II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 84

26.1. Kongedie der Forte zuklus
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— wie sie selbst sagt — mehr noch als Flöding. Und
hat tatsächlich zehn Jahre lang gewartet, um seiner
trotzdem? Eben deshalb, deutet der Dichter uns an.
Gattin ihren Betrug ins Gesicht zu schreien.
Eben weil Ormin ihrem Herzen so teuer war,
Das Wiener Burgtheater=Publikum befand sich
konnte, durfte sie ihm nicht angehören. Sie sagt es
bisher in derselben Lage wie Ormin, dem so vieles,
klar: „Hätte ich Sie weniger geliebt, so hätte ich
el.
das er wissen möchte, dunkel bleibt. Nun wieder
die Ihre werden können — vielleicht.“
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können die Zuschauer Klara nur recht geben, wenn
sie ausspricht, was jeder von ihnen empfindet: „Du
Das alles aber erklärt uns noch nicht, aus welchen
hast es über dich gebracht, zu schweigen, zehn Jahre
Motiven sie sich Flöding zugewendet hat. Wir wissen
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lang? ... Ich glaub' es nicht. Solche Selbstbeherr¬
nur, weshalb sie nicht Ormins Geliebte wurde,
schung trau ich keinem Menschen zu ... Wir auch
nicht aber, was sie veranlaßt hat, sich Flöding hin¬
nicht.
zugeben. Wir wissen es nicht. Wir möchten es aber
Dieser Karl Eckold hat also zehn Jahre lang
gerne wissen. Und Ormin ist in diesem Punkte
geschwiegen. Nun redet er, und es hat ganz den An¬
nlen.
ebenso neugierig wie wir. Frau Klara speist ihn und
schein, als sei es ihm gar nicht so schwer gefallen,
sder
uns mit halben Andeutungen, mit geistvollen Be¬
diese, uns fürchterlich lang erscheinende, Zeit zu er¬
auch
merkungen über die Ehe im allgemeinen und ihre
1
tragen. Er hatte eben „seine bestimmten Pläne für
Die
Ehe im besonderen ab. Wenn man mit halbem Ohre
die Zukunft", und der Gedanke an diese Zukunft
ht so
hinhört, klingt alles ungeheuer deutlich. Paßt man
half ihm, die Gegenwart zu ertragen. Man sollie
Kon¬
jedoch genauer auf, so kann man sich nicht verhehlen,
meinen, er habe sich weiß Gott welche barbarische
den
daß man über den Beweggrund ihrer Untreue und
Rache für diesen Tag aufgespart. Dabei macht er
das
all das, was damit in Zusammenhang steht, höchst
ihr aber schließlich nur den Vorschlag, nach Berlin
ein
nebelhafte Aufklärungen erhält. Ormin versteht sie
zu übersiedeln, was man ja füglich gar keine so
will,
offenbar auch nicht, und das ist keineswegs zu ver¬
furchtbare Strafe nennen kann.
Ge¬
wundern. Was Frau Klara ihm sagt, sind Worte,
Nicht mit Taten, doch mit Worten weiß er sie
man
wirklich nur Worte. Sollte sich der Gesamttitel
schmerzlich zu treffen. Klara und Eckold haben mit¬
darauf beziehen?
einander gelebt, wie Mann und Frau miteinander
arauf
wird
zu leben pflegen. Nach der „schlimmen Zeit der Ent¬
Zu der Tatsache dieser „Untreue" nimmt jeder
fremdung“ nach der Zeit ihrer Untroue waren wie¬
stellt
in seiner Art Stellung. Ormin mit verbindlicher
der Jahre der „Hingebung und Zärtlichkeit“ ge¬
Melancholie, Frau Klara mit einem Aufwand von
kommen, Jahre, in denen sie sich, stärker als zuvor,
agen:
Aperaus, der darauf schließen läßt, daß sie in den
geliebt und begehrt von ihm glaubte. Nun aber sagt
gesammelten Werken Arthur Schnitzlers voll In¬
auch
teresse, oft und gern geblättert hat. Es bleibt nur
efolg=
noch die Frage offen, was Dr. Eckold sagen würde,
ndere
ganzen Zeit weder Frau noch Geliebte, sondern —
halten
wenn er es wüßte. Oder weiß er es gar? Natürlich
höchstens ... Und darin besteht ihre Strafe.
