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Konoedieörte zyklus
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Der Schnitzler-BassermauAbend des Lessing-Theaters hat
sentschieden zwiefpmtige Empfindungen geweckt und diese „Komödie
der Worte“ ist wohl nur deswegen so glimpflich aufgenommen, weil
sie eine Bombenrolle enthält und es wurde diese Komödiantenrolle
so überwältigend dargestellt, daß man die sonstigen Bedenken des
lieben Friedens wegen gern zum Schweigen brachte. Schon in der
Schnitzler-Stadt, in dem theaterfrommen Wien, wurde von der ernsten
Kritik mit sanftem Vorwurf gefragt: Warum im Jahr der Taten eine
Komödie der Worte? Warum im Jahr der Treue ein Trifolium von
Ehebrüchen, von denen der eine immer schmieriger als der andere ist?
Wir Berliner schließen uns der tapferen Frage nicht an, weil diese
anrüchigen Schnitzler-Menschen uns ebenso landesfremd wie unver¬
ständlich sind, uns also auch nicht auf Herz und Nieren gehen. Mag
anderswo das Leben einer Komödie gleichgeachtet werden, wir Nord¬
deutsche denken anders darüber und daher nehmen wir diese und
andere Schnitzleriana mehr als eine Kuriosität, denn als einen Spiegel
der Landesmoral. Also rein das Kunstwerk fassen wir ins Auge,
dieses Spiel der Worte so blink und blank, diese scharf und glänzend
geschliffene Theatersprache, diese Kaskade der Worte, der Ausreden,
der geschwätzigen und plauschenden Dialektik, diesen Hornissenschwarm
der giftig stechenden Worte. Schnitzler ist bekanntlich auch Arzt und
daher anscheinend wohl berufen, drei kranke Ehen zu behandeln.
Der erste Einakter „Die Stunde des Erkennens“ spielt in ärztlichem
Kreise und will sogar ernst genommen werden, sintemalen er tragisch
verläuft. Er kann aber nicht einst genommen werden, es ist so un¬
glaubhaft wie nur möglich. Erstlich mal, weil kein Mann zehn Jahre
lang die Nache für den Ehebruch seiner Frau still bei sich trägt, und
dann kommt kein Funken tragischen Mitleides auf, weil diese
Frau sich nicht dem geliebten Allerweltsverführer, sondern irgend¬
einem ungeliebten Flachkopf blindlings preisgegeben und gerade
deswegen in vielen Worten sich womöglich noch einen
Heiligenschein zu ergattern versucht. Und da der Mann
sie trotzdem echt Bassermännisch saugrob anfährt, nimmt sich.
die gekränkte Unschuld das Leben. Und das soll eine Tragödie sein!
Die Kunst, aufdringliche Leute unter den Tisch zu reden, kommt nun
aber im „Bacchusfest“ drastisch zum Ausdruck. Aus dem Literatenkreis
stammt hier der Ehebrecher, der das schrankenlose Recht der Saturnalien
auch heute noch für die großen Geister seines Schlages in Anspruch¬
nimmt und dafür Worte, Worte, Worte aufwendet, mit denen ein
Sprechkünstler wirklich einen verblüffenden Eindruck erzielen kann.
Indessen auch diese Tradikomödie wollte nicht recht zünden. Ohne
Frage aber ist das parodistische Mittelstück „Die große Szene“ ein
genialer Schlager des Dichters wie des Darstellers. Beide finden sich
hier in ihrer Arheimat: im schrankenlos flutenden, im souveränen
Komödiantentum. Der gefeierte Schauspieler Konrad Herbott, der so
stark von seiner Gottähnlichkeit überzeugt ist, daß er auch im Leben
ständig Komödie spielt, der äußerlich glänzende Virtuos, dessen Hans¬
wurstseele zur gemeinen Schmiere herabgesunken, ist von Schnitzler
schlagend und gewiß auch echt nach dem Wiener Leben gezeichnet worden.
