II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 176

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26.1. Konoedie der Norte zyklus
seine Untreue mied. Sie haßt nichts so sehr wie seinee
Verstellungskünste und muß hinter der Tür an¬
hören, wie schamlos er den Bräutigam seines letzten
Opfers anlügt. Sie will wieder weg von ihm, wird
„Große Szene": Der berühmte Schauspieler
aber vom entsetzten Direktor, der für seine ausver¬
Herbot führt sie auf.
Sein Partner ist der
kaufte Hamletvorstellung zittert, zurückgehalten, von
Bräutigam eines Mädchens, mit dem Herbot in
dem kostümierten Gatten, der sie um keinen Preis
Verkehr gestanden. Wahrheit will der Bräutigam,
missen will, ins Theater geschleppt. Leben und Bühne
und eine „große Szene“
spielt ihm der
schwirren durcheinander und tauschen die Masken.
Schauspieler vor, in ein verwirrendes Gewebe
Falsches und Wahres, Echtes und Geheucheltes blitzt
von Dichtung und Wahrheit spinnt er ihn ein,
wie es vielleicht nur ein Schauspieler weben
und glüht durcheinander, und zwischen aufgebauschten
kann. Herbots Gattin aber, eben erst wieder
Konflikten spaziert die nüchterne Figur des Theater¬
zu ihm zurückgekehrt, von dem sie sich um des Ver¬
direktors, der mit seinem Witz die Leidenschaft der
hältnisses mit jenem Mädchen willen getrennt hatte,
Frau kühlt und das Komödiantentum seines Spielers
will 'nnn wieder von ihm gehen, angeekelt von des
stachelt. Es ist eine leichtgeschürzte Komödie, nicht
Mannes naiv=raffinierter Lügenkunst. Und doch bleibt
ohne tiefere Bedeutung.
Und die Situationen
sie; denn ginge sie, er ließe seinen Direktor mit
haben etwas köstlich Schäumendes.
seinem ausverkauften Theater sitzen, wo er in dieser
Innerlich fein, aber zu klug, um tiefer zu greifen,
Stunde noch den Hamlet spielen soll.
ist die Bahnhofskomödie „Das Bacchusfest“.
„Das Bacchusfest": Auf dem Bahnsteig
Die ungetreue Frau eines großen Schriftstellers er¬
wird der Schriftsteller Felix Staufner von seiner
wartet mit ihrem Liebhaber ihren Gatten, dem sie
Gattin Agnes und deren Geliebtem Dr. Wernig
entgegenfuhr. Während die zwei, nicht ohne ihre
erwartet.
Sie wollen ihm sagen, daß sie
Unsicherheit zu verraten, sich für den großen Moment
nicht mit ihm in
sein Heim zurückkehren
der Auseinandersetzung rusten, taucht der Betrogene
wird, da sie beide nicht von einander lassen können.
hinter ihrem Rücken auf und errät ihre Situation.
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Doch als Felix kommt und ihnen von seinem neuen
Rasch gefaßt manövriert er bei der Zusammenkunft I.
Werke erzähl:, „Das Bacchusfest“ betitelt, ist schlie߬
so gechickt, daß die Frau bei ihm bleibt und der
lich der Effekt, daß nicht der Gatte, sondern der
Dritte weggeschickt wird. Auch hier spielt das Theater
Geliebte allein bleibt. Die Symbolik des „Bucchus¬
mit dem Theater. Der Schriftsteller formt aus
festes“, jenes mythologischen Festes, da in einer Nacht
seinem Erlebnis eine Allegorie, die er zum Besten
Männer, Frauen, Mädchen im Hain sich zusammen
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gibt. Und sie rettet ihm die Frau. Auch hier siegt
fanden, ohne eine Verantworlung für das, was im
die Kunst der Worte, das Spiel mit dem Sinne, der
Hain und in der Nacht geschah, auf sich nehmen zu
zwischen dem Gesprochenen schwebt. Aber der Humor!
müssen, bekehrt Frau Agnes wieder ganz zu ihrem
ist etwas gedämpfter als in der „großen Szene“
Gatten, den zu bewundern sie nie aufgehört.
