laschenangabe onne Serseeer
DRWARTS, BERLIN
Ausschnitt aus:
250411915
VOm:
Lessing=Theater. „Komödie dee Worte.“
Arthur, Schnitzler hat auf der Höhe seines Könnens,
etwa vor andedlhar Fahrzehnten, de deutsche Bühne mit einer
Reihe von Einaktern, die intensivstes Leben atmen, beschenkt. Dem
„Grünen Kakadu“ folgten Kabinett¬
grandiosen Wurfe seine
stücke konzentrierender Kleinkunst, wie „Paracelsus", „Letzte
An solchen Maßstäben gemessen,
„Literatur“.
Maske“,
freundlichen Applaus er
mußte der neue Einakterzyklus,
bei der Premiere fand, die Freunde des Dichters ent¬
täuschten. Die Symptome, die in den späteren schatten¬
haften Dramen und dann im thnatermäßig aufgeputzten jungen
Medardus auf ein Nachlassen anschaulich plastischer Phantasie den¬
teten, traten hier vielleicht noch greifbarer hervor. Das Interesse
an dem Versteck= und Maskenspiele, den Wandlungen erotischer In¬
stinkte, ist dem Poeten wohl geblieben, aber die Lichter, die er auf¬
setzt, leuchten nicht mehr in verborgenen Tiefen. Es fehlt der Zwang
des Ueberzeugenden. Man hat den Eindruck eines auf die Theater¬
wirkung eingestellten Kalküls, dem die Grundlage sichern Gefühls
und Augenmaßes verloren ging.
Das erste Werkchen, „Stunde des Erkennens“, soll die Abrech¬
nung eines kaltblütigen Verstandesmenschen, eines Arztes, dar¬
stellen, der vor langen Jahren Kunde vom Treubruch seiner Frau
erhielt, doch nichts davon verriet. Die Auseinandersetzung mit der
Gattin und die Trennung hat er in Rücksicht auf die Tochter, bis
diese einen Mann gefunden, verschieben wollen. Am Ende mag der
Plan ja noch verständlich sein. Aber ganz unerklärlich erscheint es,
wie der Mann in all den Jahren, in denen die Frau, ohne zu
ahnen, daß er Verdacht geschöpft, die kurze Irrung dann durch
treueste Hingabe wettzumachen suchte, den ersten heißen Haß, wie
er voraussetzt, hat konservieren können, und warum seine Abrech¬
nung in blind gehässige Schmähungen verfällt. Auch das ein¬
gefügte Nebenmotiv, daß er sich fälschlich von einem glückbegünstig¬
ten, seit je von ihm beneideten Kollegen hintergangen wähnt, daß
dieser Neid den Groll geschürt hat, macht das Verhalten dieses
Doktor Eckold, bei der sonstigen Zeichnung der Figur, nicht glaub¬
Vscher.——
Das Mittelstück, das den Erfolg entschied, „Große Szene“
worin das oft behandelte Thema der Komödianten, die ihr Komö¬
dienspiel im Leben weiterführen, variiert wird, hat zweifellos den
Vorzug größerer Wahrscheinlichkeit. Aber ein voller Ton kommt
nicht heraus. Die glatte, mit automatischer Promptheit sich voll¬
giehende Schwindekei, die Hermann Bahr zum Veispiel im „Kon¬
zert“ in der Gestalt des alternden verwöhnten Künstlers
so witzig persiflierte, erhält hier, in den Rahmen einer tragisch
ernsten Situation gestellt, etwas Peinliches. Der große Mime, der
einen ehrlich guten Burschen mit dessen Braut betrogen und nun
— da jener, von eifersüchtiger Qual gefoltert, ein Geständnis von
ihm verlangt — eitel selstgefällig, ihm ein unverschämtes Lügen¬
märchen voragiert und sich dann später vor der eigenen Frau nit
dieser Leistung brüstet, stößt ab in der Entartung alles menschlichen
Gefühls, und ruft dabei auch keine psychologische Neugier wach.
Die peinliche Empfindung wird dadurch noch gesteigert, daß der
Poseur den momentanen Widerwillen, den er so in der Frau er¬
regt hat, mit ein paar neuen Mimenmätzchen im Handumdrehen:
rasch zum Schweigen bringen kann. Der hier besonders starke
Beifall galt wohl in erster Reihe Herrn Bassermann, der
unter den drei Hauptrollen, die ihm der Abend brachte, in dieser
seine Virtuosität am freiesten entfalten konnte.
