II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 202

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LC. 101 Js.
Theater und Musik
Schnitzlers „Komödie der Worte“.
im Lessingtheater.
Den guten Verlauf des gestrigen Schnitzler=Abends
durchbrach ein Zwischenfall. Ein paar Minuten
nach Beginn des zweiten Stückes storte das Spiel
ein geheimnisvolles Rauschen, wie wenn Wasser
gegen Wände gespritzt würde. Ein paar ängstliche
Zuschauer verließen die Sitze, andere wollten nach¬
eilen, aber besonnere Stimmen mahnten zur Ruhe.
Auch ein Feuerwehrmann winkte von der Bühne
beschwichtigend ab, und der Vorhang fiel. Wieder
kam der Feuerwehrmann und sprach etwas von der
Dampfheizung. Als die Symptome einer be¬
ginnenden Panik sich verflüchtigt hatten, wurde
weitergespielt. Da man aus der heiteren Stimmung
nicht ganz herausgekommen war, konnte fortgesetzt
werden, wo man aufgehört hatte. Es blieb bei einem
rasch verwundenen Unbehagen.
Gerade dieses zweite Stück, dem der Zufall, sei
les Dampfheizung oder etwas anderes, einen Streich
spielen wollte, hatte den großen entscheidenden
Erfolg. Es ist die „große Szene“, in welcher
ein Bühnenkünstler sich und den anderen so gründ¬
lich Theater vorspielt, daß seine unmittelbar bevor¬
stehende Hamlet=Darstellung gefährdet wird. Ko¬
mödiengeister entfachen zwischen Ernst und Scherz
einen Wirbel und die Heiterkeit schwoll. Das Ent¬
zückon der Zuschauer rief oft und oft den anwesenden
Auch
Dichter.
das von Laune durchblüte
„Bacchusfest“ weckte viel Fröhlichkeit, mehr noch
durch seine, von der Regie sorgsam gespiegelte
Bahnhofszenerie als durch seinen Inhalt. Kein
Zwischenfall tat Abbruch, aber
das Wohlgesallen
hielt sich in sanfteren Grenzen. Bleibt, da wir von
dem außeren Gang der Dinge reden, noch festzu¬
stellen, daß auch der erste Einakter, der sich „Stunde
des Erkennens“ nennt, seine Wirkung tat. Hier
brachte das scharf zupackende Spiel der Darstellung
die zögernde Stimmung hoch. Trug sie über Be¬
denken hinweg, die nicht ganz wegzuscheuchen sind.
Der Wiener Dichter hat mit drei verwandten
Stücken, die wie oft vorher das Problem der ehelichen
Gemeinschaft bereden, die Unterlagen für einen on¬
geregten, menschlich getönten, geistig bunt gespreu¬
kelten Abend geschaffen. Unterlagen ist nicht ein zu¬
fälliges Wort. Diese drei neuen Spiele des bewährten
Dialogkünstlers bergen nicht letzte Werte, die aus sich
selbst heraus befriedigen. Sie zielen nach dem
(Theater, sind erdachte, gesponnene Gebilde, die ohne
lden Umwuchs der Darstellung bloß Gefechte mit
Worten und Gefühlen bleiben. Die Bühne wärmt
und belebt und steigert die anmutige Spielerei mit
dem Ernste zur Wahrscheinlichkeit.
Dreimal tritt Schnitzler dem Problem Ehe als
eine Art Seelendoktor gegenüber. In der „Stunde
des Erkennens“ demonstriert er einen hoff¬
nungslosen Fall. Ein scheinbar glückliches Zusam¬
menleben fallt vor unseren Augen auseinander.
Nach der Hochzeit seiner einzigen Tochter macht
Dr. Eckold seiner ahnungslosen Frau die Mitteilung,
daß er um ihre zehn Jahre zurückliegende Untreue¬
wisse. Verlangt jetzi reinen Tisch und getrennten
Haushalt. Und seine Diagnose ist noch dazu irrig.
Nicht mit dem beneideten Hausfreunde, dem be¬
rühmten Universitätsprofessor, hat sie sich vergan¬
gen, sondern mit einem andern der ihm viel gleich¬
gültiger wäre. Sie aber läßt ihn bei dem Irrtum
und geht. Wohin? Vielleicht ins Wasser. Ibsen
hätte einem neugierigen Frager erklärt: Sie ist es
im Stande. Aber bei Schnitzler sind wir nicht über¬
zeugt. Weder von der Notwendigkeit ihres finsteren
Entschlusses, noch von der inneren Wahrheit einer
um zehn Jahre verschobenen Abrechnung.
Ein Konversationsstück machte zuviel Kurven und
stürzte ins Tragische ab. Aber den zeschlungenen
Wegen leuchtete geistreiches Gefunkel.
In der „großen Szene“ wird nicht mit dem
dramatischen Senkblei nach Tiefen geforscht, und es
bleibt bei der blanken, glitzernden Lustspiel¬
wahrheit. Ein berühmter Tragöde feiert
die
Hotelzimmer
Aussöhnung
seiner
Gattin, die ihn wochenlang aus Grimm über