II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 82


Der Arier fühlt und schreibt anders. Die gewisse
Wiener Presse ist natürlich vor Entzücken über Schnitzlers
„Komödie der Worte“ völlig aus dem Fifscher
geraten und jeglicher Schmock hat seine prunkvollsten Worte
zusammengesucht, um das Ereignis nach Gebühr zu feiern. So
lasen wir in der „Wiener Mittags=Zeitung“: Keine gewichtigen
Probleme, nur ein paar leichte, ein wenig nachdenklich beschwerte
sorgfältig fassettierte Stimmungsbilder, abrupte, mehr
auf dialogische Wirkung gestellte Szenen von jener halb luftigen,
halb melancholischen Schnitzlerschen Art . . .. ein hastiger Wurf
von dramatischen Explosionen ein Sprudel von Sentiments“
und Ironismen .... groteske Bahnhofsszene.
frappantes Finale, bravouröses Tempo.
(Arme deutsche Sprache!) . .. Besonders üppig gebärdet sich
die Beria Zuckerkandl in der „Wiener
Allgemeinen Zeitung". Hören wir ein paar Sätze:
„Der Rückblick ist hier Handlung; das Gewesene, die
Krisis und die Liquidierung verklungenen Lebens
treibt zur katastrophalen Lösung.“ Oder: „So ist der innerste
Rhythmus des „Bachusfestes“ eigentlich der eines Marionetten¬
spieles, dessen behende Drastik, dessen lautlos einschnappende
Dramatik die Inappe Artikulation einer brutalen
Schicksalswendung zeigt ..... Eine Szene kompli¬
zierter Seelen akrobati k. Eine aufflammende
Katastrophe wird durch Worte erflickt. Ein elementares
Erlebnis wird durch Worte zivilisierte Konvention. — Wie aus
der erstarten Feuermasse die Hand des Künstlers Kameen
modelt, so prägt das Wort hier aus Urgebilden der Seele
elegant gefaßte Schmucksteine.“ Was aber soll
man zu viesem Satz sagen, den sich gleichfalls die nun völlig
entfesselte Zuckerkandl leistet: „In dem flatternden, leiden¬
schaftlich geschwellten, geistesabwesend irrenden, nervös hastigen,
bald zurückgestauten, bald auftollenden Dialog, der scheinbar
inkohärent, dennnoch starr und unerbittlich sein Ziel verfolgt
und erreicht, ist der Reiz der tollen Situation und der grotesken
Charakterentwicklung eingeschlossen.“: Oder zu diesem: Der
rhythmische Sang des mild verklingenden Endes bleibt
doch nur ein Gedanke, der neben dem menschlichen
Erleben einhergeht, und außerhalb des dramatischen Ereignisses
stehend, in dieses nicht zwingend eingreift, sondern es nur
glitzernd überziert.“ (Arme, arme deutsche Sprache!)
Der Reserent des „Neuen Wiener Journals“ erklärt
uns, was ihm an Schnitzler „so lieb und werk“ sei: „Die
soignierte Form, die Melancholie der Gedanken“, nachdem
er uns versichert hat, daß „von jedem neuen Stück Artur
Schnitzlers ein Duft von Erwartung ausgehe". Dann erfahren
wir, daß „Mann und Frau Produkt von Realitäten
des Lebens“ sind. Und was das Spiel anbelangt, so ist zu
sagen, daß Frau Bleibiren „verglimmen deLeidenschaften zu
decken“ hat, während Frau Medelsky „solid fundierte
innere Anständigkeit, sozusagen die gesunde Natur“ dar¬
uub Was den Herrn Walden anbelangt:
„Die drei Rollen glücklich auseinanderhaltend, zeigen
Herrn Walden von seinen sympathischesten Seiten“.
— Unser Berichterstatter, dem seine sehr verständlich deutschen
Worte über die Burgtheaterneuheit neben vielen begeisterten
Zustimmungskundgebungen auch einen in der anständigen
Publizistik nicht üblichen persönlichen Zeitungsangriff ein¬
getragen haben, steht mit seiner Ansicht durchaus nicht alleln
da. So lasen wir in der „Ostdeutschen Rundschau“:
„Man mag dies frei, kühn und geistreich finden, es gab
aber Leute, die sich davon nur angewidert
fühlten.“ Das „Deuische Volksblatt“ meinte: „Der
Geist, den diese drei Stücke atmen, ist nicht der Geist, der
künftighin die deutsche Bühne erfüllen darf. Ein Volk, das sich in
hundirt Schlachten mit starkem Arm und kühnem Sinn
den Sieg erkämptt, hat mit der Dekabenz und der Perversität,
die aus jeder Szene, ja aus jedem Satz zu uns sprechen, nichts
gemein ... Unser Geschmack lehnt sich gegen
jenes Spiel mit der Erotikauf, das bei Schnitzler
und seinesgleichen die Hauptsache bedeutet.“ Das „Neuig¬
keits=Welt=Blatt“ stellt fest: „Es scheint für Schnitzler
kein anderes Problem zu geben, als das der sexuellen Be¬
ziehungen zwischen Mann und Weib, das er nachgerede zum
Ueberdruß variiert.“ Einer der es wissen muß, draßtele seiner
Zeitung nach Frankfurt über den großen Erfolg der Wiener
Erstaufführung: „Die Premiere fand vor ausverkauftem Hause
und versammelter Gemeinde des allbeliebten
Dichters statt ...“ Das wird schon stimmen. Die Auier eb#e
fühlten anders.