gelauert. Die Heirat der Tochter hat den Tag gebracht; Eckold offenbart
sich seiner Frau und schleudert ihr, als sie zum Beweis der Verzeihung
die nach der Irrung vorgefallenen ehelichen Zärtlichkeiten anruft, mit
kaltem, grimmigem Triumph die schändliche Beleidigung ins Gesicht, daß
sie ihm bei jenen Schäferszenen nicht mehr feine Frau, nicht seine
sondern
Freundin, ja, nicht einmal seine Geliebte gewesen sei,
höchstens... Klara ist zerschmettert durch die jahrelange Lüge und die
ihrer Frauenehre angetane Schmach. Aber auch ihr blüht die Rache.
Sie erfährt, daß Eckold irrtümlich Ormin für den Schuldigen hält,
seinen Jugendfreund, dessen Ruhm und Erfolge ihn ohnedies mit heim¬
lichem Neid plagen, und läßt ihren Gaten bei diesem Glauben in der
richtigen Vermutung, daß die Persönlichkeit Ormins den Stachel des
Ehebruchs noch vergifte. Eckold wird, nachdem er sein garstiges Mütchen
gekühlt, schwankend in seinem Scheidungsentschluß, aber Klara verläßt
das Haus auf Nimmerwiedersehen. Der Gesamttitel lautet nicht um¬
sonst Komödie der Worte; eine kurze Inhaltsangabe erschöpft die
Gedankengänge nicht. Als Bodensatz bleibt jedenfalls eine Empfindung
des Ekels vor diesem seelischen Schmutz, vielleicht um so mehr, als er#
bei Klara mit edlern Gefühlen überkleistert ist. Gespielt wurde das
Stück im Schauspielhaus recht gut von Walter Dysing als
Eckold, Margarete Frey als Klara und Paul Senden der indes
zu jung in der Maske und auch zu unbedeutend war, als Professor
Ornim. Der zweite Einakter: „Große Szene“ ist harmloser und
von den drei Stücken das erfreulichste. Sophie, das hübsche, wackere
Frauchen des großen Heldenschauspielers Herbot, ist eben zu ihrem
liebenden Gatten zurückgekehrt, den sie wegen grober Untreue kurze
Zeit verlassen hatte. Als der Bräutigam des Mädchens, mit dem Herbot
gefrevelt, Rechenschaft verlangt, drängt Sophie ihren Gatten, nun
noch einmal zu lügen, um die unglückliche Sache aus der Welt zu
schaffen. Und Herbot lügt, lügt mit allen Schikanen, lügt bald in
Brustton des ritterlichen Biedermanns, bald mit Tränen in der Stimme,
lügt so erfolgreich, daß der genasführte Bräutigam ihn befriedigt ver¬
läßt und Sophie, die hinter dem Vorhang gelauscht hat, sich von
ihrem Mann aufs neue lossagt, weil ihr vor solch unerhörter Virtuvsität
im Lügen graut. Aber Herbot, der sich unterdessen in das Hamlet¬
kostüm geworfen hat, wirbt, einige Augenblicke vor Beginn der Vor¬
stellung, so stürmisch um die kleine Frau, daß sie halb gegen ihren
Willen bei dem frohlockenden Sünder ausharrt. Ausgezeichnet und
mit köstlichem Humor ist der Mime gezeichnet, bei dem wahres Emp¬
finden und Komödienantenphrase sortwährend ineinanderfließen, so daß !
ihm bei aller eiteln Pose doch noch ein Rest verföhnender Naturburschen¬
Naivität verbleibt. Vergleiche den unsterblichen Delobelle. Ernst Gode
traf in der Darstellung des Bretterhelden den richtigen Ton und
führte die dankbare Rolle mit trefflichem Verständnis durch; mit hoher
Anerkennung sind ferner zu nennen: Else Baumbach als Sophie
und Walter Korth als komischer Theaterdirektor; die gleichgültige
Rolle des betrogenen Bräutigams gab Paul Würthenberger an¬
gemessen. Der letzte Einakter: „Das Bachusfest“ ist recht matt.
Ein junger Sportsmann hat mit der Frau eines Dichters geliebelt,
während dieser in der Einsamkeit ein Drama verfaßte. Die beiden
wollen ihre Liebelei durch nachfolgende Ehe legitimieren und erwarten
am Bahnhof den Dichter, um ihm ihren Entschluß kundzutun. Der
überlegen schlaue Dichter wittert den Braten, läßt in scheinbar jovialer
Laune die beklommenen Leutchen gar nicht zu einem Geständnis kommen
und führt ihnen durch die Blume, durch ein Gleichnis aus seinem
antiken Drama: Das Bachusfest, dessen flaue, gequälte Geistreichelei aus¬
führlich darzulegen nicht verlohnt, die Torheit ihres Beginnens zu
Gemüt. Der Sportsmann zieht ab ine ein begossener Pudel, die Gatten
bleiben zusammen in haßvermischter Liebe. Die Moral des Stückes
hält die goldene Mitte zwischen der Ethik eines Zuhälters und der eines
anständigen Mannes. Bei der Auffühung im Schauspielhaus war das
Treiben auf dem kleinen Bahnhof sehr nett in Szene gesetzt, im übrigen
war sie verfehlt. Der Sportsmann ist ein Flachkopf, ein korrekter,
nüchterner Dutzendmensch; Georg Kiesau machte aus ihm ein derb
komisches Zerrbild im Stile des aus Possen bekannten schüchternen
Kandidaten. Dadurch wird der Fehltritt der Frau des Dichters, einer
keineswegs auf den Kopf gefallenen Dame, vollends unbegreiflich; Lotte
Klinder spielte die Rolle demgemäß ziemlich farblos. Richard
Aßmann unterstrich durch sein Minenspiel und dämonisches Augen¬
rollen zu aufdringlich den Doppelsinn der selbstgefälligen Redereien
des Dichters; solcher Winke mit dem Zaunpfahl bedarf es kaum. Der
Beifall des Publikums galt hauptsächlich dem zweiten Stück, der
„Großen Szene“.
teschenungase dane Gerant.
Kölnische Volkszeitung
Ausschnitt aus:
Köln a. Rh.
180K1 1975
vom:
Theater und Konzerte.
— Kölner Schauspielhaus. Gestern war im Schauspielhaus
großer Wäschetag. Drei Parteien wuschen coram populo — am
Waschtrog stand Hr. Arthur Schnitzler — ihre schmutzige
Wäsche ein Arzt nebst Frau Ge#chauspieler=Ehepaar
und ein Schriftsteller mit Frau und zugehörigem Liebhaber. Sie
alle laufen, mit Ibsen zu sprechen, mit der Lebenslüge einher,
alle haben, wieder modern zu reden, die Ehefessel durchbrochen,
in einem Falle schon vor zehn Jahren. „Unser Liebesleben,“ sagt
der einzig gesunde Mann, der, Schriftsteller, „ist getrübt, ja ver¬
giftet von üge und Selbstbetrug, von Eifersucht und Angst, von
Frechheit und Reue.“ Auch das ist ibsensch, daß wir nur die
letzten Szenen, gleichsam die Bilanzabrechnungen erleben und das
vor der Gegenwart Geschehene nur erzählt bekommen. Es sind ge¬
wissermaßen Novellen, die von hinten anfangen. Seien wir froh
dieserhalb, denn Erfreuliches und Erhebendes ist es nicht, was uns
sonst auf der Bühne gezeigt würde. „Aber Schnitzler hat uns doch
immer etwas zu sagen!“ Hat er? Ist es wirklich so interessant zu
wissen, mit wem Frau Dr. med. Karl Eckold vor zehn Jahren
ihren Gatten betrog, ob es der Prof. Ormin war oder der Schriftsteller
Flöding? Zumal wo dem armen Publikum von dem Lügengeschwätz
so dumm im Kopf wird, daß es am Schlusse die Frage selbst kaum
beantworten kann? „Aber spannend sind diese Sachen!“ Auch ein
Kolportageroman kann spannend sein; allerdings ist zuzugeben,
daß es Schnitzler versteht, einen Dialog zu bauen, daß er alles
sagen kann, ohne direkt unanständig zu werden, daß er oft amüsant,
mitunter geistreich sein kann, und er könnte in diesem Falle darauf
hindeuten, daß er in den drei Einaktern doch nur eine Komödie
der Worte habe schreiben wollen. Das alles zugegeben; aber ist
das die Aufgabe der Bühne, und gerade in jetziger Zeit, in der
gesunde kräftige Kost statt der Krankensuppen verabreicht
werden sollte. Und das Denken all dieser Personen ist doch patho¬
logisch oder nur so, wie es Hr. Schnitzler zu seinen 1
Wortkomödien gerade gebrauchen konnte, um zu blüffen.
