II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 121

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Komoedie der WorteZyklus
Kenstag


redsamkeit geht von seinem Komödianten aus, eine starke,
betäubende Macht der Worte, eine lächelnde, liebenswürdige
Kunst der Lüge und der Überredung. Man denkt an das
groß gewordene Kind, wenn er sich so mit verschmitztem Ge¬
sicht aus allen Schlingen herauszulügen weiß, mit einer
fast treuherzigen Verlogenheit, die gleichsam sich selbst ab¬
bittet. Fräulein Wolff fand den richtigen Ton für ihre
Sophie, die im Grunde nur ganz milde Resignation und
gütiges Verzeihen ist; ohne Tränenseligkeit und Pathos,
auch in ihrer Einpörung immer zum Einlenken bereit.
Auch Herrn Tellers Theaterdirektor gewann sich gute,
heiter überredende Töne; nicht weniger gut und überzeu¬
gend Herr Böh'm als Rechenschaft fordernder Bräutigam
leise, halb schüchtern bei aller scheinbaren Energie.
Schließlich Fräulein Han als kecker Schnabel von Bühnen¬
elevin. — leichtes, geschlossenes Zusammenspiel, eine im
ganzen gerundete Aufführung: Weniger prunkend die dritte
große. Szene, „Das Bacchusfest“ Kein Komödiant,
sondern einer, der Komödien schreibt, führt hier das große
Wort — der Schriftsteller Felix Staufner, der den Ge¬
danken seines „Bacchusfestes“ in die Wirklichkeit versetzt.
Seiné Gattin Agnes ist vom Miazi Schlager-Typus, wenig
tief und wenig beständig, ganz dem Augenblick gehörig,
ganz dem stärkeren Willen unterliegend. Felix Staufner
hat diesen Willen und die Kraft des Wortes, um diese Ehe
immer selbst wieder einzurenken. Auch er hängt an seinem
Verhältnis, wie nur ein angegrauter Fünfziger daran hän¬
gen kann. Und die Melancholie des Verzeihens ist um ihn,
wie die heitere Melodie verführerischer Liebesworte. Der
alt gewordene Anatol. — immer wieder schließt sich der
Kreis-der=Figüren. Wie ganz anders weiß hier Walden
Wort und Phrase zu modulieren, wie unvergleichlich ernster
zeigt sich sein lächelnder Literat dem gesprächigen Schau¬
spieler der „großen Szene“ gegenüber, wie großartig
wieder in dieser feinen, geistvoll überlegenen Art. Köstlich
geriet Herrn Mahr der täppisch verlegene Entführer,
Herrn Giblhauser der gemächliche Bahnhofportier;
Fräulein Sineks Agnes hatte sich vielleicht zu wenig vom
süßen Mädel bewahrt. Um die wenig' dankbaren Rollen in
„Stunde des Erkennens“ mühtey“ sich Frau Kreith¬
Lanius und Herr v. Pidoll. Die Regie des Herrn
Teller schuf einen freundlichen Rahmen zu dieser Ein¬
akter=Serie, deren Erfolg zuyörderst dem stürmisch gefeier¬
ten Gaste zu danken war
Konzert Backhaus. Mlhelm Backhaus spielte Samstag
abend im großen Festsaale des Deutschen Hauses zugunsten
des Österreichischen Flottenvereines. Weder der ausgezeich¬
nete Ruf, der dem sächsischen Pianisten voranging, noch der
patriotische Zweck, dem der Abend gewidmet war, vermoch¬
ien den Saal zu füllen und „man sah viele, die nicht da
waren“. Der flaue Besuch und ein für europäische Begriffe
etwas mittelmäßiger, nicht einmal rein gestimmter Flügel
brückten wohl auf die Stimmung des Künstlers, so daß
wir eigentlich nur den Techniker Backhaus kennen lernten,
den Künstler in ihm nur ahnten. Vergleiche sind schwer,
sicher ist jedoch, daß Backhaus als Techniker an erster Stelle
zu nennen ist. Finger=, Hand=, Arm= und Schultergelenke
arbeiten mit der verblüffenden Präzision einer Maschine;
kristallklarer, kühler Anschlag, die Neigung zu hellen,
harten Farben vorherrschend, wie denn Buckhaus ein Feind
jeder Sentimentalität ist. Bezeichnend, wie er den Des¬
Dur=Mittelsatz im Chopinschen Trauermarsch spielte, dieses
allzu populäre Stück. Backhaus spielte hier nicht mehr Kla¬
vier, er fing an zu instrumentieren: Solotrompete, als
Begleitinstrumente Celli, Bässe und Holzbläser. Gewiß ein
mannhaftes Unternehmen, für das ihm Dank gebührt,
führte es doch zu einer Umdeutung der sonst schwer erträg¬
lichen Sentimentalität dieser Kantilene ins Heroische. Diese
kühle und vornehm wirkende Distanz, die Backhaus der
B=Moll=Sonate gegenüber bewahrte — der erste Satz geriel
ganz prächtig — führte indessen bei der Mondscheinsonate
zu einer leichten Verkühlung der Sitmmung. Man braucht
nicht gerade an die schwer grübelnde Art Lammonds nicht