Den Abschluß bildete die Anekdote, daß ein weltkundiger
Dichtersmann, dem sein junges Frauchen mit einem pedantischen
Tropf davongelaufen, sie vor den Augen des ungeschickten Don##
Juan in ironisch überlegenem Angriffe sich zurückerobert. Die
Breite, zu der der Cinfall ausgesponnen, wurde durch das farbige
Milieu eines Tiroler Bahnhofs in etwas gemildert Von den
Darstellern sind nach Herrn Bassermann vor allem Lina
Lossen, Traute Dumcke=Carlsen und Herr Loos der
Bräutigam im Mittelstücke, u nennen.
dt.
(Quelienaligabe oese Gewahr.)
reussische Aelung, Bere
Ausschnitt aus:
250111915
vom:
—
Lessing-Theateer. Artbur Schnitzlers bereits in der Pro¬
binz gegebenen drei Einakter
Ae
ten es im Lessing=Theater nur nach dem zweiten Stücke „0)
Szene“ zu erhöhterer Anteilnahme. Und das hauptsächlich, weil
hierin der Schauspieler Albert Bassermann einen Mimen spielte,
der noch dazu sich und anderen Komödie vorzumachen hatte.
Bassermann stürzte sich mit einer Selbstironie in diesen Dualis¬
mus, die ihn aus seiner sonst bis auf die Sprache ausgefeimten
Ueberlegung hinausriß und in einer prachtvollen undd reich be¬
bachten Kraft aufleben ließ. Das Stückchen selber hat entgegen
den anderen beiden einigermaßen Sinn und Erfindung. Es ist 1
in ihm die Schnitzlersche Idee, daß wir das ganze Leben lang nur
spielen, an einem Schanspieler ausprobiert, der auf der Bühne den
Abglanz des Lebens täglich in anderer Gestalt darzustellen hat.
Es hätte sich da aus dem Wechsel von Leben und Spiel die tra¬
gische Note entwickeln können. Doch der Wiener Arthur Schnitzler
will nicht so weit und beläßt es, als der Schauspieler dem
Manne zur Rechenschaft gegenübersteht, dessen Braut er verführt
hat, bei der großen Szeue. Die Fäden des Lebens spielen sich
als Regungen der Soele nicht mit hinein; nur das Theater bleibt
übrig. Als kalter Kulissenschauer aber weht es uns an, wenn
wir zum Schluße erfahren, daß es absichtlich dem Betrogenen vor¬
gespielt war. Es schied sich damit von allen sittlichen, ja sogar
asthetischen Voraussetzungen, die wir an ein Werk stellen, das mit
Kunst etwas zu tun haben will. Ein Akt für einen begabten Dar¬
steller, sonst nichts, war damit geschrieben worden. genau wie man
einen wirksamen Variététrick erfindet. Die beiden anderen Ein¬
akter „Stunde des Erkennens“ und „Bacchusfest“
hatten nicht mal mit dem Trick aufzuwarten. Ehebrüche waren
das Thema, um das eine spitzfindige Komödie der Worte auf¬
geführt wurde. Ein Spitzfindigerer hätte diese Komödie der Worte
durch eine weitere Komödie der Worte unwahr und lächerlich
machen können. Das Raffinement, das im ersten Einakter noch
den Reiz der Neuheit für sich hatte, verfing im letzten Einakter
nicht mehr, sondern zeigte, wie abgestanden und übel er bei der
Wiederholung inzwischen geworden war. In der Pause wurden
in den Gängen die späteren Abendblätter feilgeboten. Der öster¬
reichische Heeresbericht erzählte von den schweren Kämpfen an
drei Fronten. Wie jämmerlich war dagegen das, was man auf
der Bühne hörte; wie trostlos erschienen die Zeichen dieser
„Kunst“, die, unfähig zu großem Erl.ben und Gestalten, froh ist,
wenn sie Regenwürmer findet! — Die Aufführung der drei Ein¬
akter war ausgezeichnet. Albert Bassgmann, der in jedem
von ihnen einen anderen
— Arztaleler, Schriftsteller —
spielte, hatte, wie gesagt, in dew=Großen Szene“ großartig aus¬
holepben, Schmiß.