weiß er es. Neuerdings wissen es die Ehemänner
karl
immer. Ahnungslosigkeit ist gänzlich aus der Mode
Nun aber stellt es sich plötzlich heraus — und
ung:
gekommen. Gleich anfangs, wenn er so nebenher
dieser Spaß will bitterernst genommen werden —
nende
äußert, daß er „nichts Besonderes“ mit der Gattin
daß der Gatte die Gattin zehn Jahre lang mit einem
zu besprechen habe, und hinzufügt: „Keineswegs eilt
sagt
Falschen im Verdacht gehabt hat. Er hat damals
rmin
es“, fühlt der in der dramatischen Kniff=Kunde nicht
offenbar einen Detektiv von geringer Verläßlichkeit
gegen
ganz Unerfahrene sofort, daß es sich um etwas höchst
in Sold gehabt, und so kommt es, daß er Ormin für
dlung,
Bedeutsames handeln muß. Das stimmt denn auch.
seinen glücklichen Nebenbuhler hält. Das aber ist
r, als
Die Mitteilung, die er Klara zu machen wünscht.
ihm ein unerträglicher Gedanke. „Wär's nicht er
ldert.
hat — das muß man zugestehen — allerdings keine
gewesen", sagt er, „ich glaube fast, daß ich dann
zehn
Eile. Hat man sich zehn Jahre lang Zeit gelassen,
hätte vergessen, verzeihen können. Daß mein Zorn
kt sie
so kommt es freilich auf ein Stündchen mehr oder
längst verweht, mein Haß irgend einmal erloschen
und weniger nicht sonderlich an. Und dieser Karl Eckold
wäre. Aber daß gerade er es war, dem du dich
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gabst, er, dem allen zuflog von Jugend auf, alles,
was sich mir versagte, so verzweifelt ich mich auch
darum mühte, daß er es war, er, der sich immer den
Größeren dünkte, nur weil ihm die Natur einen
leichteren Sinn gegeben — das hat mein Herz mit
Bitternis gegen dich erfüllt.“
Klara schweigt. Warum? Vermutlich weil sie
sich „erniedrigt“ fühlt. Aber hat er, nach den land¬
läufigen Begriffen, nicht gleichfalls das Recht, sich
erniedrigt zu fühlen? Sie brauchte nur den Namen
„Flöding“ zu nennen, und der Stachel im Herzen
Karl Eckolds würde — so seine Worte mehr als
Phrasen sind — nach einem qualsollen Dezennium
endlich aufhören zu schmerzen. Doch sie nennt den
Namen nicht. Wahrlich, dies ist keine Komödie der
Worte, sondern eine Komödie des Schweigens.
Klara verläßt das Haus ihres Gatten. Wohin
geht sie? In den Tod? Wir ahnen es nur. Vorher
will sie noch ein paar Worte zu Papier bringen, doch
sie führt diese Absicht nicht aus. Grund: „Worte
lügen". Es scheint dies eine fixe Idee der Dame
zu sein, denn schon im Gespräch mit Ormin hat sie
Aehnliches geäußert.
Weit reizvoller als dieses erste ist das zweite
Stück des Zyklus. „Große Szene“, das ist die
Szene, die der berühmte Schauspieler Konrad Herboi
dem jungen Edgar Gley vorspielt, der zu ihm kommt,
um die Beantwortung einer Lebensfrage zu er¬
bitten. Was er wissen will, was er wissen muß, ist
Wahrheit, Wahrheit um jeden Preis. Konrad Her¬
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bot soll klipp und klar anlworten, ob Edgars Braut,
die junge Daisy, seine Geliebte war. Das meister¬
haft gesteigerte Zwiegespräch der beiden Männer ent¬
wickelt sich rasch zur großen Szene, wie sie virtuoser
kaum je geschaffen worden ist. Wie der geniale Ko¬
mödiant, Wahres und Unwahres vermischend, alles
leugnet, indem er vieles zugesteht, wie er mit aal¬
glatter Gewandtheit in eine Rolle hineinschlüpft, die
er nicht memorieren konnte und ohne Probe spielen
muß, wie er mit applausgewohnter Sicherheit einen,
bis ins innerste Mark aufrichtigen, Ehrenmann mar¬
kiert, all das sind Momente von so überwältigender
Lebendigkeit und Kraft, daß man diese, mit grellen
Tinten hingevinselte Komödie mit Fug und Recht
den besten Schnitzlerschen Worken zuzählen darf.
Der dritte Einakter (sie sind als Buch bei
S. Fischer=Berlin erschienen) heißt „Das Bacchus¬
—.—
fest". Ein hübsch pintiertes Lustspielchen, das
öfters zum Lächeln reizt. Sein Schauplatz ist der
Salzburger Bahnhof, wo eine Ehe, die in die Brüche
zu gehen droht, bei Kaffec und „Guglhupf“ gemüt¬
lich wieder geleimt wird.
Den Erfolg des Abends entschied die großes
Szone der „Großan Szerc“ die von Hayry Wall
den hinreißend gesvielt wurde.
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