Verständlich also, daß der bienenemsig studierende Bassermann an diese
Rolle auch sein Letztes hergegeben hat. Der schon stark alternde Herbott,
der zu lügen versteht wie ein Engländer, glaubt schließlich selber an seine
Lügen und das eben macht ihn unwiderstehlich. Er lügt sich Neigung
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Konoedieörte zyklus
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Der Schnitzler-BassermauAbend des Lessing-Theaters hat
sentschieden zwiefpmtige Empfindungen geweckt und diese „Komödie
der Worte“ ist wohl nur deswegen so glimpflich aufgenommen, weil
sie eine Bombenrolle enthält und es wurde diese Komödiantenrolle
so überwältigend dargestellt, daß man die sonstigen Bedenken des
lieben Friedens wegen gern zum Schweigen brachte. Schon in der
Schnitzler-Stadt, in dem theaterfrommen Wien, wurde von der ernsten
Kritik mit sanftem Vorwurf gefragt: Warum im Jahr der Taten eine
Komödie der Worte? Warum im Jahr der Treue ein Trifolium von
Ehebrüchen, von denen der eine immer schmieriger als der andere ist?
Wir Berliner schließen uns der tapferen Frage nicht an, weil diese
anrüchigen Schnitzler-Menschen uns ebenso landesfremd wie unver¬
ständlich sind, uns also auch nicht auf Herz und Nieren gehen. Mag
anderswo das Leben einer Komödie gleichgeachtet werden, wir Nord¬
deutsche denken anders darüber und daher nehmen wir diese und
andere Schnitzleriana mehr als eine Kuriosität, denn als einen Spiegel
der Landesmoral. Also rein das Kunstwerk fassen wir ins Auge,
dieses Spiel der Worte so blink und blank, diese scharf und glänzend
geschliffene Theatersprache, diese Kaskade der Worte, der Ausreden,
der geschwätzigen und plauschenden Dialektik, diesen Hornissenschwarm
der giftig stechenden Worte. Schnitzler ist bekanntlich auch Arzt und
daher anscheinend wohl berufen, drei kranke Ehen zu behandeln.
Der erste Einakter „Die Stunde des Erkennens“ spielt in ärztlichem
Kreise und will sogar ernst genommen werden, sintemalen er tragisch
verläuft. Er kann aber nicht einst genommen werden, es ist so un¬
glaubhaft wie nur möglich. Erstlich mal, weil kein Mann zehn Jahre
lang die Nache für den Ehebruch seiner Frau still bei sich trägt, und
dann kommt kein Funken tragischen Mitleides auf, weil diese
Frau sich nicht dem geliebten Allerweltsverführer, sondern irgend¬
einem ungeliebten Flachkopf blindlings preisgegeben und gerade
deswegen in vielen Worten sich womöglich noch einen
Heiligenschein zu ergattern versucht. Und da der Mann
sie trotzdem echt Bassermännisch saugrob anfährt, nimmt sich.
die gekränkte Unschuld das Leben. Und das soll eine Tragödie sein!
Die Kunst, aufdringliche Leute unter den Tisch zu reden, kommt nun
aber im „Bacchusfest“ drastisch zum Ausdruck. Aus dem Literatenkreis
stammt hier der Ehebrecher, der das schrankenlose Recht der Saturnalien
auch heute noch für die großen Geister seines Schlages in Anspruch¬
nimmt und dafür Worte, Worte, Worte aufwendet, mit denen ein
Sprechkünstler wirklich einen verblüffenden Eindruck erzielen kann.
Indessen auch diese Tradikomödie wollte nicht recht zünden. Ohne
Frage aber ist das parodistische Mittelstück „Die große Szene“ ein
genialer Schlager des Dichters wie des Darstellers. Beide finden sich
hier in ihrer Arheimat: im schrankenlos flutenden, im souveränen
Komödiantentum. Der gefeierte Schauspieler Konrad Herbott, der so
stark von seiner Gottähnlichkeit überzeugt ist, daß er auch im Leben
ständig Komödie spielt, der äußerlich glänzende Virtuos, dessen Hans¬
wurstseele zur gemeinen Schmiere herabgesunken, ist von Schnitzler
schlagend und gewiß auch echt nach dem Wiener Leben gezeichnet worden.
Verständlich also, daß der bienenemsig studierende Bassermann an diese
Rolle auch sein Letztes hergegeben hat. Der schon stark alternde Herbott,
der zu lügen versteht wie ein Engländer, glaubt schließlich selber an seine
Lügen und das eben macht ihn unwiderstehlich. Er lügt sich Neigung