II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 173

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26. 1. Konoedie der Norte— zyklus
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am 7
Beiblatt.
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„Ma
Wort nicht aus, er deutet es nur an, aber die Frau
Nam
ersaßt es wohl und geht weg. Das Geschichtchen
„Komödie der Worte“
wär'
ist sehr gekünstelt konstruiert, ein innerer Effekt
Poin
wird auf den anderen getürmt und Lebenswahr¬
Arthur Schnitzlers Einakterfolge im
Arm
scheinlichkeit wird für den dämonisch=überlegen
Lessingtheater.
tuenden Gatten ebenso wenig gefordert wie für die
Frau, die den Eheherrn mit gleichfalls „diaboli¬
Beinahe hätte diese Schnitzlerpremiere ein vor¬
scher“ Ironie im Glauben läßt, sie habe ihn mit
zeitiges Ende gefunden: verdächtige Geräusche, die
dem betrogen, den er im Sinn hat. In der Tat
gleich in die erste Szene des zweiten und besten
war's ein ganz anderer.
der drei Einakter hineinknisterten, hineinschlurften
und hineinzischten, erzeugten eine Unruhe, die schon
Dies Spiel wird in Aerztekreisen ehegebrochen.
die Wendung zur Panik nahm, als der Vorhang
Es könnte ebensogut unter Legationsräten oder
niederging. Ein schnurrbärtiger Feuerwehrmann
Geschüzingenieuren vorgehen. Nicht so neben¬
erschien oben auf der Bühne, just dort, wo sich
sächlich ist der Nebenberuf — der Hauptberuf
sonst die Autoren bedanken und die Direktoren
hein
Schnitzlerscher Menschen ist die Liebe — des
erzählen, daß sie den fern weilenden Dichtern
bedi¬
„Helden“ im zweiten Stück, der „Großen
telegraphisch Mitteilung machen würden —, er er¬
Kin
Szene“. Was der große Mime Konrad Herbot
schien, milde und beruhigend lächelnd, mit sänfti¬
erlebt, das kann im wesentlichen nur einem
zen¬
gender Geste und sagte die trostreichen Worte:
Schauspieler passieren, dem reife Frauen und Back¬
hättz
„Es is nichts!“
fische nachrennen und der in Liebesdingen Mein
wal
„Na, was ist es denn?“
und Dein zu verwechseln gewohnt ist. Konrad
ihm:
„Wasserrohrbruch?“
Herbot, der große Conrad Herbot, der die Braut
erbie
eines braven jungen Mannes verführt hat, redet
„An der Heizung?“
stilli
mit dem riesenhaften Apparat von Worten, mit
den¬
Ein nervöser Dialog, der Feuerwehrmann
dem Sammelsurium von Sentimentalitäten,
stins
lächelt, verschwindet, die Schwachnervigen, die
Lügen, pathetischen Posen, das in seiner von hun¬
wich
schon im Weglaufen waren, nehmen ihre Plätze
dert Rollen durchsetzten Schauspielerseele herum¬
kan
ein, es wird wieder dunkel im Saal, der Vor¬
schwirrt, dem Bräutigam alles aus. Er schwin¬
Bli¬
hang geht hoch, und Forest und Else Bassermann
delt ihm eine falsche Wahrheit so lange vor, bis
setzen dort wieder ein, wo sie vorhin abbrechen
er beinahe selbst daran glaubt und in maßloser
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mußten. Die Unterbrechung hatte dem Mittel¬
Bewunderung seiner selbst dann den Hamlet spielen
liel
stück dieser neuesten Einakter=Dreiheit Schnitzlers
geht. Aber er kann nicht auftreten, wenn seine
nicht im geringsten geschadet. Es errang den großen,
Frau, die er zu lieben vermeint, nicht im
men
den durchgreifenden Erfolg, denn es ist bester
Theater ist
Schnitzler, aus des Dichters vollster Kraft, fast ein
Schnitzler hat hier das Theater im Leben,
mer
Gewächs aus seiner schönsten Zeit. Es wird auch
das Vertauschen von Schein und Sein, das
sor
die beiden anderen Stücke überdauern und, los¬
ständig Erregte, das Spielen mit großen Worten
alts
gelöst aus dem Dreiverband, eine Sonderexistenz
und Gefühlen, die ganze, lebhafte Wellen schla¬
Ges
auf Gastspielreisen spielfreudiger Mimen führen.
