frau großes Leid verursacht. U. a. hat er in
der Sommerfrische ein ganz junges Mädel, die Braut
eines braven Burschen, verführt, und dieser kommt nun,
um die Wahrheit zu erfahren. Und da spielt ihm nun
der Schauspieler eine große Lügenszene vor, in der er
hm haarklein, auch mit einem gefälschten Brief, beweist,
daß die Braut als reiner Engel in die Ehe tritt. Die¬
Komödie in der Komödie, aber meisterhaft gemacht. And
der Typus einer gewissen Art von Komödiantentum wird
da in einer Weise gezeichnet, wie es besser, istreicher
und geschickter gar nicht möglich ist. Das Stück hatte rau¬
schenden Beifall und wird sich gewiß stäptig auf dem Re¬
vertoire erhalten. In dem drittenEinakter: „Das
box 32/1
100
Bacchusfest“ geht die junge Frau eines etwas an¬
gegrauten berühmten Schriftstellers mit einem jungen!
Fabrikantensohn, der auch Segelsport treibt, durch, und
das Pärchen will, bevor es sich „auf ewig“ vereinigt, dies##
dem legitimen Gatten kurz und bündig, sozusagen zwischen
zwei Eilzügen, mitteilen. Aber mit überaus amüsanter
dialektischer Ueberlegenheit frozzelt der Gatte die beiden
wieder auseinander, und es bleibt — abgesehen von dem
mehrwöchigen Zwischenspiel — wieder alles beim alten,
von Frau sich wieder in einen jungen Burschen verschaut.
Auch hier zeigt sich die volle psychologische Treffsicherheit
des Dichters und die blendende Kunst seines Dialogs. Auch
dieses Stück hat Beifall gefunden, obgleich in Wien die
Unsitte herrscht, daß nach dem letzten Fallen des Vorhangs
alle Welt auf Bühne und Autor vergißt und nur rasch in
die Garderobe zu gelangen strebt. — Die Aufführung war
nicht durchwegs zu loben, namentlich ließe sich an der
Darstellung der drei Frauenrollen manches bemängeln.
Harry Walden gab in allen drei Stücken die Haupt¬
rolle, besonders gut im dritten Stück. — Und nun noch
eine kurze allgemeine Bemerkung: Artur Schnitzler ist
gewiß ein echter und bedeutender Künstler, ein tiefschür¬
fender Seelenforscher, ein glänzender und geistvoller
Dialektiker. Man ist aufrichtig dankbar für die zahl¬
reichen prächtigen Gaben, die uns sein großes Talent ge¬
schenkt hat. Allein man muß mit Befremden feststellen,
daß sich dieses Talent in etwas einseitiger Richtung ent¬
wickelt hat — in der Richtung der brüchigen Ehen. Nun
ist es ja sicher, daß das Sexualproblem eine große Rolle
im Leben spielt, aber doch nicht die einzige, wie in den Ge¬
stalten Schnitzlers. Auch wenn man die glänzenden Vor¬
züge der neuesten Darbietungen des Dichters, die man
gestern kennen lernte, vollauf würdigt, kann man dennoch
den Wunsch nicht unterdrücken, daß der nunmehr voll aus¬
gereifte Künstler seine große Kunst anderen Problemen
zuwenden möge.
Linzer Tagespost,
Ausschnitt aus:
Linz.
150K1197
vom:
—
7 Vor Art. Schnlkler gelangten am Burgtheater brei
Fingkter unter dem SammerKomödie der Worte“
ur Aufführung, von denen die mittlere Charakterkomödie dem
dichter der „Liebelei“ neue Ehren einbrachte. Sie heißt „Große
5
zene“ und bringt einen ehemaligen Hamlet=Darsteller des
Zrgtheaters auf die Bühne, der die Ehe mit einer Statt¬
altereibeamtens=Braut bricht. Die erste Abteilung „Stunde
es Erkennens“ zeigt die Rache eines Arztes für den Ehe¬
ruch seiner Frau nach 10 Jahren beim Ausbruch des Russisch=,
zapanischen Krieges. Die dritte Abteilung „Das Bacchus,
est“ spielt in der Restauration des Salzburger Bahnhofys.
eine Dichtersgattin kehrt von einem beschränkten Chemiker Am
lttersee zu ihrem Gatten zurück.
Ausschnitt austmuner e#sen Geita
ergenens 4½
vom: 13031
B
1o
Arthun
blers Einakter=Reihe
„Komödie der Wörke“ erzselte bei ihrer vor¬
gestrigen Erstaufführung im Wiener Burgtheater, mit
Harry Walden, Lotte Mendelsky und Frau Bleibtren
in führenden Rollen, stürmischen Erfolg. Der gleich¬
zeitigen Aufführung im Darmstädter Hoftheater wurde
eine „gute Aufnahme“ zu teil. Hier wie dort fand
der Einakter „Große Szene“ den stärksten Beifaß.