Die Lösung der Dinge hat ihre Willküren. Sie istd
Die drei Einakter sind zusammengefaßt unter dem
von Lustspielgesinnung durchzogen, deren Absicht nicht;
Titel: „Komödie der Worte“. Und Worte sind es,
unbemerkt bleibt. Aber Ton und Art dieser drei
die wir zu hören bekommen, von Taten sehen wir kaum
Menschen hat viel Zauber.
etwas. Aber es sind Schnitzler=Worte, sein gewogene,
tief spürende, — Worte, die schließlich doch zu Taten
Die drei Stücke wurden mit viel Humor, nicht;
führen, zu Taten, die nichts Geringeres bedeuten als
immer aber überragend gut gespielt. Dreimal trat
Menschenschicksale. Wo diese Taten tragischen Charakter
Herr Bassermann an, meistens mit starkem Ein¬
annehmen wie im ersten Stück, geht es nicht
satz bezwingender Kräfte. Aber auch er wechselte die:
ohne Konstruiertheiten ab,
aber wo sie zu
Grade. Im ersten Stück übersah er die Untertöne sich
tragikomischen Sitnationen führen wie in den
kreuzender Ironien und bloß das Rächeramt voll¬
beiden anderen, ist Schnitzler ganz in seinem
führte er mit gespannter, eindrucksvoller Energie.
Element. Da sunkelt ein Dialog, der das Seelen¬
Lina Lossen war wertvolle Stütze.
leben bis in die geheimsten Tiefen bloßlegt, das
Ihre Kunst umhüllte zu nackte Worte mit Seufzern
Seelenleben vor allem der Frauen. Das gilt auch
und vergrößerte die Gefühlserlebnisse. Herr Landa;
vom ersten Stück, ja man muß sagen, daß
auf
sprach, was in der Rolle stand, vornehm und durch¬
die Charakterdurchleuchtung angesehen
Frau
dacht. Es war zu knapp. Er hätte noch ein Stück!
Dr. Eckold die reisste und reichste unter allen
Persönlichkeit hinzufügen müssen.
Gestalten ist. Lina Lossen hat in ihrer
In der Rolle des Tragöden feierte Bassermann
Kunst das Reife und Reiche, um uns
große Triumphe. Sie waren nicht immer verdient,
diesen Charakter ganz verständlich zu machen, ganz
und namentlich die koketten Partien kamen recht
nahe zu bringen. Die Frau des Schauspielers ist ##
eeg
übertrieben heraus. Aber die Szene mit dem Bräu¬
die — wenn man so will — mütterlichste unter ihren
tigam wurde ein Schauspiel für sich, hatte Spannung
Genossinnen, und Else Bassermann überraschte durch
sschnitt aus:
Sorhner Böisen Zeitung. Beut die stille, tiefe Resigniertheit, mit der sie sich des großen
und Fieber, war ein theatraliches Doppelgewächs an
Farbe und Temperament. Hier bot auch Herr Loos
240K 1 1915 Norgenausgabe
„Kindes“ annahm, dem das Lügen Lebensluft ist.
ein fesselndes Bild eines Gedrückten, der ins Feuer
Die am wenigsten Komplizierte ist Frau Agnes; ihr ist
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greift. Es war mitten im Lustspiel ein Stück wahr¬
das Verhältnis mit dem Geliebten kein Erlebnis, nur
hafter Tragödie. Dagegen war Else Bassermann
ein Getändel, und immer denkt sie des Gatten wie
eine Enttäuschung. So sieht die Gattin eines be¬
eines Hohen, Herrlichen. Fast möchte man sagen:
Kunst und Wissenschaft.
rühmten Schauspielers bei ihrer häuslichen Drama¬
ssie hat etwas Gäuschenhaftes, und Tranter
Duncke=Carlsen bringt das mit köstlicher Naivelät.
tik nicht aus (auch wenn sie zufällig seine Frau ist).
