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26.1. Konoedie der Norte—Zykius
fr
gliche Küf
Ausschnitt aus:
vom:
24011915
4
Hus dem Kunstleben.)
Lessing-Theater.
Artur Schnitzler: „Komödie der Worte“,
Im ikkästen Stük der „großen Szene“ gab's eine
kleine „Panik“. Ein verdächtiges Zischen und Sausen, in
dumpferer Tonart, als man es bei mißvergnügten Zu¬
Dr. Max Goldschmidt
schauern zu hören pflegt, veranlaßte ängstliche Gemüter aus
Bureau für Zeitungsausschnitte
dem Parkett zu flüchten — der Vorhang fiel. Glücklicher¬
BERLIN N. 4
Telefon: Norden 3051.
weise sand ein Feuerwehrmann aus dem Stegreif das rechte
Ausschnitt aus: Die Post, Berlin
Stichwort zum Wiederbeginn des Spiels, er erschien vor der
Gardine, streckte majestätisch die Hand aus, sprach das er¬
lösende Wort: „Dampfheizung!“, worauf Beruhigung ein¬
trat. Trotz di esem Zioischenspiel höchst unschnitzlerischer Art
24 Okt 1915
brachte dieser Einakter die Entscheidung des Abends, einen
durchschlagenden Erfolg, der den anwesenden Dichter auf die
Bühne rief. In der Tat ist „Die große Siene“ der ge¬
Lessing=Theater.
lungenste der drei Einakter. Schnitzler zerlegt darin die
Arthur Schnitzler: Komödie der Worte.
zweifelhafte Seele eines großen Schauspielers, der die Bühne
mit dem Leben verwechselt. Die selbstgefällige Freude
Die drei lose aneinandergereihten Einakter, denen Schnitzler
an seiner Verstellungskunst hat bei diesem Mimen längst
don etwas prätentiösen Titel gegeben hat: Komödie der Worte,
allen Lebensernst überwuchert. Er bedenkt sich keinen
könnte man auch nennen: Komödie der Ehen. Denn in
Augenblick, die Braut seines Freundes zu verführen und
allen drei Stücken schildert der Dichter Ehen, die in dem hohen
diesem, als er ihn zur Rechenschaft ziehen will, eine „große
Sinne des Wortes niemals Ehen gewesen sind, in denen von
Szene“ voll Lug und Trug, eine meisterhafte Komödie des
Anfang an das Fundament nicht gut war und die über kurz oder
Gefühls vorzuspielen. Seine Frau hört im Nebenzimmer
lang in die Brüche gehen mußten. Dies geschieht denn auch.
das Gespräch mit an und, obwohl sie empört ist über seine
Dreimal werden wir Zeugen und Zuhörer von großen Abhand¬
Niedertracht, hat sie, als der große Mime im Hamletkostüm
lungen und mehr oder minder schön geformten Worten über Liebe
vor sie hintritt, nicht die Kraft, ihn zu verlassen. Weniger
und Ehe, über Weib und Mann und, da wir gerade beim Reden
glaubhaft und auch weniger erquicklich ist das erste Stück, in
sind: über alles mögliche noch. In der „Stunde des Er¬
dem ein Arzt sich zehn Jahre Zeit nimmt, sich an seiner Frau
kennens“ erörtert ein Arzt mit seiner Frau ihren zehn Jahre
für einen Treubruch zu rächen, weil er erst seine Tochter ver¬
zurückliegenden Fehltritt. In der „Großen Szene“ lernt
sorgt wissen will. Als der Zeitpunkt gekommen ist, stößt er
Frau Sophie ihren Mann, den großen Schauspieler, all in seiner#
seine Frau in reichlich brutaler Art von sich. Harmlos und
schillernden Verlogenhei; gründlich kennen und im Becchus
unbedeutend endlich ist das dritte Stück „Bacchusfest“. Im
fest“ kommt der hinterangene Gatte noch gerade zurecht, um
Wartesaal eines kleinen Gebirgsbahnhofs fertigt der Schrift¬
seine Frau vor falschem Anschluß zu bewahren.
steller Staufner einen jungen Doktor, der sich seiner Frau
liebevoll angenommen hat, in überlegener Weise ab, indem
Herr Schnitzler hat einen klangvollen Namen und ist ein!
