II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 88

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26.1. Kondedie der Jorte zuklus
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Portier und der Zahlkeltner des Salzburger
drei Einakter bevölkern, die Figur eines großen
Bahnhofes, in dem das Bachusfest bei Soda mit
Komödianten am echtesten und glaubhaftesten
Himbeer und Melange mit Gugelhupf sich ab¬
wirkt. Und gerade an ihm will der Autor uns
spielt.
zeigen, daß der virtnose Darsteller, der jeden
Die gesinnungstüchtige Wiener Presse läuft
Abend in einen anderen Charakter schlüpft, am
Sturm gegen die Leitung des Burgtheaters weil
Ende sein eigenes Wesen einbüßt, so daß er kein
sie in dieser ernsten Zeit derartige wurmstichige
Mann mehr ist, sondern nur noch eine klingende
Ehebruchsdramatik auf die Bühne bringt. Man
Schelle. Knapp vor Beginn des Hamlet nimmt
braucht diesen Entrüftungsrummel nicht mitzu¬
der berühmte Hofschauspieler Konrad Herbot
machen, wird aber doch zugeben müssen, daß dem
einem jungen, kreuzbraven Menschen, den er mit
alten Wiener Stoßseufzer: „Glückliche Leut ham
seiner Braut hintergangen hat. und der Rechen¬
sowas a Zeit!“ seine Berechtigung nicht ab¬
zu
schaft von ihm fordert, eine „Große Szene“
zusprechen ist, wenn man Schnitzlers eminentes
vor, um sich reinzuwaschen. Er weiß so geschickt
Können und den großen Apparat des Burg¬
Wahrheit und Lüge zu mischen, gibt so gefühlvolle
theaters in den Dienst solcher Belanglosigkeiten
Extempores von sich, daß er am Ende, wie dies
gestellt sieht.
jeder gute Schauspieler tun soll, beinahe selber an
In der Darstellung feierte das Burgtheater
seine Rolle, diesmal an seinen geheuchelten Edel¬
einen Triumph seiner sorgfältig gepflegten
mut glaubt. Seine Frau hat ihm schon manchen
Sprechkunst, die bis an die Greuzen der unglück¬
Seitensprung verziehen. Jetzt aber, da sie im
lichen Akustik des Hauses geht. Wie schon tele¬
Nebenzimmer Herbots Meisterstück im Komödie¬
graphisch gemeldet wurde, hatte von allen drei
spielen belauscht hat, graut ihr vor dieser ab¬
Einaltern der mittlere, der wirklich die „große
grundtiefen Charakterlosigkeit. Sie kann nur mit
Szene“ bringt, den lantesten Erfolg. Er enthält
einem Menschen zusammenleben, nicht aber mit
eine Bombenrolle — hier von Harry Walden
einem „toll gewordenen Hanswurst. der, wenn
gegeben — und wird sicher seinen Weg über die
sich's einmal fügt, auch bereit ist einen Menschen
Bretter machen, die glücklicherweise nicht die Welt 1
zu spielen.“ Dieser Entschluß hält aber nur
bedeuten, wenn draußen Throne bersten Reiche“
solange vor, bis Herbot, schon im Hamlet=Kostüm.
Ernst Possest.
aus dem Theater herübergestürzt kommt und mit
zittern“.
einer zweiten großen Szene seine harmlose Gattin
abermals in seinen Bann zwingt.
Die Psychologie dieser Figur ist leicht zu ver¬
stehen. Wir haben den eitlen und genußsüchtigen
Virtnosen schon oft genug im Theater und im
Roman begegnet. Dagegen ist das, was uns
Schnitzler in den beiden anderen Einaktern vor¬
setzt, reichlich verstiegen: In der „Stunde des
Erkennens“ die Frau eines Arztes, die einen
anderen, zu wissenschaftlicher Berühmtheit aufge¬
stiegenen Mediziner liebt, sich diesem Geliebten
aber versagt, weil er „ihr Schicksal“ werden
könnte, sich dafür aber umso bereitwilliger von
einem verbummelten Literaten trösten läßt. Dann
den Arzt selber, der um den Betrug seiner Frau
weiß, aber die eheliche Gemeinschaft aufrecht er¬
itt aus: Namburger Trendenhlaß
hält, bis seine Tochter an den Mann gebracht ist,
25001.1975
und der dann erst seiner Frau den Stuhl vor die
Türe setzt. Gegen diesen Arzt seiner Ehre, der
kaliblülig seine Rache zehn Jahre aufspart und
dann brutal wie mit dem Seziermesser im Herzen
Wiener Theater.
seiner Frau herumfährt. ist Calderons gleich¬
Wien, im Oktober.
namige Figur der reinste Waisenknabe. Dies alles
verstehe, wer kann, auch die blutlosen Schemen.
Das Burgtheater hat die Reihe seiner
die das „Bachusfest“ an uns vorüberziehen
diesjährigen Neuheiten mit drei Einaltern von
läßt: den berühmten Schriftsteller, der seine
Artur Schnitzlerseinem Hausdichter, be¬
Frau, die ihn mit einem Gimpel betrogen hat,
gonnen. „Komodie der Worte“ ist dieser
anbrüllt: „Ich hasse dich!“ und dann die Frau
Cyclus überschrieben. Er zeiat Schnitzlers feine,
selber, die erwidert: „Ich dich noch tausendmal
ja überseinerte Kunst der Dialogführung und
mein Geliebter!“ Die einzig lebens¬
mehr —
psychologischen Spitzfindigkeiten im bellsten Lichte.
Bezeichnend ist, daß von allen Gesi####en, die diese wahren Gestalten in diesem Stückchen sind der ##
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