II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 188

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26. 1. Konoedie der Worte—Zykius
Dr. Max Goldschmidt
Bureau für Zeitungsausschnitte
Telefon: Norden 3051.
BERLIN N.A
Ausschnitt aus:
Berliner Tageblaft.
24 Okt 1975


zosen die Institution nur deshalb zu zerrütten, weil sich soviel gute regiert alle drei Stunden
Schnitzlers „Komödie der Worte“.
und parfümierte Witze darüber machen lassen. Ein Untergrund von Arzt, Schauspieler, Schrift
Ernst bleibt immer, auch wenn er die Dinge lustig nimmt. Wenn er
Aufführung im Lessing-Theater. Spielleitung Victor
und Vollsten. Manchmal
scherzt, ist es nie ein faunisches Meckern; es ist stets ein Lächeln der
wäre, was so überstark au
Barnowsky.
Erfahrung oder ein Lachen, das verzeiht. Gerade dann blüht alles
der natürlichen Kraft, die
Drei Einakier von Arthur Schnitzler, die er unter dem Titel
Menschliche rein und reich aus ihm hervor. Dann steht seine Sprach¬
Welch' ein Irrtum!
„Komödie der Worte“ zusammenfaßt, als ob er den Stachel der Ironie
kunst unmittelbar im Dienste der Wirklichkeit, und er entwickelt
zweimal, dreimal, sechsma
leise gegen sich selbst kehren wollte; als ob er sagte: ich weiß, daß ich ein
dramatische Gestalten von einer Festigkeit in allen Zügen, daß wir
sind Lina Lossen, vo
Dialektiker ersten Ranges bin, der, wenn es darauf ankäme, alles be¬
durchaus vergessen, nur eine „Komödie der Worte“ vor uns zu
auch das mehr menschliche
weisen kann. Es ist etwas Wahres daran, und wenn gestern abend ein
haben.
ihr nie eine Eheirrung zutr
starker Erfolg ihn mehrfach hervorrief, so war es doch eine Wirkung
Beweis: Die Wirkung, die von den beiden Einaktern „Großo
das bürgerlich=täubchenhaf
in Abstufungen, und der erste Einakter „Stunde des Erkennens“
Szene" und „Das Bacchusfest“ kam. Hier empfanden wir
Dumcke=Carlsen mit
war es nicht, der am eindringlichsten sprach. Eben weil hier etwas
Theodor Loos, Karf
alle die Berührung mit dem Leben, und der Beifall für alle, der
viel Worte gemacht werden, und weil die Hebungen und Senkungen
man sie verdankte, für den Dichter und seine Darsteller, war besonders
Sybille Bindes und
und besonders der Schluß der Handlung, die fast nur ein rückwärts
Ton.
nach der „Großen Szene“ überaus lebhaft. Wir sahen hier in
gewandtes Gesprach ist, mehr auf der Lust des Autors am Analysieren
der heitersten Form, wie eine Ehe wiede
ttet wird, um zu halten,
beruht, als auf den innersten Notwendigkeiten seiner Gestalten. Eine
niemand weiß wie lange. Die Haupt¬
ist der große Schau¬
Zu Beginn des zwe
Frau verläßt den Mann nach zwanzigjähriger Ehe, nach langer Ge¬
spieler, der die Frau durch seine Kunst im Heucheln von sich stößt,
brechung. Es wurden Gerä
wöhnung, die äußerlich nie die Form der Lieblosigkeit angenommen
um sie durch den Reichtum seiner Persönlichkeit von neuem an sich zu
oder niederfallende Wasser
hatte. Sie verläßt ihn, weil er stärker, als sie es selbst gewollt, und
fesseln. Schnitzler kennt den Schauspieler, und wir kennen ihn durch
Nach einigen Augenbl
härter, als sie erwartete hatte, an ihr eigenes Abirren vor zehn
Schnitzler auch schon aus dem einen Stück der „Letzten Masken“.
