II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 174

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26.1. Konoedie der -norte ZykIus
Ausschnitt aus: Deutsche Tageszeitung, Berin
240011915
S
vom:
Kern verlogene und vor allem deshalb unerträglich unanstän¬ lebendiger zu machen. Dafi
daherwuchtender Bahnhofsp
dige Geschichte dadurch minutenlang möglich, daß er den be¬
Nomödie der worte.
fremdlichen Ehemann in der Maske und der Geste, mit den starren
Drei Einakter von Arthur Schnitzler (Lessing=Theater).
Blicken des Wahnsinns spielte. Auch im „Bacchusfest“ half seine
In die ersten Auftritte
Dem großen Mimen Konrad Herbot gelingt#es, in „großer
nervöse, überlegene Plauderkunst, hinter der sich gebändigter
werdendes Rolle
stärker
Szene“ einen armen Trottel, dem er die Braut verführt hat, da¬
Grimm verbarg, über manche Peinlichkeit hinweg.
deshalb rasch
schon
von zu überzeugen, daß der Verdacht Irrtum gewesen sei. Und
Mancher Vorzug des Schriftstellers Schnitzler ist auch an dieser
ihm mit mindestens
so wundervoll spielt er die Rolle des unschuldig Angeklagten, so
Stelle willig anerkannt worden. Aber allmählich erstarrt seine
nebensächlichen Dialo
dem
hingerissen bedient er sich eines mit der Dirne verabredeten Brief¬
Kunst, geistreiche Worte zu setzen, in Greisenhaftigkeit, und seine
laut, die die
men
chens, daß er am Ende seinem eigenen Spiele glaubt und sich im
psychologischen Bohrversuche wagen sich an immer untaug¬
wissen wollten, dazwischen v
Feuer der Posse selber einredet, mit dem Luderchen eigentlich gar
lichere Gegenstände. Selbst seine besten Freunde und über¬
Ruhe, und schon begamnen,
nichts gehabt zu haben. Bassermann entfaltete hier alle
zeugtesten Anhänger werden die breite, selbstgefällige Geschwätzig¬
grund anschwoll, Damen de
gleißenden Virtuosenkunststücke, strahlte von angeborener Liebens¬
keit dieser mit Fug als „Wortkomödien“ bezeichneten
immer nachdrücklicher und u
Dichtungen übel empfinden, werden die den Abend eröffnende
würdigkeit, kindlichem Glauben an sich selbst und eitler Genialität,
langt wurde, fiel der Vorh
Tragödie als mühsam konstruierten Schwindel belächeln und für Feuerwehrmann gab kund,
daß man den Einakter als glänzenden Komödiantenspaß gelten
die Geschmacklosigkeit des letzten Einakters, der Ehebruch und
Scharren und Rollen, das
lassen konnte. Die breite Einleitung und Einkleidung mußte mit
Frömmigkeit in ganz ernsthaft gemeinte, breit ausgesponnene
stummte, verursacht hätte.
in Kauf genommen werden, und der niedliche szenische Einfall
Beziehungen bringt, die Achseln zucken. Damit ist alles Erforder¬
Störung zu Ende gespielt
am Schluß — Hamlet erscheint im Kostüm, um die
liche über den Kunstwert der drei Stücke gesagt. Vom national¬
mit
zürnende Gattin ins Theater zu holen und
sittlichen Standpunkt aus wird vielleicht noch mehreres hinzu¬
seiner Verlogenheit wie mit seiner Treulosigkeit end¬
zufügen sein. Schnitzler hat zu Anfang des Krieges angeblich
gültig zu versöhnen. — Dieser letzte Witz hob die verflaute Stim¬
einige Torheiten über uns und unsere Feinde gesagt. Wer die
mung wieder beträchtlich. Das Parkett rief begeistert Darsteller
Ideenwelt dieses Dramatikers aus seiner „Komödie der Worte“
und Dichter. Beide wurden dankbarer noch begrüßt als der Feuer¬
kennen lernt, der wird ihm keinen Vorwurf wegen irgendeiner
wehrmann, der bald nach Beginn des Stückes eine nicht vom
scheinbar nicht in diese Zeit passenden Redewendung machen. Denn
Verfasser ersonnene, doch um so wirkungsvollere Einlage improvi¬
Schnitzler hat offenbar kein Organ für diese Zeit und ihre Not¬
siert hatte.
wendigkeiten. —
Parkett und Ränge haben, wie die „Große Szene“, so auch
die „Stunde des Erkennens“ und „Das Bacchusfest“ ohne Wider¬
Nur eines: Schnitzler spottet im ersten Stücke der Leute, die
spruch aufgenommen. Allerdings lärmte nach dem ersten und
in vorgerücktem Alter noch immer Verse machen. Ihm selber ist
dem dritten Einakter der Beifall nicht gerade absonderlich wild,
das Haar schon stark übergraut. Sollte er nicht manchmal ganz
doch die Stimmung war und blieb günstig. Wenn ich mitteile, daß
heimlich auch der Leute spotten, die im vorgerückten Alter noch
mild lächelnd gesehener, mild lächelnd verziehener Ehebrauch auch
immer die Melodie ihrer Pubertätsjahre wiederholen und nicht
den Inhalt des „Bacchusfestes“ bildet, und daß die Damen, die
über das ausschließliche, knabenhaft fieberische Interesse am Ehe¬
den Ehebruch für die „Stunde des Erkennens“ liefert, von Herrn
bruchs=Reigen hinauskommen?
Schnitzler als eine überaus edle, überaus kluge Frau geschildert
Die vorgerückte Stunde gestatter heute nicht, die Leistungen
wird, so weiß man, in welchen Vorstellungen und Gedankenkreisen
der neben Bassermann stehenden Künstler nach Gebühr zu würdi¬
sich unser Poet bewegt, welche Kost im heiligen Jahre 1915 seinem
gen. Lina Lossen, die nach zehn Jahren zur Rechenschaft ge¬
Publikum mundet. „Das Bacchusfest“ erinnert an gewisse,
zogene Frau, sprach ihre ausgetüftelten Weisheiten mit Inner¬
schnitzlerisch umgeformte Mysterien des alten Hellas: ein Tag im
lichkeit; Else Bassermann, des Helden eheliches Gespons in
Jahre ist für eheliche und sonstige Verirrungen frei, erst die
der „großen Szene“, kam über die Schablone nicht hinaus. Im
Wiederholung erzwingt Strafe. In der „Stunde des Erkennens“
Gänschentum blieb Traute Dumcke=Carlsen stecken; ihret¬
wird uns ein Ehemann vorgeführt, der zehn Jahre lang wartet,
wegen hätte sich der schriftstellernde Gemahl kaum in die geisti¬
bis er seiner Frau ihr Verbrechen vorhält, zehn Jahre ruhig,
gen Unkosten seines „Bacchusfestes“ gestürzt. Theodor Loos, als
als sei nichts geschehen, ohne ein Wort, eine Miene der An¬
betrogener Unglückswurm und belogener Bräutigam, streifte mehr
spielung, getreulich neben der Ungetreuen hinlebt. Dabei sollen
wir, nach Schnitzlers Auffassung, zum mindesten zu dieser Gattin als wünschenswert die Karikatur; Carl Forest und Max
mit Ehrerbietung aufschauen. Bassermann machte die im[Landa vermochten ihre nicht übermäßig dankbaren Rollen nicht