II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 172

26.1. Konoedie der Norte zyklus
(Guchenangabe onne Send.,
Der Tag, Berlin
Ausschnitt aus:
290411975
vom:
* Arthur Schnitzler ist in Berlin einge¬
W
m Sonn¬
tröffen, um-den¬
abend stattfindenden Erstaufführung seiner „Ko¬
mödie der Worte" im Lessing=Theater beizu¬
*
wohnen.
—ct aus.
#e Morgenpost, Berlin
om:
24011975
itlesvre der Worte“, die
(drei Einakter, die im Wiener Burgtheater ihre
Uraufführung hatten, wurden gestern abend zum
ersten Male im Lessing=Theater gegeben. In allen
drei Stücken hatte Bassermann die Haupt¬
rolle. Am stärksten wirkte dank seinem lebens¬
vollen, übermütigen Spiel in der Partie des Tra¬
göden Konrad Herbot, das zweite der kleinen
Dramen, die „Große Szene“. Mit Basser¬
mann wurde Schnitzler hervorgerufen. Einmal
schien es, als sei der Abend gefährdet; ein zischen¬
des Geräusch, das durch den Bruch eines Dampf¬
rohres entstand. wurde im Zuschauerraum hörbar.
Nach kurzer Pause erschien ein Feuerwehrmann,
der die Aengstlichen beruhigte. Die Darstellung
wurde wieder ausgenommen und ging nun ganz
ungestört weiter
„Wenn zwei Hochzeit machen.“ Die neue
Posse des Berliner Theaters, von den
Hausdichtern Rudolf Bernauer und Rudolf
Schanzer erdacht, von den Hauskomponisten
Walter Kollo und Willy Bredschneider
mit heiteren Melodien verziert, von den belieb¬
ten und bewährten darstellerischen Kräften der
Bühne sorgsam und mit Glück ins beste Licht
gerückt, fand gestern das alte anhängliche Publi¬
kum, das mit eben diesen Autoren, Komponisten
und Schauspielern durch Dick und Dünn geht.
Ein paar neue künftige Lieblinge waren dazu¬
gekommen, denn außer Oskar Sabo, Lisa
Weise, Josefine Dora teilten sich noch Josef
Plaut, der ein paar ausgezeichnete Schau¬
spielerparodien zum besten geben konnte und
Else Kenter, eine fesche Soubrette, die famos
Czardas tanzt, in den Beifall des Hauses. Die
Not der Künstler gibt das ernsthafte Grund¬
motiv und die Heirat eines Jünglings mit seiner
eigenen Schwiegermutter die scherzhafte Kata¬
strophe des Abends, der reizende szenische Ein¬
fälle bringt. Jeder der Mithelfer am Gelingen
wurde durch reiche Anerkennung belohnt.
box 32/3
Ausschnitt aus: Tägliche Rundschau, Berlis
240K11915
vom:
Hus dem Kunstleben.
Lessing-Theater.
Artur Schnitzler: „Kamödie der Worte“.
Im mittelsten Stück der „großen Szene“ gab's eine
kleine „Panik“. Ein verdächtiges Zischen und Sausen, in
dumpferer Tonart, als man es bei mißvergnügten Zu¬
schauern zu hören pflegt, veranlaßte ängstliche Gemüter aus
dem Parkett zu flüchten — der Vorhang fiel. Glücklicher¬
weise fand ein Feuerwehrmann aus dem Stegreif das rechte
Stichwort zum Wiederbeginn des Spiels, er erschien vor der
Gardine, streckte majestötisch die Hand aus, sprach das er¬
lösende Wort: „Dampfheizung!“, worauf Beruhigung ein¬
trat. Trotz diesem Zwischenspiel höchst unschnitzlerischer Art
brachte dieser Einakter die Entscheidung des Abends, einen
durchschlagenden Erfolg, der den anwesenden Dichter auf die
Bühne rief. In der Tat ist „Die große Szene“ der ge¬
lungenste der drei Einakter. Schnitzler zerlegt darin die
zweifelhafte Seele eines großen Schauspielers, der die Bühne
mit dem Leben verwechselt. Die selbstgefällige Freude
an seiner Verstellungskunst hat bei diesem Mimen längst
allen Lebensernst überwuchert. Er bedenkt sich keinen
Augenblick, die Braut seines Freundes zu verführen und
diesem, als er ihn zur Rechenschaft ziehen will, eine „große
Szene“ voll Lug und Trug, eine meisterhafte Komödie des
Gefühls vorzuspielen. Seine Frau hört im Nebenzimmer
das Gespräch mit an und, obwohl sie empört ist über seine
Niedertracht, hat sie, als der große Mime im Hamletkostüm
vor sie hintritt, nicht die Kraft, ihn zu verlassen. Weniger
glaubhaft und auch weniger erquicklich ist das erste Stück, in
dem ein Arzt sich zehn Jahre Zeit nimmt, sich an seiner Fraus
für einen Treubruch zu rächen, weil er erst seine Tochter ver¬
sorgt wissen will. Als der Zeitpunkt gekommen ist, stößt er
seine Frau in reichlich brutaler Art von sich. Harmlos und
zunbedeutend endlich ist das dritte Stück „Bacchusfest“. Im
Wartesaal eines kleinen Gebirgsbahnhofs fertigt der Schrift¬
steller Staufner einen jungen Doktor, der sich seiner Frau¬
kliebevoll angenommen hat, in überlegener Weise ab, indem
der ihm dey griechischen Brauch des Bacchusfestes als warnen
des Beispiel erzählt. Auf diesem Fest dürfen sich Männlein
und Weiblein nach freier Wahl finden, mit Tagesanbruch
aber ist alles vorbei und das Paar, das seine in dieser Nacht
zangeknüpften Beziehungen weiter pflegt, ist dem Tode ver¬
fallen.
Im ersten und letzten Stück täuscht ein feingeschliffener
zund witziger Dialog — Schnitzler ist witziger geworden seitt
seiner letzten Neuheit — über das teils Schiefe, teils Belang¬
klose des Inhalts hinweg. Das Schauspielerstück ist die beste
[Gabe des Abends; wie immer ist Schnitzler in der#
Komödiantenumwelt am natürlichsten. Hier machte auch
[Albert Bassermann, der in allen drei Stücken die
Hauptrolle spielte, den stärksten Eindruck; es war unvergleich¬
lich, wie er das große Kind im Künstler, das völlig Lebens¬
fremde und Haltlose, dabei doch Schlaue und Selbstsüchtige
dieses Charakters vereinte. Neben ihm stand künstlerisch am
„höchsten Lina Lossen die im ersten Akt der Frau des
Arztes mehr Seele, Weiblichkeit und Lebenswahrheit gab
als der Dichter. Aus der sonstigen Darstellung, die von
Viktor Barnowsky geschickt geleitet wurde, sind
Traute Dumcke=Carlsen und die Herren Theodor
Loos und Kurt Götz zu nennen; Darsteller, wie der des
Nebenbuhlers im ersten Akt, sollten am Lessing=Theater nicht
in größeren Rollen beschäftigt werden.
Blickt man auf den Abend als Ganzes zurück, so bekennt
man gern, daß er unterhaltend war, im Mittelstück sogar
fesselnd. Aber wenn die Augenblickswirkungen eines glän¬
zend gewebten Dialogs verflogen sind, sagt man sich doch, daß#
drei tändelnde Ehebruchstücke an einem Abend in der heutigen
Zeit, wo Hunderttausende von deutschen Frauen um ihre
Männer sorgen oder gar trauern, so fehl am Ort sind wie
nur möglich. Wer dafür kein Gefühl hat, mit dem ist natür¬
lich nicht darüber zu streiten. „Gefühl ist alles.“ Schnitzler
selber wird vermutlich die Achseln zucken über solche Ein¬
wände; er hat einmal das Bekenntnis abgelegt: „Wir spielen
immer; wer es weiß, ist klug.“ Aber es ist ein großer Irr¬
tum, daß solche Klugheit wirklich das Höchste im Leben sei.
K. Str.