DRWARTS, BERLIN
Ausschnitt aus:
250411915
VOm:
Lessing=Theater. „Komödie dee Worte.“
Arthur, Schnitzler hat auf der Höhe seines Könnens,
etwa vor andedlhar Fahrzehnten, de deutsche Bühne mit einer
Reihe von Einaktern, die intensivstes Leben atmen, beschenkt. Dem
„Grünen Kakadu“ folgten Kabinett¬
grandiosen Wurfe seine
stücke konzentrierender Kleinkunst, wie „Paracelsus", „Letzte
An solchen Maßstäben gemessen,
„Literatur“.
Maske“,
freundlichen Applaus er
mußte der neue Einakterzyklus,
bei der Premiere fand, die Freunde des Dichters ent¬
täuschten. Die Symptome, die in den späteren schatten¬
haften Dramen und dann im thnatermäßig aufgeputzten jungen
Medardus auf ein Nachlassen anschaulich plastischer Phantasie den¬
teten, traten hier vielleicht noch greifbarer hervor. Das Interesse
an dem Versteck= und Maskenspiele, den Wandlungen erotischer In¬
stinkte, ist dem Poeten wohl geblieben, aber die Lichter, die er auf¬
setzt, leuchten nicht mehr in verborgenen Tiefen. Es fehlt der Zwang
des Ueberzeugenden. Man hat den Eindruck eines auf die Theater¬
wirkung eingestellten Kalküls, dem die Grundlage sichern Gefühls
und Augenmaßes verloren ging.
Das erste Werkchen, „Stunde des Erkennens“, soll die Abrech¬
nung eines kaltblütigen Verstandesmenschen, eines Arztes, dar¬
stellen, der vor langen Jahren Kunde vom Treubruch seiner Frau
erhielt, doch nichts davon verriet. Die Auseinandersetzung mit der
Gattin und die Trennung hat er in Rücksicht auf die Tochter, bis
diese einen Mann gefunden, verschieben wollen. Am Ende mag der
Plan ja noch verständlich sein. Aber ganz unerklärlich erscheint es,
wie der Mann in all den Jahren, in denen die Frau, ohne zu
ahnen, daß er Verdacht geschöpft, die kurze Irrung dann durch
treueste Hingabe wettzumachen suchte, den ersten heißen Haß, wie
er voraussetzt, hat konservieren können, und warum seine Abrech¬
nung in blind gehässige Schmähungen verfällt. Auch das ein¬
gefügte Nebenmotiv, daß er sich fälschlich von einem glückbegünstig¬
ten, seit je von ihm beneideten Kollegen hintergangen wähnt, daß
dieser Neid den Groll geschürt hat, macht das Verhalten dieses
Doktor Eckold, bei der sonstigen Zeichnung der Figur, nicht glaub¬
Vscher.——
Das Mittelstück, das den Erfolg entschied, „Große Szene“
worin das oft behandelte Thema der Komödianten, die ihr Komö¬
dienspiel im Leben weiterführen, variiert wird, hat zweifellos den
Vorzug größerer Wahrscheinlichkeit. Aber ein voller Ton kommt
nicht heraus. Die glatte, mit automatischer Promptheit sich voll¬
giehende Schwindekei, die Hermann Bahr zum Veispiel im „Kon¬
zert“ in der Gestalt des alternden verwöhnten Künstlers
so witzig persiflierte, erhält hier, in den Rahmen einer tragisch
ernsten Situation gestellt, etwas Peinliches. Der große Mime, der
einen ehrlich guten Burschen mit dessen Braut betrogen und nun
— da jener, von eifersüchtiger Qual gefoltert, ein Geständnis von
ihm verlangt — eitel selstgefällig, ihm ein unverschämtes Lügen¬
märchen voragiert und sich dann später vor der eigenen Frau nit
dieser Leistung brüstet, stößt ab in der Entartung alles menschlichen
Gefühls, und ruft dabei auch keine psychologische Neugier wach.
Die peinliche Empfindung wird dadurch noch gesteigert, daß der
Poseur den momentanen Widerwillen, den er so in der Frau er¬
regt hat, mit ein paar neuen Mimenmätzchen im Handumdrehen:
rasch zum Schweigen bringen kann. Der hier besonders starke
Beifall galt wohl in erster Reihe Herrn Bassermann, der
unter den drei Hauptrollen, die ihm der Abend brachte, in dieser
seine Virtuosität am freiesten entfalten konnte.