Das Goethesche Rezept für den Dichter, die Menschen
zu verwirren, hat er getreulich befolgt. Frau Eckold gesteht dem
sich verabschiedenden Professor Ormin, daß sie ehemals die Seine
nicht habe werden können, weil sie ihn geliebt habe; sie war also
nach ihrer Logik in die Notwendigkeit versetzt, ihren Gatten mit
einem anderen zu betrügen! Dr. Eckold sah alles kommen, und
sein einziges Streben in dieser Sachlage war, ihr in dem Ehe¬
bruch zuvorzukommen!! Und noch heute, nach zehn Jahren, freut
er sich dessen! Sind das noch normale Menschen? Jetzt, nach der
Verheiratung ihrer Bettine, hält er es für unumgänglich, sich
mitten in seiner konventionellen Lebensführung von der vor einem
Jahrzehnt Ungetreuen zu scheiden. Die Sache wäre reichlich
banal, wenn Schnitzler nicht das schon angedeutete Spiel mit der
Person des Zerstörers des ehelichen Glückes ausführte. Dieser
Stunde des Erkennens — auch nur ein Wort — folgt die
Große Szene die zwischen dem Schauspieler Konrad Herbot,
Edgar Gley, (dessen Braut jener verführt hat), Frau Herbot
und dem Theaterdirektor sich abspielt. Frau Sophie ist ver¬
zeihend zu Herbot zurückgekehrt; nur einmal noch soll er lügen
und Komödie spielen, als Edgar Gley ihm seinen Verdacht vortragt.
Aber diesen Augenblick hat Herbot vorausgesehen und sein Verhalten
mit der Verführten besprochen, worüber Frau Sophie so sehr in
Aufregung gerät, daß sie von neuem fort will. Das ist ziemlich
unbegreiflich, aber Schnitzler braucht das Verhalten zu weiteren
Effekten. So macht sich überall etwas Unnatürlich=Gekünsteltes
bemertbar. Ist diese dankbare Charakteristik des aufgeblasenen
Schauspielers auch nicht neu, so ist sie doch dank des witzigen
Dialogs am fesselndsten unter diesen Skizzen; am schwächsten
wirkte die letzte, Das Bacchusfest, in dem die Frau des Schrift¬
stellers Staufer mit ihrem Geliebten Dr. Wernig ihren Mann auf
dem Bahahof zurückerwartet, um ihm zu sagen, daß das Schicksal
sie fürder für den Dr. Wernig bestimmt habe! Aber Staufer, der
die Sachlage im voraus durchschaut, läßt die beiden gar nicht zu
Wort kommen und zieht seine Frau wieder zu sich zurück. Er
erzählt ihnen von den Baechanalien, die er in einem neuen Werk
symbolisch verwerterhahe. Auch hier sind es Worte, mit denen
sich in der Lebenswirttichee wohl kaum eine Wirkung erzielen
ließe.
Die Aufführung hielt sich unter ve. Leitung des Herrn Kiesau
auf anerkennenswerter Höhe. Herr Dysing s###
und eitlen Argt plausibel, der Prof. Ormin des kalt ehrgeizigen
war nicht zu auforinglich; Frau Freys Klara Eckold U. Senden
großenteils unter schwerer Verständlichteit. In anderen Thealder
wurden die drei männlichen Hauptpersonen von einem Darsteller“
gegeben. Bei uns hatten Herr Gode den Schauspieler und Herr
Atmann den Schriftsteller übernommen. Der erstere blieb der
genialen Fahrigkeit des Komödianten etwas schuldig; er müßte
jede Spur von Nüchternheit abstreifen. Frl. Baumbach schattierte
die Rolle seiner Frau Sophie mit Glück ein wenig ins Wienerische.
Herr Würthenberger umgab den Edgar Gley mit steif kondentio¬
neller Korrektheit und Herr Korth war ein unterhaltsamer Theater¬
direktor. Im letzten Einakter stand dem gesunden, so gar nicht
nach Wiener Kaffeehaus; riechenden Schripsteller Staufer des
Herrn Aßmann Frl. Klinder als Frau gegenüber, während Herr ###
Kiesau den Dr. Weing reichlich jungenhaft zeichnete. Wo dieser!
