II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 146

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26.1. Kon „ die der orte—zyklus
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Schnitzters „Komödie der Worte“.
Uraufführung in Frankfurt a. M.
Für sein neues dramatisches Werk, dessen Uraufführung wir
soeben, Dienstag, den 12. Oktober, in Frankfurt a. M. bei¬
wohnten, hat Arthur Schni
eine bitter treffende
überschrift gewählt: „Komödié der Wörke. Bitter, weil
sie nicht nur auf drei besonders mit Worten spielende Lebens¬
bilder zutrifft, sondern auf fast alles, was Schnitzler geschrieben,
auf das ganze Leben, wie dieser wienerische Dichter es sieht und
darstellt. Schnitzlers dramatische Gestalten, und so er selbst,
suchen immer vergeblich nach etwas Festem, Positivem in ihren
zmenschlichen Beziehungen, in der Gefühls= und Gedankenwelt,
fart der Frankfurter Nach
isie finden immer Schein statt Sein — der Zweifel an der Wahr¬
heit bleibt. Treue ist der sehnsüchtig erstrebte, nie erreichte Hort.
Sein letztes Werk, der „Dr. Bernhardi“, war eine Abschweifung
— keine glückliche, eine nach dem groben Theater der Tendenz¬
D
Aus der
sund Lärmmacher zu, — jetzt in den drei Einaktern, die der Titel
„Komödie der Worte“ zusammenfaßt, haben wir wieder den un¬
zverfälschten Schnitzler, wie er sich, ernsthafter und kunstvoller
als Senior an und war vom Jahre 1882 bis 1900 l lun
werdend, aus dem Anatol entwickelt hat. Drei Ehegeschichten
Rur
Vorsitzender des Königlichen Konsistoriums in
Krie
sind's. In keiner fehlt der dritte Ehegenosse, auch ein vierter
Frankfurt. Zun Geheimen Regierungsrat wurde
träg
und fünfter ist wohl wenigstens angedeutet. Durch Worte sind
Sad
er im Jahre 1899 rnannt. 1890 wurde ihm der
die Paare aneinandergefesselt, durch Worte werden sie aus¬
Hep
Rote Adlerorder Klasse mit der Schleife und im
seinandergejagt — auch wo der innere Drang, wahr zu sein, treu
Jahre 1910 der#erbliche Adel verliehen. Sem en¬
zu sein, glühend im Innern lebt, versagt die Kraft in Handlung
ier Sohn Athur# # Gwinnerist Bireklorder #
und Wort. Der Grund für die Unwahrheit und Untreue scheint
Deutschen Bitk # Berlin und Pitalled )es Krey¬
nicht in der menschlichen Natur, nicht in der seelischen Anlage
ßischen Hertenhaeg.
zu suchen, nur an den mechanischen, konventionellen Formen,
in die des Menschen Geist gepreßt, durch die allein er sich aus¬
Uraufführung im Neuen Theater.
drücken und bewegen kann, scheitert das wesenhaft Gute dieser
Drei neue einaktige Dramen, die er mit tiefer
Schnitzlerschen Geschöpfe in ihrem dunklen Drange nach dem—###
Bedeutung unter den Gesamttitel „Komödie
rechten Wege.
der Worte“ stellt, fanden gestern, Dienstag,
Im ersten Stück, „Stunde des Erkennens“, finden
abend im „Neuen Theater“ ihre erste szenische Dar¬
stellung. Alle drei hatten einen tiefgehenden, wenn
wir ein Ehepaar, das zehn Jahre lang in äußerlichem Frieden
auch verschieden begründeten großen Erfolg. Das
miteinander gelebt, so daß frühere Irrungen verziehen uno ver¬
erste, mit zartester Kunst verborgene Seelensphären
he
gessen scheinen. Die Gattin glaubt ihr Leben fest in dem des
entschleiernde „Stunde des Erkennens“ wurde in
Mannes, der ein ehrgeiziger Arzt ist und nicht befriedigt in
reinem Kammerspielton von Marga Leiko, Eugen
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seinem Beruf, verankert. Sie erfayrt in der Stunde des Er¬
Klöpfer und Willi Schröder vorgetragen. Das
spi
zweite Stück, „Die große Szene“, das auch durch
kennens, daß sie sich jahrelang aufs schwerste getäuscht. Er
geistvollen Wit erfrischt, brachte etwas mehr „Thea¬
H
braucht sie nicht, er hat sie nur gebraucht, zynisch und brutal.
ter“. W. Schröder, der hier eine wunderhübsche große
in
Der dritte, ein Kollege des Mannes, der sie lange geliebt, dem sie
Schlagerrolle zu kreieren hatte, Alois Großmann und
be
sich versagt, weil sie sich nicht trennen wollte von Heim und Gatten,
Poldi Sangora konnten hier für den allerherzlichsten
erfährt, daß sie ihn auch geliebt und leidenschaftlich, aber doch
Beifall danken. Auch Direktor Hellmer erschien
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nach dem zweiten Akt und versprach, dem Autor
nicht die reine Frau, die Heilige ist. Einem anderen Mann, der
ni
telegraphisch zum Erfolg zu beglückwünschen. Auch
ihr nicht viel war, dem konnte sie sich hingeben, ihrer schicksal¬
das letzte Stück gewährte geistvolle Unterhaltung
lic
reichen Liebe nachzuleben, ihren Ehebund nicht nur mit heim¬
und seine heitere Wirkung wurde wesentlich unter¬
kei
lichen Worten und Taten, sondern auch im Herzen zu brechen,
stützt durch die nette, launig=bewegte Inszenierung.
mi
dazu fehlte ihr der Wille. Im Irrtum haben die drei ihr
Es hat als originellen Schauplatz eine Bahnhofs¬
Leben verbracht, und einzeln und einsam reißt es sie auseinander.
halle, in der sich um die Hauptdarsteller (Willi
in
Schröder, v. Möllendorf, Olga Fuchs) das bunte,
Deutlicher als im ersten Stück, dessen Vorgeschichte in allzu
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mit der Bahn ankommende und abfahrende Volk
krausen Linien enthüllt wird, entwirft Schnitzler sein Lebensbild
tummelt. —
vor
Die Vorstellung schloß zu später
im zweiten: „Die große Szene“. Dies Stück ist auch auf
Stunde, doch es war ein genußreicher und würdiger füg
der Bühne viel wirksamer. Es enthält neben der sehr dank¬
Theaterabend.
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baren, wenn auch bekannten Figur eines überlegenen, witzigen
Theaterdirektors eine Kean=Rolle. Der geniale Theaterheld ist