II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 86

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26. 1. Kongedie der Worte zyklus
Sschmtt aus:
511

220K11975
m:
Ahren und Mesch
Wiener Theater.
Aus Wien wird uns geschrieben:
* Das Burgtheater brachte uns als erste
Gabe drei Einakter von Artur Schnitzler, ver¬
einigt unter dem Titel: „Komödie der Worte“.
Von jedem neuen Werk Schnitzlers geht ein Duft von
Theater und Musik ## 2100
Erwartung aus. Alles, was uns an dem Dichter lieb
und wert ist und bleibt: die soignierte Form, die Tiefe
* Wiener Theaterbrief., Das Burgtheater brachte
uns als erste Gabe drei Einakter von Arturshminler
des Erkennens und die Melancholie der Gedanken, der
vereinigt unter dem Titel: Komödie der Worte.
bildhafte Sinn fürs Wirk.iche, ist auch in den drei
Von jedem neuen Werk Schnitzlers geht ein Duft von Er¬
Einaktern enthalten. Einmal hat Schnitzler die Kraft
wartung aus. Alles, was uns an dem Dichter lieb und
eines einzigen Erlebnisses höher gestellt als Worte und
wert ist und bleibt: die gepflegte Form, die Tiefe des Er¬
Kunst; jetzt scheint ihm das Erlebte zurückzutreten vor
kennens und die Melancholie der Gedanken, der bildhafte
dem Wort. Worte, die nur Komödie spielen, gefühllos
Sinn fürs Wirkliche, ist auch in den drei Einaktern ent¬
bewegte Luft, dies ist es, was er uns in den drei
halten. Einmal hat Schnitzler die Kraft eines einzigen Er¬
„Stunde des
lebnisses höher gestellt als Worte und Kunst, jetzt scheint ihm
kleinen Stucken veranschaulicht.
das Erlebte zurückzutreten vor dem Wort. Worte, die nur
Erkennens“ heißt das erste. Eine peinlich grau¬
Komödie spielen, bewegte Luft, dies ist es, was er uns in den
same Abrechnung zwischen Mann und Frau. Am
drei kleinen Stücken veranschaulicht. Stunde des Er¬
Tage nach der Hochzeit der Tochter weist er sie aus dem
skennens heißt das erste. Eine peinlich grausame Ab¬
Hause, zehn Jahre lang hat er von ihrem Betrug ge¬
rechnung zwischen Mann und Frau. Am Tage nach der
wußt, zehn Jahre lang hat er auf diesen Tag gewartet,
Hochzeit der Tochter weist er sie aus dem Hause, zehn
hat ihn ersehnt! Sie ist längst seine Kameradin ge¬
Jahre lang hai er um ihren Betrug gewußt, zehn Jahre
worden, ihre Wünsche sind eingeschlafen. Sie liebte
lang hat er auf diesen Tag gewartet, hat er ihn ersehnt! Sie
einen Mann, einem anderen hat sie sich gegeben, aber
ist längst nur seine Kameradin geworden, ihre Wünsche
einen Mann, einem
sind eingeschlafen. Sie liebte
das weiß der Gatte nicht und wird es nie erfahren.
anderen hat sie sich gegeben, aber das weiß der Gatte
Sie geht — ob in den Tod — ob mit jenem Mann
nicht und wird es nie erfahren. Sie geht — ob in den
nach Japan? Zum Abschied will sie schreiben, wirft
Tod — ob mit jenem Mann nach Japan? Zum Abschied will
aber die Feder weg: „Wozu? Worte lügen. Der
sie schreiben, wirft aber die Feder weg: „Wozu? Worte
Dichter gibt hier neue Zeichen seiner scharfen Be¬
lügen.“ Der Dichter gibt hier neue Zeichen seiner scharfen
obachtungsgabe und seiner das Geheimste auf pürenden
Beobachtungsgabe und seiner das Geheimste aufspürenden
Lebenskunde. Der zweite Einakter „Große Szene“.
Lebenskunde. Der zweite Einakter: Große Szene ist
ist schon viel erfreulicher. Konrad Herbot, der große,
schon viel erfreulicher. Konrad Herbot, der große, der be¬
rühmte Schauspieler, kennt nicht mehr die Wahrheit, kennt
der berühmte Schauspieler, kennt nicht mehr die Wahr¬
nur noch Worte. Wenn er menschlich schlecht ist, weiß er
heit, kennt nur noch Worte. Wenn er menschlich schlecht
nur, daß er die Rolle gut gespielt hat. Seine Frau, die er
ist, weiß er nur, daß er die Rolle gut gespielt hat.