Nawling den Doktortitel herhatte, mochte Gott wissen. Die Auf¬
„ #as aesten Stückes war ziemlich kühl, das zweite entfesselte
sich seiner Frau und schleudert ihr, als sie zum Beweis der Verzeihung
die nach der Irrung vorgefallenen ehelichen Zärtlichkeiten anruft, mit
kaltem, grimmigem Triumph die schändliche Beleidigung ins Gesicht, daß
sie ihm bei jenen Schäferszenen nicht mehr feine Frau, nicht seine
sondern
Freundin, ja, nicht einmal seine Geliebte gewesen sei,
höchstens... Klara ist zerschmettert durch die jahrelange Lüge und die
ihrer Frauenehre angetane Schmach. Aber auch ihr blüht die Rache.
Sie erfährt, daß Eckold irrtümlich Ormin für den Schuldigen hält,
seinen Jugendfreund, dessen Ruhm und Erfolge ihn ohnedies mit heim¬
lichem Neid plagen, und läßt ihren Gaten bei diesem Glauben in der
richtigen Vermutung, daß die Persönlichkeit Ormins den Stachel des
Ehebruchs noch vergifte. Eckold wird, nachdem er sein garstiges Mütchen
gekühlt, schwankend in seinem Scheidungsentschluß, aber Klara verläßt
das Haus auf Nimmerwiedersehen. Der Gesamttitel lautet nicht um¬
sonst Komödie der Worte; eine kurze Inhaltsangabe erschöpft die
Gedankengänge nicht. Als Bodensatz bleibt jedenfalls eine Empfindung
des Ekels vor diesem seelischen Schmutz, vielleicht um so mehr, als er#
bei Klara mit edlern Gefühlen überkleistert ist. Gespielt wurde das
Stück im Schauspielhaus recht gut von Walter Dysing als
Eckold, Margarete Frey als Klara und Paul Senden der indes
zu jung in der Maske und auch zu unbedeutend war, als Professor
Ornim. Der zweite Einakter: „Große Szene“ ist harmloser und
von den drei Stücken das erfreulichste. Sophie, das hübsche, wackere
Frauchen des großen Heldenschauspielers Herbot, ist eben zu ihrem
liebenden Gatten zurückgekehrt, den sie wegen grober Untreue kurze
Zeit verlassen hatte. Als der Bräutigam des Mädchens, mit dem Herbot
gefrevelt, Rechenschaft verlangt, drängt Sophie ihren Gatten, nun
noch einmal zu lügen, um die unglückliche Sache aus der Welt zu
schaffen. Und Herbot lügt, lügt mit allen Schikanen, lügt bald in
Brustton des ritterlichen Biedermanns, bald mit Tränen in der Stimme,
lügt so erfolgreich, daß der genasführte Bräutigam ihn befriedigt ver¬
läßt und Sophie, die hinter dem Vorhang gelauscht hat, sich von
ihrem Mann aufs neue lossagt, weil ihr vor solch unerhörter Virtuvsität
im Lügen graut. Aber Herbot, der sich unterdessen in das Hamlet¬
kostüm geworfen hat, wirbt, einige Augenblicke vor Beginn der Vor¬
stellung, so stürmisch um die kleine Frau, daß sie halb gegen ihren
Willen bei dem frohlockenden Sünder ausharrt. Ausgezeichnet und
mit köstlichem Humor ist der Mime gezeichnet, bei dem wahres Emp¬
finden und Komödienantenphrase sortwährend ineinanderfließen, so daß !
ihm bei aller eiteln Pose doch noch ein Rest verföhnender Naturburschen¬
Naivität verbleibt. Vergleiche den unsterblichen Delobelle. Ernst Gode
traf in der Darstellung des Bretterhelden den richtigen Ton und
führte die dankbare Rolle mit trefflichem Verständnis durch; mit hoher
Anerkennung sind ferner zu nennen: Else Baumbach als Sophie
und Walter Korth als komischer Theaterdirektor; die gleichgültige
Rolle des betrogenen Bräutigams gab Paul Würthenberger an¬
gemessen. Der letzte Einakter: „Das Bachusfest“ ist recht matt.
Ein junger Sportsmann hat mit der Frau eines Dichters geliebelt,
während dieser in der Einsamkeit ein Drama verfaßte. Die beiden
wollen ihre Liebelei durch nachfolgende Ehe legitimieren und erwarten
am Bahnhof den Dichter, um ihm ihren Entschluß kundzutun. Der
überlegen schlaue Dichter wittert den Braten, läßt in scheinbar jovialer
Laune die beklommenen Leutchen gar nicht zu einem Geständnis kommen
und führt ihnen durch die Blume, durch ein Gleichnis aus seinem
antiken Drama: Das Bachusfest, dessen flaue, gequälte Geistreichelei aus¬
führlich darzulegen nicht verlohnt, die Torheit ihres Beginnens zu
Gemüt. Der Sportsmann zieht ab ine ein begossener Pudel, die Gatten
bleiben zusammen in haßvermischter Liebe. Die Moral des Stückes
hält die goldene Mitte zwischen der Ethik eines Zuhälters und der eines
anständigen Mannes. Bei der Auffühung im Schauspielhaus war das
Treiben auf dem kleinen Bahnhof sehr nett in Szene gesetzt, im übrigen
war sie verfehlt. Der Sportsmann ist ein Flachkopf, ein korrekter,
nüchterner Dutzendmensch; Georg Kiesau machte aus ihm ein derb
komisches Zerrbild im Stile des aus Possen bekannten schüchternen
Kandidaten. Dadurch wird der Fehltritt der Frau des Dichters, einer
keineswegs auf den Kopf gefallenen Dame, vollends unbegreiflich; Lotte
Klinder spielte die Rolle demgemäß ziemlich farblos. Richard
Aßmann unterstrich durch sein Minenspiel und dämonisches Augen¬
rollen zu aufdringlich den Doppelsinn der selbstgefälligen Redereien
des Dichters; solcher Winke mit dem Zaunpfahl bedarf es kaum. Der
Beifall des Publikums galt hauptsächlich dem zweiten Stück, der
„Großen Szene“.
teschenungase dane Gerant.
Kölnische Volkszeitung
Ausschnitt aus:
Köln a. Rh.
180K1 1975
vom:
Theater und Konzerte.
— Kölner Schauspielhaus. Gestern war im Schauspielhaus
großer Wäschetag. Drei Parteien wuschen coram populo — am
Waschtrog stand Hr. Arthur Schnitzler — ihre schmutzige
Wäsche ein Arzt nebst Frau Ge#chauspieler=Ehepaar
und ein Schriftsteller mit Frau und zugehörigem Liebhaber. Sie
alle laufen, mit Ibsen zu sprechen, mit der Lebenslüge einher,
alle haben, wieder modern zu reden, die Ehefessel durchbrochen,
in einem Falle schon vor zehn Jahren. „Unser Liebesleben,“ sagt
der einzig gesunde Mann, der, Schriftsteller, „ist getrübt, ja ver¬
giftet von üge und Selbstbetrug, von Eifersucht und Angst, von
Frechheit und Reue.“ Auch das ist ibsensch, daß wir nur die
letzten Szenen, gleichsam die Bilanzabrechnungen erleben und das
vor der Gegenwart Geschehene nur erzählt bekommen. Es sind ge¬
wissermaßen Novellen, die von hinten anfangen. Seien wir froh
dieserhalb, denn Erfreuliches und Erhebendes ist es nicht, was uns
sonst auf der Bühne gezeigt würde. „Aber Schnitzler hat uns doch
immer etwas zu sagen!“ Hat er? Ist es wirklich so interessant zu
wissen, mit wem Frau Dr. med. Karl Eckold vor zehn Jahren
ihren Gatten betrog, ob es der Prof. Ormin war oder der Schriftsteller
Flöding? Zumal wo dem armen Publikum von dem Lügengeschwätz
so dumm im Kopf wird, daß es am Schlusse die Frage selbst kaum
beantworten kann? „Aber spannend sind diese Sachen!“ Auch ein
Kolportageroman kann spannend sein; allerdings ist zuzugeben,
daß es Schnitzler versteht, einen Dialog zu bauen, daß er alles
sagen kann, ohne direkt unanständig zu werden, daß er oft amüsant,
mitunter geistreich sein kann, und er könnte in diesem Falle darauf
hindeuten, daß er in den drei Einaktern doch nur eine Komödie
der Worte habe schreiben wollen. Das alles zugegeben; aber ist
das die Aufgabe der Bühne, und gerade in jetziger Zeit, in der
gesunde kräftige Kost statt der Krankensuppen verabreicht
werden sollte. Und das Denken all dieser Personen ist doch patho¬
logisch oder nur so, wie es Hr. Schnitzler zu seinen 1
Wortkomödien gerade gebrauchen konnte, um zu blüffen.
Das Goethesche Rezept für den Dichter, die Menschen
zu verwirren, hat er getreulich befolgt. Frau Eckold gesteht dem
sich verabschiedenden Professor Ormin, daß sie ehemals die Seine
nicht habe werden können, weil sie ihn geliebt habe; sie war also
nach ihrer Logik in die Notwendigkeit versetzt, ihren Gatten mit
einem anderen zu betrügen! Dr. Eckold sah alles kommen, und
sein einziges Streben in dieser Sachlage war, ihr in dem Ehe¬
bruch zuvorzukommen!! Und noch heute, nach zehn Jahren, freut
er sich dessen! Sind das noch normale Menschen? Jetzt, nach der
Verheiratung ihrer Bettine, hält er es für unumgänglich, sich
mitten in seiner konventionellen Lebensführung von der vor einem
Jahrzehnt Ungetreuen zu scheiden. Die Sache wäre reichlich
banal, wenn Schnitzler nicht das schon angedeutete Spiel mit der
Person des Zerstörers des ehelichen Glückes ausführte. Dieser
Stunde des Erkennens — auch nur ein Wort — folgt die
Große Szene die zwischen dem Schauspieler Konrad Herbot,
Edgar Gley, (dessen Braut jener verführt hat), Frau Herbot
und dem Theaterdirektor sich abspielt. Frau Sophie ist ver¬
zeihend zu Herbot zurückgekehrt; nur einmal noch soll er lügen
und Komödie spielen, als Edgar Gley ihm seinen Verdacht vortragt.
Aber diesen Augenblick hat Herbot vorausgesehen und sein Verhalten
mit der Verführten besprochen, worüber Frau Sophie so sehr in
Aufregung gerät, daß sie von neuem fort will. Das ist ziemlich
unbegreiflich, aber Schnitzler braucht das Verhalten zu weiteren
Effekten. So macht sich überall etwas Unnatürlich=Gekünsteltes
bemertbar. Ist diese dankbare Charakteristik des aufgeblasenen
Schauspielers auch nicht neu, so ist sie doch dank des witzigen
Dialogs am fesselndsten unter diesen Skizzen; am schwächsten
wirkte die letzte, Das Bacchusfest, in dem die Frau des Schrift¬
stellers Staufer mit ihrem Geliebten Dr. Wernig ihren Mann auf
dem Bahahof zurückerwartet, um ihm zu sagen, daß das Schicksal
sie fürder für den Dr. Wernig bestimmt habe! Aber Staufer, der
die Sachlage im voraus durchschaut, läßt die beiden gar nicht zu
Wort kommen und zieht seine Frau wieder zu sich zurück. Er
erzählt ihnen von den Baechanalien, die er in einem neuen Werk
symbolisch verwerterhahe. Auch hier sind es Worte, mit denen
sich in der Lebenswirttichee wohl kaum eine Wirkung erzielen
ließe.
Die Aufführung hielt sich unter ve. Leitung des Herrn Kiesau
auf anerkennenswerter Höhe. Herr Dysing s###
und eitlen Argt plausibel, der Prof. Ormin des kalt ehrgeizigen
war nicht zu auforinglich; Frau Freys Klara Eckold U. Senden
großenteils unter schwerer Verständlichteit. In anderen Thealder
wurden die drei männlichen Hauptpersonen von einem Darsteller“
gegeben. Bei uns hatten Herr Gode den Schauspieler und Herr
Atmann den Schriftsteller übernommen. Der erstere blieb der
genialen Fahrigkeit des Komödianten etwas schuldig; er müßte
jede Spur von Nüchternheit abstreifen. Frl. Baumbach schattierte
die Rolle seiner Frau Sophie mit Glück ein wenig ins Wienerische.
Herr Würthenberger umgab den Edgar Gley mit steif kondentio¬
neller Korrektheit und Herr Korth war ein unterhaltsamer Theater¬
direktor. Im letzten Einakter stand dem gesunden, so gar nicht
nach Wiener Kaffeehaus; riechenden Schripsteller Staufer des
Herrn Aßmann Frl. Klinder als Frau gegenüber, während Herr ###
Kiesau den Dr. Weing reichlich jungenhaft zeichnete. Wo dieser!
Nawling den Doktortitel herhatte, mochte Gott wissen. Die Auf¬
„ #as aesten Stückes war ziemlich kühl, das zweite entfesselte