„Komödie der Worte.“
Der Arzt mit der lange aufgesparten Rache, der
Den Direktor spielte Forest, sollte an seinem
Drei Einakter von Arthur Schnißzler.
Schauspieler mit dem unwiderstehlichen Bedürfnis
gottseligen Direktor Brahm erinnern, was er mit
(Lessing=Theater.)
nach Lüge, der überlegene, seiner Symbolik sicheres
Geschmack nur ganz obenhin tat. Der Gedanke wäre
Stunde des Erkennens": Gestern hat der
Schriftsteller ist Albert Bassermann.
Alle
auch schmerzlich, wenn sich der Komiker mit dem
Register seiner Virtnosenkünste kann er spielen
praktische Arzt Dr. Eckold seine Tochter verheiratet,
Unvergeßlichen stärker berühren würden.
heust erklärt er seiner Frau, die Zeit ihres
lassen, und in der „Großen Szene“ kann er seiner
Im Schlußstück gefiel Herr Götz als nervöser
Seit
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Zusämmenlebens müsse ein Ende haben.
Leidenschaft, sich selbst zu überschlagen, mit voller
Liebhaber am besten. Auch Bassermann bot scharfe
Freiheit fröhnen. Was sind das für Rollen zu
zehi Jahren hat er auf diesen Tag ge¬
Charakteristik, aber man war nicht immer durch¬
wartet.
Gastspielreisen! Alle Episoden sind bestes Lessing¬
der
Auf diesen Tag der Rache,
drungen, daß es das Gehaben eines bedeutenden
Theater: Landa, Forest, Loos, Götz und ein
Rache dafür, daß, wie er weiß, sie die Geliebte
Schriftstellers war. Nicht einmal das Schnalzen beim
Fräulein Binder.
des Professors Ormin gewesen. Aber sie war
Essen überzeugte. Frau Dümke=Carlsen als
nicht Ormins Geliebte, hat sich vielmehr
Man war bald angeregt und blieb gefesselt bis aus
Gattin war angenehm. In Erscheinung und Sprache.
gehütet, das zu werden, weil sie fürchtete, daß er
Ende. Und als ein Fehler in der Heizung, der sich
Mehr nicht. Das Lessingtheater hat jetzt zugkräftiges
zihr Schicksal werden würde. Doch einem anderen
durch lantes Geräusch bemerkbar machte, im zweiten
Material.
ist sie Geliebte gewesen. In dieser Stunde indessen,
Stück zu einer Unterbrechung des Spieles zwang,
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Emil Faktor.
da ihr Mann ihr Ormins Namen nennt, schreit sie
nahm man auch das, nachdem sich die erste Auf¬
W

regung gelegt, voll Heiterkeit in Kauf. Solche kleinen
sihm ins Gesicht: Ja, ich war Ormins Geliebte. Weil
SRR
isie weiß, daß der Name dieses vom Gatten immer
Zwischenfälle haben ja nach dem Theateraberglauben
Wenn zwei Hochzeit machen.
wohl eine günstige Vorbedeutung. Das fröhliche Gesicht
Beneideten ihn am empfindlichsten kränkt und
Berliner Theater.
daß er auf ihn, der sich soeben verabschiedet hat, um
des Dichters, der sich nach dem zweiten und dritten
auf eine weite Reise zu gehen, stets den Verdacht ge¬
Stück des öfteren zeigen mußte, deutete an, daß
Bernauers und Schanzers Posse „Wenn
habt hat. Nicht weil der Gatte es begehrt, sondern
auch er sich diese Schlußfolgerung zu eigen machte.
zwei Hochzeit machen“ hat in der Buntheit
Kp.
weil sie nun auch innerlich von ihm los ist, geht sie
ihrer Farben nur ein bescheidenes Tüvfelchen Feld¬
aus dem Hause.
Auf der Bühne des Berliner Theaters
grau.
heißt es nicht mehr: „Genau, wie siebzig", und
Militärtransporte fahren nicht mehr in Feindes¬
ALSE
eine kleine verliebte und
land hinein