immer wieder betrügt, trotzdem er sie liebt und sie braucht,
Seine Frau, die er immer wieder betrugt, trotzdem er
verlangt nur Wahrheit, nicht Worte, unter der Bedingung
sie liebt und sie braucht, verlangt nur Wahrheit, nicht
bleibt sie wieder bei ihm. Da hörte sie vom Nebenzimmmer
Worte. Unter der Bedingung bleibt sie wieder bei ihm.
die große Szene, die Herbot einem jungen Mann, dessen
Da hört sie vom Nebenzimmer die große Szene, dieHer¬
Braut er verführt hat, vorspielt. Wahrheit und Lüge, klug
bot einem jungen Mann, dessen Braut er verführt hat,
vermengt, ein Schwall von Worten beruhigen den jungen
Mann und er geht. Doch auch seine Gattin will ihn auf
vorspielt. Wahrheit und Lüge, klug vermengt, ein
immer verlassen: „Das ist ja kein Mensch, sondern ein toll
Schwall von Worten beruhigen den jungen Mann, und
gewordener Hanswurst, der, wenn sich's einmal fügt, auch
er geht. Doch auch seine Gattin will ihn auf immer
bereit ist, einen Menschen zu spielen.“ Aber Herbot läßt
verlassen: „Das ist ja kein Mensch, sondern ein toll ge¬
sie nicht, sie muß mit ins Theater, wo er den Hamlet spielt
wordener Hanswurst, der, wenn sich's einmal fügt,
und bald selbst sagen wird: Worte Worte Worte!
auch bereit ist, einen Menschen zu spielen.“ Aber Herbot
Witz und Gedanken sind hier hübsch und fein gestaktet, ein
läßt sie nicht, sie muß mit ins Theater, wo er den
starker Spielakt, der auch rein äußerlich am wirksamsten
Hamlet spielt und bald selbst sagen wird: Worte ...
erscheint. Wie diese beiden, handelt auch der dritte Ein¬
akter von einer wurmstichigen Ehe, der aber viel dünner und
Worte... Worte! Witz und Gedanken sind hier hübsch
matter ist: Das Bacchusfest. Der Schauplatz ist die
und fein gestaltet, ein starker Spielakt, der auch rein
Halle des Salzburger Bahnhofs, die Schicksale entscheiden
äußerlich am wirkungsvollsten erscheint. Wie diese
sich zwischen zwei Schnellzügen, und wer weiß, ob die schöne
beiden, handelt auch der dritte Einakter von einer
Frau Agnes nicht doch den anderen geheiratet hätte, wenn
wurmstichigen Ehe. Aber viel dünner und matter ist:
der Innsbrucker Schnellzug nicht vierzig Minuten zu spüt
„Das Bacchusfest“. Der Schauplatz ist die Halle
gekommen wäre. So hat der Gatte Zeit, ihr sein neuestes
des Salzburger Bahnhofs, die Schicksale entscheiden
Werk, das Bacchusfest, zu erzählen, er zeigt ihr ihr Erleb¬
sich zwischen zwei Schnellzügen, und wer weiß, ob die
nis in einem anderen Licht, und der junge Mann fährt so¬
schöne Frau Agnes nicht doch den anderen geheiratet
fort nach Paris. Der Schluß ist etwas rätselhaft, sie haßt
und liebt ihren Gatten zugleich und man weiß nicht, ob
hätte, wenn der Innsbrucker Schnellzug nicht vierzig
es nicht nur Worte sind. Herr Walden spielt in allen drei
Minuten zu spät gekommen wäre. So hat der Gatte
Stücken den Mann, am liebenswürdigsten natürlich den
Zeit, ihr sein neuestes Werk, das Bacchusfest, zu er¬
Schauspieler und man bemerkt dabei, daß er jetzt der inter¬
zählen, er zeigt ihr ihr Erlebnis in einem anderen
essanteste Schauspieler des Burgtheaters ist. Neben ihm
Licht, und der junge Mann fährt sofort nach Paris.
waren die Frauenrollen weniger farbig, aber immerhin
Der Schluß ist etwas rätselhaft, sie haßt und liebt
von den Damen Bleibtren, Medelsky und Wohlgemuth gut
ihren Gatten zugleich und man weiß nicht, ob es nicht
dargestellt. Von dem übervollen Hause wurde das
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nur Worte sind. Herr Walden spielt in allen drei
Stücken den Mann, am liebenswürdigsten natürlich
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den Schauspieler, und man bemerkt dabei, daß er jetzt
der interessanteste Schauspieler des Burgtheaters ist.
Neben ihm waren die Frauenrollen etwas farbloser,
aber immerhin von den Damen Bleibtreu, Medelsky
und Wohlgemuth gut dargestellt. Von dem übervollen
Haus wurde das Schauspielerstück mit brausendem
Beifall aufgenommen, die beiden anderen etwas kühler.
Artur Schnitzler wurde oft gerufen, der Applaus war!
nicht bloß Komödie der Hände.