II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 203

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Große Szene": Der berühmte Schauspieler
Herbot führt sie auf.
Sein Pariner ist der
Bräutigam eines Mädchens, mit dem Herbot in
Verkehr gestanden. Wahrheit will der Bräntigam,
spielt ihm
und eine „große Szene“
seine Untreue mied. Sie haßt nichts so sehr wie seinenw
Schauspieler vor, in ein verwirrendes Gewebe
Verstellungskünste und muß hinter der Tür an=m
von Dichtung und Wahrheit spinnt er ihn ein,
hören, wie schamlos er den Bräutigam seines letztenge
wie es vielleicht nur ein Schauspieler weben
kann. Herbots Gattin aber eben erst wieder
Opfers anlugt. Sie will wieder weg von ihm, wird
ch
zu ihm zurückgekehrt, von dem sie sich um des Ver¬
aber vom entsetzten Direktor, der für seine ausver¬
so
hältnisses mit jenem Mädchen willen getrennt hatte,
si
kaufte Hamletvorstellung zittert, zurückgehalten, von
will 'nnn wieder von ihm gehen, angeekelt von des
dem kostümierten Gatten, der sie um keinen Preis
de
Mannes naiverafsinierter Lügenkunst. Und doch bleibt
missen will, ins Theater geschleppt. Leben und Bühne
sie; denn ginge sie, er ließe seinen Direktor mit
schwirren durcheinander und tauschen die Masken.
w
seinem ausverkauften Theater sitzen, wo er in dieser
Falsches und Wahres, Echtes und Geheucheltes blitzt
H
Stunde noch den Hamlet spielen soll.
und glüht durcheinander, und zwischen aufgebauschten
P
„Das Bacchusfest": Auf dem Bahnsteig
Konflikten spaziert die nüchterne Figur des Theater¬
n
wird der Schriftsteller Felix Staufner von seiner
direktors, der mit seinem Witz die Leidenschaft der
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Gattin Agnes und deren Geliebtem Dr. Wernig
Frau kühlt und das Komödiantentum seines Spielers
in
Sie wollen ihm sagen, daß
erwartet.
stachelt. Es ist eine leichtgeschürzte Komödie, nicht
b.
sein Heim zurückkehren
nicht mit ihm
ohne tiefere Bedeutung. Und die Situationen
wird, da sie beide nicht von einander lassen können.
haben etwas köstlich Schäumendes.
Doch als Felix kommt und ihnen von seinem neuen
Innerlich fein, aber zu klug um tiefer zu greisen,
Werke erzählt, „Das Bacchusfest“ betitelt, ist schlie߬
ist die Bahnhofskomödie „Das Bacchusfest“.sh
lich der Effekt, daß nicht der Gatte, sondern der
Die ungetreue Frau eines großen Schriftstellers er¬
Geliebte' allein bleibt. Die Symbolik des „Bacchus¬
wartet mit ihrem Liebhaber ihren Gatten, dem siet
festes“ jenes mythologischen Festes, da in einer Nacht
entgegenfuhr. Während die zwei, nicht ohne ihred
Männer, Frauen, Mädchen im Hain sich zusammen
Unsicherheit zu verraten, sich für den großen Moment u
fanden, ohne eine Verantwortung für das, was im
der Auseinandersetzung rüsten, taucht der Betrogene
Hain und in der Nacht geschah, auf sich nehmen zu
hinter ihrem Rücken auf und errät ihre Situation. I6
müssen, bekehrt Frau Agnes wieder ganz zu ihrem
Rasch gefaßt manövriert er bei der Zusammen#anft###.