gende Seele verwöhnter Mimen ungemein reiz¬
me
Zwar: die drei Einakter sind wie immer bei
voll enthüllt. Er hat hier jene entzückende
lek:
Schnitzler nicht willkürlich mit einem Haupttitel
Lustigkeit, die sein Wesen und sein Tempera¬
überklebt, sondern aus einem Grundmotiv ge¬
ment so sympathisch macht. Um so dünner und
ra
boren, zu einem und demselben Thema kompo¬
matter ist das letzte der Stückchen: „Das
Un
niert; und das gibt ihnen auch diesmal den Stim¬
Bacchusfest“, das die Zurückeroberung einer mit
es,
mungsgrund, wenn man will: die „Sinnigkeit“.
einem jungen Herrn entlaufenen Frau, umständ¬
hie
lich symbolisierend, vorplaudern will. Hier ver¬
hin
Das erste Stück: „Stunde des Erken¬
mag selbst Albert Bassermann, der den
led:
nens“ und das letzte: „Das Bacchusfest“ sind
plötzlich wachgewordenen Gatten zu verleben¬
war
schon mehr aus der Routine entstanden, haben
digen hat, nicht viel zu helfen. Aber den
Reg.
schon etwas Schematisches. Das Feuilletonistische,
Schauspieler der „großen Szene“ gibt er mit einer
das ja in Schnitzlers Blut steckt, wenn auch gebän¬
herrlichen Losgebundenheit seines prächtigen Natu¬
ihm
digt und zurückgedränngt, bekommt hier die Ober¬
rells, mit einer samosen Jungenhaftigkeit, einer hin¬
hand, das Sinnige verliert sich ins Plaudrige, das
reißenden Wirblichkeit und strahlend ausbrechenden
2
Plaudrige strebt zu Pointen. Diesmal liegt's ja
Laune. Forest ist hier ein kühl=sarkastischer
grüne.
gewissermaßen im Thema: Komödie der Worte.
Theaterdirektor, eine Art hellblonder Otto Brahm.
reicher
Das Komödienspiel jener Worte, die so lange „ge¬
Auch das erste Skück hat Bassermann zu tragen.
dene *
wechselt“ werden, bis sich beim Hörer das Verlangen
Er ist da der Gatte, der seine Rache so eiskalt
und T
nach „Taten“ einstellt. Die Gücke gelten den Wor¬
schlürft. Er hat da ein recht bös und scharf blicken.
den in
ten, die um die Dinge herumgehen, wenn man will,
des
Furchengesicht mit Hackennase und Brille, ist
braune
dem Verschweigen, in dem ja mitunter eine
der A¬
messerscharf und mehr von Brieux als von Artur
Tat von fortwirkender Bedeutung liegen kann.
Augen
Schnitzler. Fräulein Lossen ist so mild und
gütig und so still=bürgerlich, daß ihr alles zuzu¬
und I
So hat auch Dr. Karl Eckold, der gehörnte Gatte
gläser,
trauen ist, nur nicht der Fehltritt.
des ersten Stückchens: „Stunde des Erkennens“
Norbert Falk.
zog er
zehn Jahre lang geschwiegen und sich nichts merken
Gri¬
lassen, daß er vom Ehebruch seiner Frau weiß.
nachder
Schnitzler glaubt ja auch sicherlich selbst nicht dran,
Kriegerische Mädchennamen.
sagte e
daß einer so etwas zehn Jahre lang in sich herum¬
„W
Bekanntlich gibt man in Frankreich seinem
trägt, um erst nach der Verheiratung der Tochter
ner Ta
Patriotismus dadurch vielfach Ausdruck, daß
mit seiner Frau reinen Tisch zu machen. Er will
was hir
man die jetzt geborenen Mädchen „Victorie“ oder
angeblich seine Rache kalt genießen und freut sich
I nen wi
„France“ tauft. Auch der Name „Joffrette“ ist
ein Jahrzehnt auf den Augenblick, in dem er seiner
gezählt
jetzt vielfach vertreten; die am Tage des „großen
Frau sagen kann, daß sie seine Zärtlichkeiten falsch
bis da
Siegs(!)“ an der Marne geborenen Jungfrauen
gedeutet hat, daß sie ihm nichts weiter gewesen
sei als eine schöne Kokotte. Er spricht: dieses nannte man „Marne“ oder „Marnette“, auch I jeden: