II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 187

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26. 1. Komoedie der Vorte—Zykius
Dr. Max Goldschmidt
Bureau für Zeitungsausschnitte
BERLIN N. 4
Telefon: Norden 3051.
Ausschnitt aus: Der Reichsbote, Berlin
24. Okt 1915
LREHAIK AE
Das zweite Stück heißt nicht nur „Große [Lossen, Else Bassermann und Traute
Theater und Musik.
Szene“, sondern ist es auch, da es in der Haupt=] Dumcke=Carlsen. Auch die Leistungen, die
Alf. A. Das Lessingtheater brachte uns am
sache aus der begütigenden Aussprache eines eit= Max Landa, Theodor Loos, Kurt
Sonnabend mit der „Komödie der Worte“ einen
len und selbstgefälligen Schauspielers mit dem
Götz und Carl Forest in den Rollen der
aus drei Einaktern bestehenden Schnitzler=Abend,
Bräutigam des jungen Mädchens besteht, das
zweiten Liebhaber und eines Theaterdirektors
der erst in seiner zweiten Hälfte einen einiger¬
diesen mit dem Schauspieler betrogen hat. Auch
boten, verdienen höchste Anerkennung.
maßen anregenden Verlauf nahm und dabei zum
diese große Szene paßt ausgezeichnet zu dem
mindesten erkennen ließ, daß der Wiener Dichter
Haupttitel des Zyklus, da sie eine „Komödie der
noch immer viel Sympathien in der deutschen
Worte“ ist, wie sie nur im Buche steht, und in
Reichshauptstadt besitzt, obschon seine letzten Stücke
der Beschönigung der Schuld, die der gefeierte
immer tifteliger und gequälter wurden. Es muß
Bühnenheld und Frauenjäger in seiner Ausein¬
das auch diesmal von seinem ersten Stück, der
andersetzung mit dem braven ehrlichen Bräuti¬
„Stunde der Erkenntnis“ gesagt werden, das sich
gam versucht, mit ihrer Verlogenheit und dreisten
auch tatsächlich auf der Szene zu einer vollen
Verdrehung des Tatbestandes wahrhaft ver¬
Zeitstunde auswuchs, und dabei doch kaum mehr
blüfft. — Der dritte Einakter behandelt die Ein¬
als Worte und immer wieder Worte produzierte,
renkung der Ehe eines Schriftstellers, die auf
die mit großer Plaudergewandtheit um eine
einer Alpenreise ein junger Ingenieur vorüber¬
brüchige Ehe so lange herumgesprochen wurden,
gehend gefährdet hat, mit feinem Sarkasmus und
bis sie wirklich in die Brüche ging und die Frau
ist nach dem Theaterstück, das der Schriftsteller
ganz wi
Ibsens
Frau
Nora
zu
auf dieser Reise im Stubaital geschrieben hat,
nächtlicher Stunde
das
des
Haus
„Das Bacchusfest“ betitelt. Er hätte lieber bei
Gatten verließ, nachdem er sie und sie
seiner jungen Frau bleiben sollen, statt sie zu
ihn in seiner tiefsten Erniedrigung gesehen.
vernachlässigen, und nun erst in letzter Stunde
Das ist diese Stunde des Erkennens, der er
dem gefährlichen Rivalen wieder abgewinnen zu
angeblich zehn Jahre „entgegengelebt“ hat, und
müssen. Die beiden letzten Stücke bereiteten
deren bittren Verlauf er nun mit einer ge¬
dem Publikum ersichtlich wirkliches Vergnügen,
wissen sadistischen Wollust genießt, da es seiner
da sie den Dichter wieder einmal als glänzenden
inneren Roheit ein Genuß ist, das Weib, das
Causeur zeigten, der mit Witz und wienerischem
ihn vor jenem Zeitpunkt mit der Liebe zu einem
Behagen auch gewagten Dingen beizukommen
anderen betrogen, nun bis in den Staub zu de¬
versteht und jedenfalls nie um Worte verlegen
mütigen. Es ist ein unerquickliches Stück, und
ist, wenn sie auch weiter nichts wie Komödie
viel zu breit angelegt, um mit dem sehr spät
sein sollten. Die Darstellung war in den Haupt¬
auftretenden Hauptmotiv der vormaligen Un¬
rollen des Arztes, des Schauspielers und
treue einer bis dahin sehr ehrbar geschilderten
Schriftstellers geradezu glänzend und gab
Frau höher zu interessieren, obschon der Dichter
Bassermann eine willkommene Gelegenheit,
alle Künste seiner scharfzüngigen Dialektik sprin¬
sein Genie von der vorteilhaftesten Seite in
gen läßt und dabei manches weltkluge und geist= dreifacher Beleuchtung zu zeigen. In den weib¬
reiche Wort prägt.
lichen Hauptrollen sekundierten ihm Lina