Gatten, den zu bewundern sie nie aufgehört.
so gechickt, daß die Frau bei ihm bleibt und der je
Die drei Einakter sind zusammengefaßt unter dem
Dritte weggeschickt wird. Auch hier spielt das Theatersu¬
Titel: „Komödie der Worte“. Und Worte sind es,
mit dem Theater. Der Schriftsteller formt aus ie
die wir zu hören bekommen, von Taten sehen wir kaum
seinem Erlebnis eine Allegorie, die er zum Bestenge
setwas. Aber es sind Schnitzler=Worte, sein gewogene,
gibt. Und sie rettet ihm die Frau. Auch hier siegtsse
tief spürende — Worte, die schließlich doch zu Taten
die Kunst der Worte, das Spiel mit dem Sinne, der
führen, zu Taten, die nichts Geringeres bedeuten als
Menschenschicksale. Wo diese Taten tragischen Charakter
zwischen dem Gesprochenen schwebt. Aber der. Humor u
ist etwas gedämpfter als in der „großen Szene“.
annehmen wie im ersten Stück, geht es nicht
— aber wo sie zu
ohne Konstruiertheiten ab,
Die Lösung der Dinge hat ihre Willküren. Sie istlde
tragikomischen Sitnationen führen wie in den
von Lustspielgesinnung durchzogen, deren Absicht nicht y
beiden anderen, ist Schnitzler ganz in seinem
unbemerkt bleibt. Aber Ton und Art dieser drei
Element. Da funkelt ein Dialog, der das Seelen¬
Menschen hat viel Zauber.
leben bis in die geheimsten Tiefen bloßlegt, das
Die drei Stücke wurden mit viel Humor, nicht
Seelenleben vor allem der Frauen. Das gilt auch
immer aber überragend gut gespielt. Dreimal trat
auf
vom ersten Stück, ja man muß sagen, daß
Herr Bossermann an, meistens mit starkem Ein¬
Frau
die Charakterdurchleuchtung angesehen
satz bezwingender Kräfte. Aber auch er wechselte die
Dr. Eckold die reifste und reichste unter allen
Grade. Im ersten Stück übersah er die Untertöne sich
Dr. Max Goldschmidt
ihrer
Gestalten ist. Lina Lossen hat in
kreuzender Ironien und bloß das Rächeramt voll¬
uns
Kunst das Reise und Reiche, um
Bureau für Zeitungeans
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führte er mit gespannter, eindrucksvoller Energie.
diesen Charakter ganz verständlich zu machen, ganz
BERLI! N. 4
Telelon Norden 3051.
Lina Lossen war wertvolle Stütze.
nahe zu bringen. Die Frau des Schauspielers ist
Ihre Kunst umhüllte zu nackte Worte mit Seufzern
Jusschnift aus:
die -
wenn man so will — mütterlichste unter ihren
und vergrößerte die Gefühlserlebnisse. Herr Landa
Genossinnen, und Else Bassermann überraschte durch
sprach, was in der Rolle stand, vornehm und durch¬
die stille, tiefe Resigniertheit, mit der sie sich des großen
Waer Knen #
dacht. Es war zu knapp. Er hätte noch ein Stück
„Kindes“ annahm, dem das Lügen Lebenslust ist.
Persönlichkeit hinzufügen müssen.
Die am wenigsten Komplizierte ist Frau Agnes; ihr ist
In der Rolle des Tragöden feierte Bassermann
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das Verhältnis mit dem Geliebten kein Erlebnis, nur
große Triumphe. Sie waren nicht immer verdient,
ein Getändel, und immer denkt sie des Gatten wie
und namentlich die koketten Partien kamen recht
eines Hohen, Herrlichen. Fast möchte man sagen:
Kunst und Wissenschaft.
übertrieben heraus. Aber die Szene mit dem Bräu¬
sie hat etwas Gäuschenhaftes, und Trante
tigam wurde ein Schauspiel für sich, hatte Spannung
Dumcke=Carlsen bringt das mit köstlicher Naivetät.
„Komödie der Worte.“
und Fieber, war ein theatraliches Doppelgewächs an
Der Arzt mit der lange aufgesparten Rache, der
Farbe und Temperament. Hier bot auch Herr Loos
Drei Einakter von Arthur Schnitzler.