Sschmitt aus:
ünehner Zeitung
150Kl. 1915
1:
München
Apritat=dabahren werde. (Z.)
t [Dreineue Schnitzler.] Man schreibt uns aus
(Wien vom 13.Ortober=##ls erste Neuheit in der neuen
Spielzeit brachte das Burgtheater gestern drei Einakter
von Artur Schnitzler heraus, die den gemeinsamen
Namen „Komödie der Worte“ führen, ein sehr be¬
zeichnender Titel für das, was unter diesem Sammel¬
namen gebeten wird. Das erste Stück heißt: „Stunde
des Erkennens". Ein Mann weiß, daß ihn seine
Frau betrügt, er hat dafür vollgültige Beweise. Aber er
verbeißt seine Wut und legt seinen Rachedurst aufs Eis
aus Rücksicht für das seiner Ehe entsprossene Kind, dessen
Zukunft durch einen Familienskandal nicht gefährdet wer¬
den soll. Nach zehn Jahren, als die Tochter geheiratet hat
und ihre Zukunft gesichert ist, kommt er auf den Ehebruch
zurück und jagt seine Frau aus dem Hause. Man fühlt,
daß das eine ganz unmögliche Geschichte ist, und auch dem
geistvollsten Dialog kann es nicht gelingen, dem Publilum
die Sache plausibel zu machen. Das Stück wurde auch sehr
kühl aufgenommen, sogar von der großen Schnitzler=Ge¬
gemeinde, die das Haus füllte. In dem zweiten Ein¬
akter: „Große Szene", dem besten unter den dreien,
handelt es sich um einen Schauspieler, der sozusagen
handwerksmäßig oder instinktiv die Ehe bricht und damit
seiner guten Frau großes Leid verursacht. U. a. hat er in
der Sommerfrische ein ganz junges Mädel, die Braut
eines braven Burschen, verführt, und dieser kommt nun,
um die Wahrheit zu erfahren. Und da spielt ihm nun
der Schauspieler eine große Lügenszene vor, in der er
hm haarklein, auch mit einem gefälschten Brief, beweist,
daß die Braut als reiner Engel in die Ehe tritt. Die¬
Komödie in der Komödie, aber meisterhaft gemacht. And
der Typus einer gewissen Art von Komödiantentum wird
da in einer Weise gezeichnet, wie es besser, istreicher
und geschickter gar nicht möglich ist. Das Stück hatte rau¬
schenden Beifall und wird sich gewiß stäptig auf dem Re¬
vertoire erhalten. In dem drittenEinakter: „Das
box 32/1
100
Bacchusfest“ geht die junge Frau eines etwas an¬
gegrauten berühmten Schriftstellers mit einem jungen!
Fabrikantensohn, der auch Segelsport treibt, durch, und
das Pärchen will, bevor es sich „auf ewig“ vereinigt, dies##
dem legitimen Gatten kurz und bündig, sozusagen zwischen
zwei Eilzügen, mitteilen. Aber mit überaus amüsanter
dialektischer Ueberlegenheit frozzelt der Gatte die beiden
wieder auseinander, und es bleibt — abgesehen von dem
mehrwöchigen Zwischenspiel — wieder alles beim alten,
von Frau sich wieder in einen jungen Burschen verschaut.
Auch hier zeigt sich die volle psychologische Treffsicherheit
des Dichters und die blendende Kunst seines Dialogs. Auch
dieses Stück hat Beifall gefunden, obgleich in Wien die
Unsitte herrscht, daß nach dem letzten Fallen des Vorhangs
alle Welt auf Bühne und Autor vergißt und nur rasch in
die Garderobe zu gelangen strebt. — Die Aufführung war
nicht durchwegs zu loben, namentlich ließe sich an der
Darstellung der drei Frauenrollen manches bemängeln.
Harry Walden gab in allen drei Stücken die Haupt¬
rolle, besonders gut im dritten Stück. — Und nun noch
eine kurze allgemeine Bemerkung: Artur Schnitzler ist
gewiß ein echter und bedeutender Künstler, ein tiefschür¬
fender Seelenforscher, ein glänzender und geistvoller
Dialektiker. Man ist aufrichtig dankbar für die zahl¬
reichen prächtigen Gaben, die uns sein großes Talent ge¬
schenkt hat. Allein man muß mit Befremden feststellen,
daß sich dieses Talent in etwas einseitiger Richtung ent¬
wickelt hat — in der Richtung der brüchigen Ehen. Nun
ist es ja sicher, daß das Sexualproblem eine große Rolle
im Leben spielt, aber doch nicht die einzige, wie in den Ge¬
stalten Schnitzlers. Auch wenn man die glänzenden Vor¬
züge der neuesten Darbietungen des Dichters, die man
gestern kennen lernte, vollauf würdigt, kann man dennoch
den Wunsch nicht unterdrücken, daß der nunmehr voll aus¬
gereifte Künstler seine große Kunst anderen Problemen
zuwenden möge.