er ihm den griechischen Brauch des Bacchusfestes als warnen¬
Künstler, dessen seiner Psychologenkunst, dessen hoher Wortkulturk
des Beispiel erzählt. Auf diesem Fest dürfen sich Männlein
wir manches wertvolle Werk, manche gut geschliffene Prosa ver¬
und Weiblein nach freier Wahl finden, mit Tagesanbruch
danken. Aber die selbstverständliche Achtung vor seinem Namen?
aber ist alles vorbei und das Paar, das seine in dieser Nacht
darf uns nicht abhalten, offen zu bekennen, daß dieses neue Werk
angeknüpften Beziehungen weiter pflegt, ist dem Tode ver¬
ihm nicht in dem Sinne gelungen ist, wie er es wohl aufgefaßt
fallen.
wünscht. Ich bin sicher, daß die meisten Zuschauer den Grund¬
Im ersten und letzten Stück täuscht ein seingeschliffener
gedanken der drei Einakter nicht erfaßt haben: nämlich den Gegen¬
und witziger Dialog — Schnitzler ist witziger geworden seit
satz zu zeigen, der zwischen dem inneren Leben besteht und jenem
seiner letzten Neuheit — über das teils Schiefe, teils Belang¬
äußern lauten Dasein, das seine Wirkung aus Worten zieht. Der
lose des Inhalts hinweg. Das Schauspielerstück ist die beste
Dialog steht in allen drei Stücken auf beträchtlicher Höhe und
Gabe des Abends; wie immer ist Schnitzler in der
besonders das mittlere Stück: Die große Szene, enthält eine Fülle
Komödiantenumwelt am natürlichsten. Hier machte auch
von allerliebsten Wendungen. Dieser Einakter ist schließlich auch
Albert Bassermann, der in allen drei Stücken die
der einzige, in dem so etwas wie dramatisches Lehen pulst. Die
Hauptrolle spielte, den stärksten Eindruck; es war unvergleich¬
anderen sind reine Dialoge.
lich, wie er das große Kind im Künstler, das völlig Lebens¬
Die Spielleitung des Lessingtheaters hatte sich viele Mühe
ffremde und Haltlose, dabei doch Schlaue und Selbstsüchtige
gegeben, ist aber nicht von dem Vorwurf freizusprechen, daß sie die
dieses Charakters vereinte. Neben ihm stand künstlerisch am
Sachen etwas zu feierlich spielte. Wie schon bei der Uraufführung
höchsten Lina Lossen, die im ersten Akt der Frau des
in Wien, so wirkte auch gestern die „große Szene“ am durch¬
Arztes mehr Seele, Weiblichkeit und Lebenswahrheit gab
schlagendsten, dank dem flotten Spiele Albert Bassermanns,
als der Dichter. Aus der sonstigen Darstellung, die von
der sich einmal nach Herzenslust austoben konnte. Ueberhaupt war
Viktor Barnowsky geschickt geleitet wurde, sind
die Aufführung ein Ehrenabend für diesen Künstler und man darf
Traute Dumcke=Carlsen und die Herren Theodor
ihm die Anerkennung nicht versagen, daß er in den drei ver¬
Loos und Kurt Götz zu nennen; Darsteller, wie der des
schiedenen Rollen virtuos spielte. Sonst sind hervorzuheben die
Nebenbuhlers im ersten Akt, sollten am Lessing=Theater nicht
Damen: Lina Lossen, Else Bassermann und Dumcke¬
in größeren Rollen beschäftigt werden.
Carlsen, wie die Herren Max Landa, Kurt Götz und
Blickt man auf den Abend als Ganzes zurück, so belennt
[Theodor Loos. Der Beifall des Hauses zeichnete besonders
man gern, daß er unterhaltend war, im Mittelstück sogar
das zweite Stück (große Szene) aus. Der Dichter war persönlich
fesselnd. Aber wenn die Augenblickswirkungen eines glän¬
zugegen.
zend gewebten Dialogs verflogen sind, sagt man sich doch, daß
Frz.
drei tändelnde Ehebruchstücke an einem Abend in der heutigen
Zeit, wo Hunderttausende von deutschen Frauen um ihre
Männer sorgen oder gar trauern, so fehl am Ort sind wie
nur möglich. Wer dafür kein Gefühl hat, mit dem ist natür¬
lich nicht darüber zu streiten. „Gefühl ist alles.“ Schnitzler
selber wird vermutlich die Achseln zucken über solche Ein¬
wände; er hat einmal das Bekenntnis abgelegt: „Wir spielen
immer; wer es weiß, ist klug. Aber es ist ein großer Irx“
tum, daß solche Klugheit wirklich das Höchste im Leben sei.
K. Str.