Schauspieler mit dem unwiderstehlichen Bedürfnis
nach Lüge, der überlegene, seiner Symbolik sichere
ein fesselndes Bild eines Gedrückten, der ins Feuer
(Lessing=Theater.)
Schriftsteller ist Albert Bassermann. Alle
greift. Es war mitten im Lustspiel ein Stück wahr¬
„Stunde des Erkennens“: Gestern hat der
Register seiner Virtnosenkünste kann er spielen
hafter Tragödie. Dagegen war Else Bassermann
praktische Arzt Dr. Eckold seine Tochter verheiratet,
lassen, und in der „Großen Szene“ kann er seiner
eine Enttäuschung.
ihres
seiner Frau, die Zeit
So sieht die Gattin eines be¬
heute erklärt er
Leidenschaft, sich selbst zu überschlagen, mit voller
Seit
rühmten Schauspielers bei ihrer häuslichen Drama¬
Zusammenlebens müsse ein Ende haben.
Freiheit fröhnen. Was sind das für Rollen zu
auf diesen Tag ge¬
tik nicht aus (auch wenn sie zufällig seine Frau ist).
zehn Jahren hut
Gastspiekreisen! Alle Episoden sind bestes Lessing¬
Auf diesen Tag der Nache, der
Den Direktor spielte Forest, sollte an seinem
wartet.
Theater: Landa, Forest, Loos, Götz und ein
Nache dafür, daß, wie er weiß, sie die Geliebte
gottseligen Direktor Brahm erinnern, was er mit
Fräulein Binder.
des Professors Ormin gewesen. Aber sie war
Geschmack nur ganz obenhin tat. Der Gedanke wäre
Man war bald angeregt und blieb gefesselt bis aus
nicht Ormins Gelirbte, hat sich vielmehr
auch schmerzlich, wenn sich der Komiker mit dem
Ende. Und als ein Fehler in der Heizung, der sich
gehütet, das zu werden, weil sie fürchtete, daß er
Unvergeßlichen stärker berühren würden.
durch lantes Geräusch bemerkbar machte, im zweiten
ihr Schicksal werden würde. Doch einem anderen
Im Schlußstück gesiel Herr Götz als nervöser
Stück zu einer Unterbrechung des Spieles zwang,
ist sie Geliehte gewesen. In dieser Stunde indessen,
Liebhaber am besten. Auch Bassermann bot scharfe
nahm man auch das, nachdem sich die erste Auf¬
da ihr Mann ihr Ormins Namen nennt, schreit sie
Charakteristik, aber man war nicht immer durch¬
regung gelegt, voll Heiterkeit in Kauf. Solche kleinen
ihm ins Gesicht: Ja, ich war Ormins Geliebte. Weil
drungen, daß es das Gehaben eines bedeutenden
Zwischenfälle haben ja nach dem Theateraberglauben
sie weiß, daß der Name dieses vom Gatten immer
Schriftstellers war. Nicht einmal das Schnalzen beim
wohl eine günstige Vorbedentung. Das fröhliche Gesicht
Veneideten ihn am empfindlichsten kränkt und
Essen überzeugte. Frau Dümke=Carlsen als
des Dichters, der sich nach dem zweiten und dritten
daß er auf ihn, der sich soeben verabschiedet hat, um
Gattin war angenehm. In Erscheinung und Sprache.
Stück des öfteren zeigen mußte, dentete an, daß
auf eine weite Reise zu gehen, stets den Verdacht ge¬
auch er sich diese Schlußfolgerung zu eigen machte.
Mehr nicht. Das Lessingtheater hat jetzt zugkräftiges
habt hat. Nicht weil der Gatte es begehrt, sondern
Kp.
Material.
weit sie nun auch innerlich von ihm los ist, geht sie
Emil Faktor.
aus dem Hause.
Me
Wenn zwei Hochzeit machen.
Berliner Theater.
Bernauers und Schanzers Posse „Wenn
zwei Hochzeit machen“ hat in der Buntheit