Den Abschluß bildete die Anekdote, daß ein weltkundiger
Dichtersmann, dem sein junges Frauchen mit einem pedantischen
Tropf davongelaufen, sie vor den Augen des ungeschickten Don##
Juan in ironisch überlegenem Angriffe sich zurückerobert. Die
Breite, zu der der Cinfall ausgesponnen, wurde durch das farbige
Milieu eines Tiroler Bahnhofs in etwas gemildert Von den
Darstellern sind nach Herrn Bassermann vor allem Lina
Lossen, Traute Dumcke=Carlsen und Herr Loos der
Bräutigam im Mittelstücke, u nennen.
dt.
(Quelienaligabe oese Gewahr.)
reussische Aelung, Bere
Ausschnitt aus:
250111915
vom:
—
Lessing-Theateer. Artbur Schnitzlers bereits in der Pro¬
binz gegebenen drei Einakter
Ae
ten es im Lessing=Theater nur nach dem zweiten Stücke „0)
Szene“ zu erhöhterer Anteilnahme. Und das hauptsächlich, weil
hierin der Schauspieler Albert Bassermann einen Mimen spielte,
der noch dazu sich und anderen Komödie vorzumachen hatte.
Bassermann stürzte sich mit einer Selbstironie in diesen Dualis¬
mus, die ihn aus seiner sonst bis auf die Sprache ausgefeimten
Ueberlegung hinausriß und in einer prachtvollen undd reich be¬
bachten Kraft aufleben ließ. Das Stückchen selber hat entgegen
den anderen beiden einigermaßen Sinn und Erfindung. Es ist 1
in ihm die Schnitzlersche Idee, daß wir das ganze Leben lang nur
spielen, an einem Schanspieler ausprobiert, der auf der Bühne den
Abglanz des Lebens täglich in anderer Gestalt darzustellen hat.
Es hätte sich da aus dem Wechsel von Leben und Spiel die tra¬
gische Note entwickeln können. Doch der Wiener Arthur Schnitzler
will nicht so weit und beläßt es, als der Schauspieler dem
Manne zur Rechenschaft gegenübersteht, dessen Braut er verführt
hat, bei der großen Szeue. Die Fäden des Lebens spielen sich
als Regungen der Soele nicht mit hinein; nur das Theater bleibt
übrig. Als kalter Kulissenschauer aber weht es uns an, wenn
wir zum Schluße erfahren, daß es absichtlich dem Betrogenen vor¬
gespielt war. Es schied sich damit von allen sittlichen, ja sogar
asthetischen Voraussetzungen, die wir an ein Werk stellen, das mit
Kunst etwas zu tun haben will. Ein Akt für einen begabten Dar¬
steller, sonst nichts, war damit geschrieben worden. genau wie man
einen wirksamen Variététrick erfindet. Die beiden anderen Ein¬
akter „Stunde des Erkennens“ und „Bacchusfest“
hatten nicht mal mit dem Trick aufzuwarten. Ehebrüche waren
das Thema, um das eine spitzfindige Komödie der Worte auf¬
geführt wurde. Ein Spitzfindigerer hätte diese Komödie der Worte
durch eine weitere Komödie der Worte unwahr und lächerlich
machen können. Das Raffinement, das im ersten Einakter noch
den Reiz der Neuheit für sich hatte, verfing im letzten Einakter
nicht mehr, sondern zeigte, wie abgestanden und übel er bei der
Wiederholung inzwischen geworden war. In der Pause wurden
in den Gängen die späteren Abendblätter feilgeboten. Der öster¬
reichische Heeresbericht erzählte von den schweren Kämpfen an
drei Fronten. Wie jämmerlich war dagegen das, was man auf
der Bühne hörte; wie trostlos erschienen die Zeichen dieser
„Kunst“, die, unfähig zu großem Erl.ben und Gestalten, froh ist,
wenn sie Regenwürmer findet! — Die Aufführung der drei Ein¬
akter war ausgezeichnet. Albert Bassgmann, der in jedem
von ihnen einen anderen
— Arztaleler, Schriftsteller —
spielte, hatte, wie gesagt, in dew=Großen Szene“ großartig aus¬
holepben, Schmiß.