daß sich an der Dampfhei
Jahren erinnert. Daß er dabei noch auf falscher Fährte ist und sie
Gestern sahen wir ihn in noch reicherer Ausführung als ein Kind, wurde das Spiel wieber a
mit einem anderen Manne in Verdacht hat, als dem, den sie wirklich
das gefährlich werden kann, als einen unbekümmerten Egoisten, dem allgemeinen ruhig auf den?
geliebt hat, durchklingt dioses heroische Finale einer gutbürgerlichen
zu dienen und zu verzeihen dennoch Freude bereitet, als den Menschen,
Ehe mit einem komischen Ton, der bei einer minder vorsichtigen Dar¬
der auch in jeder Handlung seiner bürgerlichen Existenz eine Rolle;
stellung hättte gefährlich werden können.
sieht und glücklich ist, wenn er sich selber Beifall klatschen kann. In
Am Ende dieses Stückes, das im Gegensatz zu den beiden, die ihm
Konrad Herbot, dem Helden der „Großen Szene“ hat Schnitzler
folgten, sehr ernst genommen sein will, steht nicht das Muß eines echten
dem Typus ein Denkmal gebaut. Mit einer Seitengestalt, dem
dramatischen Geschehens. Noch eine Biegung des Dialogs, noch ein
Theaterdirektor Dr. Falk, tut er in glänzender Schlagfertigkeit ein
paar Worte mehr, und Klara und Karl könnten zusammen bleiben,
Gleiches am Typus des Bühnenleiters, in der Abart des Mannes,
vielleicht ganz vergnügt, je nachdem die Worte gewählt würden, oder
der Bildung hat, der gewiß einmal mit hohen Idealen zum Theater
mit der Resignation reifer Menschen, die zugleich eine echt Schnitzlersche
ging und allmählich zum Geschäftsmann wurde. Es gibt mehr als ein
Modell dafür,
Resignation wäre. Auch in diesem nicht gerundeten Stück ist ja sonst
so viel, was wir an Schnitzler lieben. Wie sein verwebt er auch hier
Das „Baechusfest“ ist ein sehr liebenswürdiges Scherzo. Auch d
kleine Lebenszüge ineinander! Wie vortrefflich entwickelt er neben dem
hier wird eine Ehe noch in zwölster Stunde gerettet. Wieder ist
Hauptthema, der sexuellen Eifersucht, das Nebenthema der Berufseiser¬
es der Ehemann, der gewinnt, da er der Ueberlegene ist. Er fühlt
sucht, die wir Männer gegeneinander empfinden, auch wenn wir die
sich geistig Herr über den Nebenbuhler, der eben im Begriff ist, ihm #
besten Freunde sind! Und hier wie immer ist seine Hand von der
die Frau zu nehmen, und weil er der Klügere ist, so gibt er nicht
gepflegtesten Zartheit, wenn sie von dem peinlichen Ding schreibt, das
nach. Die Szenen sind brillant geführt, der Dumme wird aufs
man Ehebruch nennt. Das nun einmal Häßliche wird von dieser Hand
Köstlichste als dumm abgestempelt, und so vermehrt Schnitzler die
zu einer Höhe geführt, in der sich das Fleischliche beinahe auflöst und
ars amundi um ein lehrreiches, lachendes und sinnvolles Kapitel,
das Geistige in sein Recht tritt.
aus dem am Schluß auch eine stärkere Leidenschaft hervorblitzt.
Auch von dieser Seite aus konnte man Schnitzler immer als einen
In der Darstellung kam es darauf an, die „Stunde des Er¬
Dichter von ausgesprochen deutschem Charakter betrachten. Er ist
kennens“ mit verhaltenem Pathos, die „Große Szene“ im wesent¬
gewiß keine „Ordnungsstütze“, die die Ehe an sich als ein Heiligtum
lichen lustig, und „Das Bacchusfest“ ironisch zu nehmen. Barnowskys
empfindet, aber es wäre ihm unmöglich, nach dem Vorbild vieler Fran1 Leute spielten das alles vortrefflich. Albert Bassermann